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Klimaschutz in der Großen Koalition
Streit statt Konsens bei CO2-Steuer

Von wegen Einigung: Beim Thema CO2-Steuer ruckelt es sowohl innerhalb der Parteien, als auch innerhalb der Großen Koalition. "Viel zu teuer und eine Bevormundung", heißt es aus der CSU. Die Jusos sprechen von Bockigkeit. Das Klimakabinett will erst vor der Sommerpause eine Entscheidung fällen.

Von Nadine Lindner | 29.04.2019
Autoauspuff in Nahaufnahme vor der VW-Konzernzentrale in Wolfsburg
Autofahren mit hohen CO2-Abgaswerten könnte teuer werden (Jan Huebner /Voigt / www.imago-images.de)
Die Union tritt bei Klimaschutz erstmal wieder auf die Bremse. Viel zu teuer! Und eine Bevormundung. Mit diesen Worten lehnte der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrinbt eine CO2-Abgabe auf Heizöl oder Benzin ab. Der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten meldete sich heute im Münchner Merkur zu Wort. Widerstand kommt auch aus Nordrhein-Westfalen. Ministerpräsident Armin Laschet von der CDU glaubt nicht, dass eine solche Abgabe noch in dieser Legislaturperiode eine Chance hätte. Das sagte Parteivize Laschet am Vormittag vor Sitzungen der Parteispitze in Berlin, bei denen es auch um den Klimaschutz gehen wird.
Generalsekretär Paul Ziemiak tritt am frühen Nachmittag vor die Presse. Auch wenn sich zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel verhalten offen für eine CO2-Bepreisung gezeigt hatte, gibt es noch keine einheitliche Haltung innerhalb der Partei. In ihrem Wahlprogramm 2017 hatte die CDU noch versprochen, keine Steuererhöhungen zu wollen.
Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition heißt es dazu, dass man ein Bepreisungssystem für CO2 auf weltweiter Ebene anstrebt, wenigstens aber für die G-20 Staaten. Von einem Konsens, wie ihn die FAS noch am Wochenende gesehen hat, ist die Regierung weit entfernt. Doch der Druck auf die Union, sich zu positionieren, steigt.
Juso-Chef Kevin Kühnert sagte heute der dpa, es könne nicht sein, dass die Union beim CO2-Preis "bockig" reagiere. Kühnert erneuerte den Hinweis darauf, dass ein Klimaschutzgesetz Bedingung für den Fortbestand der Großen Koalition sei.
Sozialdemokrat Timmermans will eine europaweite CO2-Steuer
Auch der Spitzenkandidat der Europäischen Sozialdemokraten, Frans Timmermans, sprach sich im Deutschlandfunk heute morgen für mehr Klimaschutz aus.
"Wenn man noch immer nicht begriffen hat, dass der Klimawandel und dass die Nachhaltigkeit die wichtigsten Themen sind für Europa in den nächsten Jahren, dann hat man es wirklich nicht begriffen."
Sozialdemokrat Timmermans will eine europaweite Co2-Steuer. Die Grünen fordern zudem eine Kerosinsteuer, um Flüge zu Schleuderpreisen künftig zu verhindern. Für fünf Euro nach Mallorca, das soll es nicht mehr geben. In Europa gibt es in einigen Ländern wie Frankreich oder Schweden bereits eine CO2-Abgabe. Auch die Schweiz hat ein solches Instrument. Eine EU-einheitliche Lösung gibt es aber noch nicht.
Es sind noch viele Fragen offen in der Debatte um einen CO2-Preis. Im Mittelpunkt: Wie hoch sollte der Preis für eine Tonne CO2 angesetzt werden, um auf der einen Seite wirksam zu sein, auf der anderen Seite aber Gering- oder Normalverdiener nicht zu überfordern? Derzeit schwanken die Forderungen zwischen 20 und 180 Euro pro Tonne CO2.
Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Klaus Müller nannte heute im Interview mit dem Deutschlandfunk drei Vorbedingungen.
"Das Geld, was jetzt zusätzlich erhoben wird als Steuer, als Abgabe, muss zu 100 Prozent zurück an die Verbraucher gehen. Zweitens, der Weg, wie das zurückgeht, muss spürbar und klimpern. Es muss in Form einer Bargeldzurückerstattung möglich sein. Das darf nicht verrechnet sein, wo ich das nicht überblicke. Und drittens, wir werden über Härtefälle reden müssen. Mobilität muss auch für Menschen im ländlichen Raum, für geringe Geldbeutel genauso möglich sein wie Heizen."
Die Klimaschutz-Debatte wird jetzt in fast allen Parteien geführt – auch wenn sie zu unterschiedlichen Rezepten kommen. Die FDP hatte sich am Wochenende bei ihrem Parteitag in Berlin auf einen Grundsatzantrag zur Klimapolitik geeinigt. Darin setzen die Liberalen unter anderem auf die Ausweitung des europaweiten Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten. Bislang umfasst das vor allem die Industrie, jetzt könnten noch Verkehr, Bau und Landwirtschaft dazukommen.
CO2-Preis oder CO2-Emissionshandel? Oder beides? Bis zu einer Einigung innerhalb der Bundesregierung kann es noch etwas dauern. Das Klimakabinett, das erst seit Anfang des Monats arbeitet, will erst im Juli, also kurz vor der Sommerpause des Bundestags, eine Entscheidung fällen.