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Klimaschutz in Deutschland
Gegner: "fossiles Kapital"

Vor dem Hintergrund der UNO-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz wird darüber diskutiert, wie der Klimaschutz in Deutschland verstärkt werden könnte. Die Energieexpertin Kemfert warf Politik und Industrie im Dlf vor, den Klimaschutz aus wirtschaftlichen Gründen zu vernachlässigen. Unionspolitiker widersprachen.

03.12.2018
    Blick auf das Braunkohlekraftwerk Niederaußem der RWE Power AG in Bergheim-Niederaußem
    Das Braunkohlekraftwerk Niederaußem der RWE Power AG (pa/Geisler)
    Kemfert ist Leiterin der Abteilung Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Sie forderte in der Sendung Kontrovers im Deutschlandfunk eine vollständige Abkehr von Öl, Kohle und Gas. Die Bevölkerung wolle etwas ändern, aber das "fossile Kapital" sei in den vergangenen Jahren mit den Populisten salonfähig geworden. Der Kohleausstieg hätte längst begonnen werden müssen und die Verkehrswende müsste viel weiter sein, sagte Kemfert. Stattdessen bremse die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien stark ab.
    Claudia Kemfert spricht bei einer Konferenz im schwarzen Blazer und betont ihre Wort mit einer Handbewegung
    Claudia Kemfert, Umweltexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (dpa / Bernd Wüstneck)
    Kemfert (DIW): "Fossile Energien müssen teurer werden"
    Es sei dringend notwendig, Kerosin und die fossilen Energien insgesamt teurer zu machen und die Umweltschäden einzupreisen - auch auf nationaler Ebene, foderte die Wirtschaftswissenschaftlerin. Dies scheue die Politik aber, weil dann auch Benzin, Diesel, Gas und Heizöl teurer würden. Kemfert schlug deshalb vor, zum Beispiel Pendler an anderer Stelle zu entlasten und Alternativen wie den Schienenverkehr zu fördern. Sie setze dabei auch auf die Zivilgesellschaft, die sich weltweit für den Klimaschutz engagiere. Man habe "nicht mehr ewig Zeit", um den Hebel umzulegen.
    CDU-Politiker Pfeiffer warnt vor "deutscher Nabelschau"
    Dagegen warnte der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Pfeiffer, vor einer - Zitat - "deutschen Nabelschau". Die Vorreiterfunktion Deutschlands liege nicht darin, die letzten Prozent und Promille zu optimieren, sagte er ebenfalls im Deutschlandfunk. Statt ganze Industriezweige an die Wand zu fahren, müsse der deutsche Auftrag sein, technologischen Fortschritt etwa bei Motoren oder Heizkesseln weltweit zu exportieren.
    Die Klimaschutzbeauftragte der Unionsfraktion, die CSU-Politikerin Weisgerber, verteidigte die Klimapolitik der Bundesregierung. Man fahre nicht mit leeren Händen zur UNO-Klimakonferenz nach Kattowitz. Vielmehr habe man seit 2016 einen Klimaschutzplan und sei nun dabei, ihn umzusetzen.
    Die Klimaschutzbeauftragte der Unionsfraktion, Anja Weisgerber (CSU)
    Die Klimaschutzbeauftragte der Unionsfraktion, Anja Weisgerber (CSU) (imago / HRSchulz)
    Die CSU-Politikerin verwies im Dlf auf das Ziel der EU-Kommission, den Netto-Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 auf Null zu senken. Technisch sei dies möglich. Nun müsse man dafür Anreize schaffen. Die Politik könne Umwelt und Wirtschaft versöhnen, indem sie die richtigen Weichen stelle. In dieser Richtung sei bereits einiges passiert.
    Badum (Grüne): "Auch die Industrie ruft nach Klimaschutz"
    Auch die klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Badum, warf der Bundesregierung Tatenlosigkeit vor. Die Bürger gingen für den Kohleausstieg auf die Straße, aber die Bundesregierung tue nichts, sagte Badum im Deutschlandfunk. Sie forderte, grundsätzlich den Strukturwandel in den Kohleregionen zu fördern, Dies dürfe aber nicht mit dem Kohleausstieg vermischt werden. Auch die Industrie rufe nach Klimaschutz, sagte Badum, aber die Anreize seien nicht groß genug. Stattdessen blockiere Deutschland in der EU ehrgeizigere Klimaschutzziele.
    Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grüne), Mitglied des Deutschen Bundestages, spricht während der Fragestunde zum Thema Klimaschutz der 54. Sitzung des Deutschen Bundestages.
    Die klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Badum (Fabian Sommer/ dpa)
    Badum appellierte auch an die Bürger, ihren Lebenswandel zu überdenken und beispielsweise bewusster Fleisch zu konsumieren. Schon die katholische Kirche habe gewusst, dass der Sonntagsbraten etwas Besonderes sei. Auch die Fortbewegung müsse sich ändern. Fast alle Wege, die mit dem Auto zurückgelegt würden, seien kürzer als fünf Kilometer. Badum forderte "von der Auto-Fixiertheit" wegzukommen und die Elektromobilität zu fördern.
    (mw/am)