Dienstag, 23. April 2024

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Klimaschutz
Konkrete Ziele statt abstrakter Gesetze

Eine geplante Kommission für mehr Klimaschutz im Gebäudebereich ist auf Eis gelegt worden. Dies sei keine Abkehr vom Klimaschutzgesetz insgesamt, sagte Unionsfraktions-Vize Georg Nüßlein im Dlf. "Wir wollen konkreten Klimaschutz als Union und nicht abstrakte Gesetze, die niemanden voranbringen."

Georg Nüßlein im Gespräch mit Jule Reimer | 18.02.2019
    Die Fassade eines Wohnhauses - aufgenommen mit einer Wärmebildkamera.
    "Wir wollen im Gebäudebereich jetzt als ersten Schritt die CO2-Gebäudesanierung, die steuerliche Förderung des Ganzen voranbringen", sagte Georg Nüßlein. (picture-alliance/dpa - Greenpeace)
    Jule Reimer: Am vergangenen Freitag zeichnete sich ab, dass Teile von CDU und CSU von dem in der Koalition vereinbarten Klimaschutzgesetz abrücken, oder es zumindest skeptischer sehen. Nachdem Deutschland seine Klimaziele für 2020 aufgegeben hat, soll mit diesem Gesetz eigentlich sichergestellt werden, dass zumindest die Ziele für 2030 eingehalten werden. Dabei geht es besonders um die Minderung der CO2-Emissionen um insgesamt 55 Prozent, verglichen mit dem Stand von 1990.
    Einer der Skeptiker ist der Vizevorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Georg Nüßlein von der CSU. Ihn begrüße ich jetzt in Berlin.
    Georg Nüßlein: Ich grüße Sie.
    Reimer: Die Verkehrskommission bremst Verkehrsminister Scheuer aus. Die geplante Kommission für Klimaschutz in Gebäuden wird vielleicht gar nicht mehr einberufen. Warum knirscht es?
    Bürokratisches Rahmengesetz hilft nicht
    Nüßlein: Zunächst mal haben wir eine große, demokratisch legitimierte Kommission. Das ist der Deutsche Bundestag. Ich persönlich bin sehr, sehr skeptisch, wenn wir jetzt anfangen, zu jedem Thema Kommissionen zu machen. Nun kann man sagen, die Kohlekommission hat ja funktioniert. Das stimmt! Sie hat einen einvernehmlichen Ausbaupfad beschrieben. Sie hat uns auch gesagt, dass es ohne Gas und Kraft-Wärme-Kopplung nicht gehen wird. Dass das die Umweltverbände mit unterschrieben haben, halte ich für bemerkenswert. Andererseits ist das Ganze aber so teuer, dass man sehen muss, dass eine Kommission, die so was macht, nicht Rücksicht auf den Haushalt nimmt. Das ist die eine Seite.
    Das andere ist: Es ist objektiv nicht wahr, dass die CDU/CSU-Fraktion (das würde ich nie zulassen) abrückt von der Frage Klimaschutz und gesetzliche Umsetzung. Wir wollen nur kein Rahmengesetz, dass außer Bürokratie, externer Überwachung, Ressortzuständigkeit und einem Volkswirtschaftsplan Dinge bringt, die niemanden voranbringen im Bereich Klimaschutz. Wir wollen konkreten Klimaschutz als Union und nicht abstrakte Gesetze.
    Reimer: Dann sagen Sie uns doch mal genau, was Sie tun wollen.
    Nüßlein: Wir wollen Schritt für Schritt uns in jedem einzelnen Bereich auf Maßnahmen verständigen. Die Landwirtschaft hat mir signalisiert, dass sie dazu schon einen Maßnahmenkatalog vorbereitet hat. Wir wollen im Gebäudebereich jetzt als ersten Schritt die CO2-Gebäudesanierung, die steuerliche Förderung des Ganzen voranbringen. Wir wollen im Verkehrsbereich dafür sorgen, dass Wasserstoff-Strategie, dass Gas als Thema für die Antriebe, natürlich auch Biogas in dem Zusammenhang eine Rolle spielen. Wir wollen nicht einseitig auf einzelne Technologien setzen. Wir wollen wirklich Schritt für Schritt tatsächliche Umsetzung machen, statt eines Rahmenplanes, der so, wie es die Umweltministerin vorgesehen hat, nur Verpflichtungen abstrakter Art gebracht hätte, viele runtergebrochen auf Jahresziele, auf Ressortziele, und damit einen Volkswirtschaftsplan und sonst nichts.
    Reimer: Mit Freiwilligkeit ist aber in der Vergangenheit nicht immer Vorankommen gewesen. Was halten Sie denn von einer CO2-Abgabe? Das fordert ja auch der Bundesverband der Deutschen Industrie.
    Menschen im ländlichen Raum brauchen ihr Auto
    Nüßlein: Ich kann nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Ich bitte das mal aus Sicht derjenigen zu sehen, die das bezahlen müssen.
    Reimer: Das kann man machen wie in der Schweiz. Da bekommen die Bürger das Geld zurück. – Es gibt genug Modelle.
    Nüßlein: Das sehe ich anders. Ich sehe den Punkt, dass ich im Bereich beispielsweise der ländlichen Bevölkerung das Problem habe, dass die ihr Auto brauchen, dass die Benzin und Diesel bezahlen müssen, und wenn man das so verteuern möchte, dass es Lenkungswirkungen entfaltet, dass das zu Lasten der Menschen im ländlichen Raum geht und dass das auch unsozial ist. Deshalb sind wir da sehr, sehr skeptisch. Ich glaube, dass es umgekehrt sein muss, dass der Vorteil so evident sein muss, auf einen günstigen Antrieb umzusteigen, dass sie das von sich aus machen. Dienstwagenbesteuerung beispielsweise – damit kriegen Sie entsprechende Gebrauchsfahrzeuge. Sie müssen auch erst mal sagen, wo Sie die Leute denn hinlenken wollen. Wir sind ja im Stande, in dem Land erst mal das Benzin und den Diesel zu verteuern, um dann festzustellen, dass die Alternativen noch gar nicht da sind.
    Reimer: Na ja. Man könnte auch Autos bauen oder einen Anreiz schaffen, dass Autos verkauft werden, die weniger verbrauchen.
    Nüßlein: Da bin ich dabei. Da bin ich dafür.
    Reimer: Wie wäre es denn mit mehr öffentlichem Personen-Nahverkehr, mehr Unterstützung im öffentlichen Raum, den Regionalverkehr der Bahn ausbauen?
    Nüßlein: Da können Sie viele Dinge machen, in der Tat. Das hilft im sehr guten Ausmaß in den Städten, in Ballungsräumen.
    Reimer: Auch im Land! Da ist ja viel zusammengekürzt worden.
    Nüßlein: Es hilft auf dem Land nur eingeschränkt, weil die Leute, die Menschen sich entscheiden. Die entscheiden sich, wie sie sich bewegen wollen, und ich garantiere Ihnen, das Thema Klimaschutz wird dann, wenn Sie zwanghaft die individuelle Mobilität der Menschen einschränken, plötzlich anders diskutiert in dieser Republik, und dafür ist mir das Thema zu wichtig.
    Reimer: Jetzt sagen alle Klimaökonomen, angefangen bei Sir Nicholas Stern im Jahr 2006, ein Prozent der Wirtschaftskraft jährlich reicht, um für mehr Klimaschutz zu sorgen, aber die Schäden, wenn die Temperaturen hochgehen, werden bis zu 20 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft uns kosten. Das klingt so, als ob Handeln heute deutlich billiger wäre als später.
    Nüßlein: Das kann man so beschreiben. Das ist so darstellbar. Ich bin immer noch guter Dinge, dass das, was auch die Grünen beispielsweise immer wieder betonen, dass Klimaschutz uns ökonomisch was bringt und Sinn macht, dass wir einen Klimaschutz betreiben, …
    Reimer: Sagt ja auch der BDI!
    "Lassen Sie uns Dinge tun, die uns die Welt nachmacht"
    Nüßlein: Ja, genau! - …, dass wir einen Klimaschutz machen, den die Welt uns nachmacht. Das geht nur dann, wenn wir mobil bleiben, wenn wir unseren Wohlstand nicht einschränken müssen, sondern wenn wir Techniken entwickeln, die uns an der Stelle tatsächlich voranbringen und die die Welt dann auch kauft und einsetzt. Das ist doch das Entscheidende. Und das werden die nur tun, wenn das Ganze technisch funktioniert.
    Reimer: Aber das tun sie doch schon bei erneuerbaren Energien.
    Nüßlein: Ja, ist doch gut! Es sagt doch niemand was dagegen. – Ich meine, wir sollten doch an der Stelle keinen künstlichen Dissens machen. Lassen Sie uns die Dinge machen, die uns die Welt nachmacht. Ansonsten müssen wir zur Kenntnis nehmen – ich nehme mal das Thema Auto beispielsweise.
    Reimer: Ich glaube, das können wir jetzt nicht mehr soweit diskutieren, weil uns leider die Zeit wegläuft.
    Nüßlein: Aber schauen Sie sich mal an das Bevölkerungswachstum in China, wie viele Leute da sind, die früher Fahrrad gefahren sind, heute Auto fahren und in Zukunft auch Auto fahren möchten. Da braucht man die Technologien dafür!
    Reimer: Vielen Dank an den Vizevorsitzenden der Unions-Fraktion im Bundestag, Georg Nüßlein von der CSU.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.