Freitag, 29. März 2024

Archiv

Klimaschutz
"Noch sind nicht alle Länder an Bord"

Bei einem Treffen in Brüssel wollen die EU-Umweltminister letzte Hindernisse für die Ratifizierung des Weltklimaabkommens aus dem Weg räumen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks betonte im Deutschlandfunk, es werde keinen Rabatt für einzelne Staaten geben.

Barbara Hendricks im Gespräch mit Christian Kaess | 30.09.2016
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht in dem Transformationsprozess weg von fossilen Brennträgern die Chance einer Vorreiterrolle für Deutschland. (imago stock&people)
    Damit das EU-Parlament das Pariser Klimaabkommen vor dem 7. Oktober ratifizieren darf, müssen Vertreter der 28 EU-Mitgliedstaaten dies gemeinsam beschließen. Nur dann hätten die Europäer beim nächsten Klimatreffen in Marrakesch Stimmrecht.
    Hendricks betonte, es wäre peinlich, wenn die EU bei der Abstimmung nicht dabei wäre. Die SPD-Politikerin betonte zugleich, noch seien nicht alle Mitgliedsstaaten an Bord. "Es kann auch nicht klappen", meinte sie. Wenn es der EU nicht gelinge, das Abkommen über die Hürde bringen, werde es aber nicht scheitern. "Es würde nicht so rasch in Kraft treten". Wichtig sei ihr, keinen Rabatt bei den Klimazielen für einzelne Länder wie etwa Polen zu machen.
    Manche Länder tragen größere Lasten
    Einige Länder wie Deutschland trügen jedoch einen größeren Anteil zur Reduzierung der Treibhausgase bei, weil sie bessere technologische und finanzielle Möglichkeiten hätten, erklärte Hendricks. So reduziere die Bundesrepublik ihren Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent. In der gesamten EU soll der Rückgang 40 Prozent betragen.
    Das in Paris ausgehandelte Weltklimaabkommen soll die Erderwärmung auf unter zwei Grad begrenzen, möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Das Abkommen tritt in Kraft, wenn es mindestens 55 Länder, die für 55 Prozent der Treibhausgasemissionen stehen, ratifiziert haben.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Dass die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius begrenzt wird, dafür soll das Klimaabkommen von Paris sorgen. Experten sind skeptisch, ob dieses Ziel mit den bisherigen Bemühungen erreicht werden kann. Bei der konkreten Umsetzung wird es schwierig.
    Am Telefon ist jetzt die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von der SPD. Guten Morgen.
    Barbara Hendricks: Guten Morgen!
    Kaess: Frau Hendricks, die USA, China oder Indien haben schon ratifiziert. Ist die EU vom Vorreiter zum Sorgenkind beim Klimaschutz geworden?
    "Die EU als Ganzes kann ratifizieren"
    Hendricks: Indien wird jetzt am Sonntag ratifizieren. Das ist der Geburtstag Gandhis und wir freuen uns auch, dass sie dabei sind. USA und China waren besonders wichtig, die haben schon Anfang September ratifiziert. Wir haben hier so ein schwieriges Verfahren innerhalb der Europäischen Union. Wir haben bisher das immer so gemacht: Erst müssen alle Länder ratifizieren und dann erst die EU als Ganzes.
    Jetzt haben wir, um das zu beschleunigen, uns schon darauf verständigt zu sagen, die EU als Ganzes kann ratifizieren und dann die Länder, die auch schon selber fertig sind, so wie Deutschland. Die ratifizieren auch und die anderen Länder kommen dann später. Aber die EU als Ganzes würde tatsächlich über die Hürden, die noch nicht ganz überwunden sind, hinwegtragen.
    Kaess: Entschuldigung, wenn ich hier einhaken darf. Und das ist in Ordnung, dass die nationalen Parlamente jetzt außen vor gelassen werden?
    Hendricks: Nein! Wir haben ja in Deutschland schon ratifiziert. Das ist ja nicht der Punkt. Und der Ratifikationsprozess zum Beispiel in Polen findet ja im parlamentarischen Verfahren noch statt. Und das wird dann eben etwas später sein und nicht vorher. Aber die Rechte des Parlamentes bleiben natürlich erhalten. - In der Tat: Jedes Land verpflichtet sich innerhalb des europäischen Rahmens und durch das Europäische Parlament natürlich auch.
    "Wir werden keine Zugeständnisse zulasten des Klimaschutzes machen"
    Kaess: Wir haben es gerade in dem Beitrag gehört, dass Polen einen gewissen Druck ausübt. Rechnen Sie damit, dass Polen Rabatt beim CO2-Ausstoß bekommt?
    Hendricks: Das ist in der Tat noch kein Selbstläufer, denn wir müssen da jetzt heute einstimmig entscheiden. Aber es sind, wie Sie richtig gesagt haben, noch nicht alle Länder an Bord. Es kann also immer noch sein, dass es nicht klappt.
    Es ist mir aber wichtig zu sagen, wir werden keine Zugeständnisse zulasten des Klimaschutzes machen. Wenn einzelne Mitgliedsstaaten ihre Zustimmung davon abhängig machen, dass sie irgendwie einen Nachlass oder so bei ihren nationalen Klimaschutzverpflichtungen bekommen, dann machen wir das nicht mit. Das kommt nicht in Frage.
    Kaess: Dann würde das Abkommen eventuell scheitern.
    Hendricks: Es würde nicht scheitern, aber es würde nicht so rasch in Kraft treten, weil es haben schon 61 Länder ratifiziert und es müssen 55 Länder sein. Die Zahl der Länder ist schon da. Aber es müssen auch 55 Prozent des CO2-Ausstoßes repräsentiert werden durch die Länder, die ratifiziert haben. Weil China und USA schon dabei sind, haben wir da schon ganz große Mengen, denn das sind ja die größten Emittenten.
    Aber im Moment verursachen die 61 Länder knapp 48 Prozent, also keine 55. Wenn Indien dazukommt, dann sind wir am Sonntag sogar so bei 52 Prozent CO2-Ausstoß. Und die EU könnte tatsächlich jetzt in der nächsten Woche dann das Abkommen über die Hürde bringen. Wenn es nicht gelingt, dann dauert es noch länger, ja, und wir wären als EU bei der Vertragsstaaten-Konferenz, die Sie angesprochen haben, Anfang Oktober, nicht stimmberechtigt dabei. Das wäre schon sehr peinlich, ja.
    "Manche Länder leisten mehr als andere, das ist auch nicht neu"
    Kaess: Frau Hendricks, aber dennoch müssen ja schwierige Kandidaten wie zum Beispiel Polen irgendwie an Bord geholt werden. Die Kohleindustrie, das wissen wir, ist äußerst wichtig in Polen. Wie können Sie in Deutschland erklären, dass Sie selber für den Kohleausstieg sind, wenn andere EU-Länder deshalb eventuell dann zum Schluss vielleicht doch einen Rabatt bekommen?
    Hendricks: Nein, wir werden keinen Rabatt geben. Das kann auch für die Zukunft nicht sein. Wir müssen ja dann in einem weiteren Schritt noch das sogenannte "burden sharing" machen. Die Europäische Union hat da schon einen Vorschlag vorgelegt, welches Mitgliedsland welche Beiträge leisten muss, damit wir als EU insgesamt minus 40 Prozent CO2-Ausstoß bis 2030 hinbekommen. Dazu haben wir uns ja verpflichtet im Paris-Abkommen. Und dass da unterschiedliche Beiträge zu leisten sind, ist sowieso schon klar, denn wir in Deutschland wollen und müssen bis zum Jahr 2030 minus 55 Prozent hinbekommen. Es hat immer auch mit den technologischen Möglichkeiten zu tun, und die sind natürlich auch sehr unterschiedlich innerhalb der Europäischen Union. Aber es kann sich niemand einfach hinter dem Rücken der anderen verstecken.
    Kaess: Aber dennoch ist ja die Frage, wie gerecht dieses sogenannte "burden sharing", also die Verteilung dann der Lasten am Ende sein wird. Können Sie heute sagen, auf EU-Ebene wird es auf alle Fälle so sein, dass nicht wieder manche Länder mehr Anstrengungen leisten als andere?
    Hendricks: Doch! Es wird so sein, dass manche Länder mehr Anstrengungen leisten als andere, weil manche Länder es auch einfach besser können. Das ist nicht nur Deutschland, das ist auch Großbritannien, das ist auch Österreich, das sind auch die skandinavischen Mitgliedsstaaten. Manche Länder leisten mehr als andere, so ist das und das ist auch nicht neu.
    Burden sharing in der EU gerecht
    Kaess: Wie gerecht ist das denn?
    Hendricks: Das ist deswegen gerecht, weil es ja auch nach den jeweiligen Möglichkeiten geht. Ein Land, das in der Lage ist, technologisch voranzuschreiten und auch die finanziellen Möglichkeiten dafür hat, ist dann auch verpflichtet es zu tun. Wir sind diese Verpflichtung rechtlich schon eingegangen, dass wir minus 55 Prozent liefern, wir als größtes Industrieland in der Europäischen Union, und das ist ein wesentlicher Anteil dessen, dass wir insgesamt die minus 40 Prozent schaffen.
    Kaess: Frau Hendricks, Sie erfahren ja einigen Widerstand mit Ihrem Klimaschutzplan bis 2050 für Deutschland. Vor allem vom Koalitionspartner, der Union, kommt da einiges an Widerstand. Von Ihren ursprünglichen Plänen ist eigentlich nur noch eine abgespeckte Version übrig. Wie soll Deutschland mit dieser Version die Klimaschutzziele überhaupt noch erreichen?
    Transformationsprozess wird Deutschland in Vorreiterrolle bringen
    Hendricks: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Klimaschutzziele erreichen. Mein Klimaschutzplan, der zeigt ja einen Zeitraum von 35 Jahren bis zum Jahr 2050 auf. Wir haben noch keine Gesetzesvorschläge gemacht, sondern wir beschreiben einen Weg, der in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gegangen werden soll. Da wird es natürlich auch noch neue technologische Entwicklungen geben, da kann es auch sein, dass wir zwischendurch noch mal nachjustieren müssen, das ist auch selbstverständlich klar.
    Es geht darum, der ganzen Gesellschaft, insbesondere der Wirtschaft, aber auch der ganzen Gesellschaft klar zu machen, dass wir einen Transformationsprozess vor uns haben. Weg von den fossilen Energieträgern bedeutet, dass wir eine wirkliche Umstellung in Wirtschaft und Gesellschaft haben werden, was aber nicht heißt, dass es hinterher schlechter ist. Es wird anders sein als jetzt und es wird gerade Deutschland mit seinen großen technologischen Möglichkeiten in eine Vorreiterrolle bringen. Wenn wir wie sonst auch wieder vier, fünf, sechs Jahre früher mit unseren Technologien am Markt sind als die anderen, ist das genau der Vorteil, den die deutsche Wirtschaft hat, und den will ich auch erhalten.
    Kaess: … sagt die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von der SPD, und wir erreichen sie heute Morgen in Nairobi. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum es etwas schwieriger war, zu Ihnen durchzukommen. Danke schön für das Gespräch.
    Hendricks: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.