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Klimaschutz
Passivhäuser als Massenware

Bis 2050, so die Zielvorgabe der Bundesregierung, soll der Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral sein. Alle Neubauten, so schreibt es die EU ohnehin vor, müssen ab 2021 - also in 7 Jahren - den Standards eines Niedrigstenergiegebäudes entsprechen. Sogenannte Passivhäuser brauchen kaum noch Heizenergie und sollen bald Standard werden.

Von Georg Ehring | 28.04.2014
    Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften im Rohbau stehen am Mittwoch (11.07.2007) in einer Neubausiedlung in Düsseldorf-Wittlaer.
    Sparsame Neubauten und ehrgeizige energetische Sanierungen gehören zu den kostengünstigsten Maßnahmen im Klimaschutz überhaupt. (picture alliance / dpa / Horst Ossinger)
    Ein bisschen klobig wirkt es doch: Der Rahmen um die Dreifach-Verglasung ist dicker als hier zu Lande üblich, doch er muss auch bei zweistelligen Minusgraden die Wärme dauerhaft im Gebäude halten.
    "Wir haben Fenster für Passivhäuser mit besonders guten Eigenschaften entwickelt: Es sind die ersten Fenster mit Zertifikat der Kategorie "A" für sehr kalte Klimazonen",
    sagt Andrei Nikitin, Chef der Firma Rukna, die dem Passivhaus in Russland zum Durchbruch verhelfen will. Dort erobert es gerade erste Marktnischen, dabei ist die Idee für Kalte Klimazonen besonders verlockend. Teilnehmer aus 45 Ländern besuchten die Tagung in Aachen - und sie berieten darüber, wie es zu einem Massenprodukt werden kann. Professor Wolfgang Feist, der Chef des Passivhaus-Instituts in Darmstadt:
    "Ein Passivhaus ist ein ganz gewöhnliches Haus, das aber so gebaut ist, dass es kaum noch Heizenergie braucht. Das wird dadurch erreicht, dass man besonders gute Fenster verwendet, die Wärmedämmung verbessert und Wärme zurückgewinnt aus der verbrauchten Luft."
    Dreifachverglasung kein Luxus mehr
    Richtig konstruiert, kommt es mit gerade einmal einem Zehntel der Heizenergie aus, die ein gewöhnliches Haus benötigt. Wolfgang Feist schätzt, dass die Mehrkosten für den besseren Wärmeschutz nur noch bei vier bis neun Prozent liegen, was durch die niedrigeren Aufwendungen für die Heizung nach einigen Jahren wieder ausgeglichen werde. Die immer größeren Stückzahlen bei Fenstern, Dämmungen und Lüftungsanlagen sorgten dafür, dass das Konzept nicht mehr auf das Luxussegment beschränkt ist. Bei Fenstern zum Beispiel wurde die Dreifachverglasung für das Passivhaus entwickelt, inzwischen ist sie in Deutschland allgemein zum Standard geworden.
    "Wir haben hier eine ganze Reihe von realisierten Sozialen Wohnbauprojekten. Es kommt ja dabei dazu, dass die KfW den Bau energiesparender Gebäude fördert und die hierbei angebotene Förderung in Höhe eines Kredits von 50.000 Euro zu sehr günstigen Zinsen ist weitaus höher als das, was ich für die Finanzierung der zusätzlichen Maßnahmen brauche."
    40 Prozent der in Deutschland erzeugten Energie wird für die Heizung verwendet, sparsame Neubauten und ehrgeizige energetische Sanierungen gehören zu den kostengünstigsten Maßnahmen im Klimaschutz überhaupt. Diana Ürge-Vorsatz vom Center for Climate Change and sustainable Energy Policy in Budapest fordert strikte Standards für den Energiebedarf bei Neubau und Renovierung.
    "Wenn Sie ein Haus renovieren oder ein Haus bauen, dass nicht den aktuellen Möglichkeiten in Bezug auf die Energieeffizienz entspricht, dann bedeutet das, dass dieses Gebäude seine Emissionen für viele Jahre und Jahrzehnte nicht verringern wird."
    Es sei besser, eine energetische Sanierung aufzuschieben als sie nur halbherzig umzusetzen, denn ein einmal saniertes Gebäude werde meist noch lange Zeit genutzt. Staatliche Förderprogramme mit geringen Anforderungen an die Energieeffizienz schadeten sogar mehr als sie nutzten, sie sollten verschärft oder, wenn das nicht geht, besser abgeschafft werden.
    Die Politik in Deutschland sei bei der Förderung extrem effizienter Gebäude bisher viel zu zögerlich, klagt Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel. Dabei könne eine Sanierungsoffensive den Klimaschutz innerhalb weniger Jahrzehnte entscheidend voranbringen.
    "Wir brauchen einen ähnlichen systematischen Ansatz wie nach dem Krieg, als in normale Gebäude investiert worden ist, das brauchen wir jetzt im Bereich der Energieeffizienz."
    Im internationalen Vergleich ist Deutschland beim Passivhaus allerdings noch immer Vorreiter: Rund die Hälfte der weltweit realisierten Passivhäuser steht hier.