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Klimaschutz-Projekt in Schwierigkeiten

Die Norweger nutzen für ihre Stromversorgung fast ausschließlich Wasserkraft. Doch für die Versorgung einer Ölraffinerie wurde an der Westküste ein Gaskraftwerk gebaut. Umweltschützer konnten Regierung und Betreiber die Zusage abringen, dort die Lagerung von Kohlendioxid zu erproben.

Von Alexander Budde | 04.03.2011
    Das Volk lauschte andächtig, als Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg in seiner Neujahrsansprache auf die technologischen Visionen der reichen Petronation zu sprechen kam. Bei Mongstad an der Westküste des Landes werde alsbald die weltweit modernste Anlage zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid entstehen, verkündete der Premier. Das technologisch anspruchsvolle Prestigeprojekt seiner Mitte-links-Regierung dürfe man mit Fug und Recht mit der Mondlandung der Amerikaner vergleichen.

    Doch den großen Worten sind bislang kaum Taten gefolgt: Mehrfach schon wurde die ursprünglich für 2014 geplante Inbetriebnahme der Anlage verschoben. Jetzt verkündete Umweltminister Erik Solheim den beteiligten Umweltverbänden einen weiteren Aufschub. Frühestens 2016 werde die Regierung über Bau und Finanzierung entscheiden. Zuvor nämlich müssten die Zweifel an der Reinigungs-Technologie ausgeräumt und der sichere Betrieb der Anlage garantiert sein. Bedenken dagegen haben nicht etwa Umweltschützer in Norwegen. Es ist wieder einmal der staatliche Energiekonzern Statoil, der massive Bedenken gegen das Projekt anmeldet.

    Mitte Februar warnte der Konzern die zuständigen Aufsichtsbehörden vor möglichen Gesundheitsrisiken bei der Verwendung von Aminen als Lösungsmittel. Mit dieser chemischen Substanz wird das Kohlendioxid aus dem Rauchgas des Kraftwerks herausgewaschen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Die Amin-Wäsche gilt unter Fachleuten als technisch ausgereifte Methode. Eli Aamot, Forschungsleiterin bei Statoil, warnt jedoch vor bislang noch kaum kalkulierbaren Risiken. Versuche hätten gezeigt, dass sich die Amine bei der Abscheidung in gesundheitsschädliche Abfallprodukte wie die Nitroamine verwandeln.

    "Wir wissen, dass einige Substanzen krebserregend sind. Bei anderen sind wir uns nicht sicher. Das ist insofern ein Risiko, weil wir nicht wissen, welche Grenzwerte wir für unsere Anlage ansetzen sollen."

    Nitroamine bauen sich in der Luft schnell ab, hält Frederic Hauge, Gründer der einflussreichen Umweltorganisation Bellona, dagegen. Die Probleme mit dem Lösungsmittel seien lösbar. Statoil habe die Bedenken nur vorgeschoben. Tatsächlich scheue der Konzern die enormen Kosten, die mit der Entwicklung der CCS-Technologie verbunden sind.

    "Die Grenzwerte, die im Umfeld der Anlage auftreten, sind vollkommen akzeptabel. Sollten Probleme auftreten, könnte man zusätzliche Filter einbauen. Die Regierung stützt sich hier auf einen unredlichen, irreführenden und fehlerhaften Bericht."

    Nach dem erneuten Abrücken des Partners Statoil fühlt sich Hauge betrogen. Gegen viele Widerstände im eigenen Lager hatte er dem Bau des Kraftwerks in Mongstad zugestimmt. Das ist seit 2009 in Betrieb. Seine Turbine pustet alljährlich 650.000 Tonnen ungereinigtes CO2 in die Atmosphäre. Bellona verteidigt die CCS-Technologie noch immer als wertvolles Mittel im Kampf gegen die Erderwärmung. Andere Umweltverbände sind dagegen längst auf Distanz gegangen. Die Norweger hätten noch einen weiten Weg zu gehen, bevor aus ihren vollmundigen Visionen konkretes Handeln wird, meint etwa der Generalsekretär des WWF, Rasmus Hansson. Ein mutiger Schritt wäre es, die Öl- und Gasförderung zu drosseln.

    "Die Regierungschefs beteuern, dass der Klimawandel unsere größte Herausforderung sei. Aber die praktische Politik läuft darauf hinaus, der Öl- und Gasförderung den Weg in den hohen Norden zu bahnen. Wenn wir die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen wollen, dann müssen wir unseren Verbrauch von Öl, Gas und Kohle drastisch zurückfahren. Und die Investitionen lieber für einen massiven Ausbau der erneuerbare Energien nutzen."