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Klimaschutz
Studierende forschen an klimafreundlicher Milchherstellung

Milcherzeugung trägt durch die Emission von Methangas zum Klimawandel bei. An einer klimafreundlicheren Alternative forschen Studierende der Uni Düsseldorf: Bei der tierfreien Milchproduktion wird sogar CO2 verbraucht - und das Endprodukt entspricht zu 100 Prozent der natürlichen Milch.

Von Sophia Wagner | 29.10.2019
Cyanobakterien (Spirulina-platensis-Algen) in Reaktionsgläsern in einem Labor
Sieht nicht nach Milch aus - aber Cyanobakterien-Kulturen können Milcheiweiße produzieren (dpa/Jens Kalaene)
"Hier sind halt viele Kolben, Erlenmeyerkolben, mit Cyanobakterienkulturen drin, sind alle verschiedene Grade von grün, von hell, bis dunkelgrün. Zum Beispiel der hier: Das ist ein Cyanobakterienstamm, der produziert das Alpha S1 Casein. Das ist eins von vier Casein Proteinen."
Ich stehe mit Andreas Nakielski in einem typischen Labor, in dem mit DNA und Mikroorganismen gearbeitet wird. Wir tragen beide weiße Kittel. Auf einer Reihe von Tischen stapeln sich Petrischalen und Pipettenspitzen. Entlang der Längsseite des Raumes zieht sich eine Parade von summenden Geräten. Gerade stehen wir von einem Inkubator. Durch die Scheibe sehe ich Glasgefäße voller grüner Flüssigkeit, die auf einer langsam rotierenden Platte geschüttelt werden. In den Gläsern produzieren Bakterien Casein, ein Milcheiweiß.
Milcheiweiß und -fette ohne Tiere
Die Eiweiß-Produktion ist Teil eines Projektes von Studierenden der Universität Düsseldorf. Es heißt Synmylk. Mit dem Projekt treten die Studierenden beim Biotech Wettbewerb iGEM an. Das Ziel der Studierenden ist es, die Grundlagen für eine tierfreie, synthetische Kuhmilch zu schaffen. Als ressourcenschonenden Alternative zur emissionsintensiven Milchwirtschaft. Viele der Milchbestandteile, zum Beispiel die Vitamine und Spurenelemente, werden bereits industriell produziert, ohne Tiere. Man kann sie einfach im Internet bestellen.
"Aber die Proteine aus der Milch und die Fette aus der Milch kann man entweder nicht kaufen, oder wenn man sie kauft, sind sie einfach nur aus der Milch herausgefiltert."
Um die Milcheiweiße und die Milchfette ohne Tiere zu produzieren, benutzen die Studierenden Bakterien, die gentechnisch verändert werden. Vor allem die Cyanobakterien, die gerade in ihrem Inkubator geschüttelt werden.
"Also umgangssprachlich sind das Blaualgen. Die werden leider manchmal mit Algen verwechselt. Aber es sind Bakterien, die photosynthetisch sind - klein, grün und rund." - Sieht nicht besonders nach Milch aus. - "Ne, das ist erst Mal ja auch nur eine Bakterienkultur."
Genmodifizierte Bakterienkulturen
Aber eine Bakterienkultur, die Milcheiweiße produziert. Dafür haben die Studierenden die Genabschnitte kopiert, die in der Kuh für die Produktion der Casein-Eiweiße verantwortlich sind. Diese Gen-Sequenz wurde dann mit verschiedenen Methoden der synthetischen Biologie in die Cyanobakterien eingebracht.
"Das heißt, wenn man hier die Zellen schreddert und aufschließt, kann man das pure Protein bekommen."
Und zwar wesentlich umweltfreundlicher als auf traditionellem Weg. Denn statt wie die Milchindustrie Klimagase zu produzieren, verbrauchen die Bakterien bei ihrem Wachstum sogar CO2. Und zwar bei der Photosynthese, aus der sie Biomasse gewinnen.
Auch für die Produktion der Milchfette nutzten die Studierenden die grünen Mikroorganismen. Dafür haben sie die natürliche Fettsäureproduktion der Cyanobakterien verstärkt. Zusätzlich wurden Gene eingebracht, die die Fette in die richtige Form bringen. Klingt eigentlich einfach.
"Wenn es so wäre. Es ist nicht unbedingt schwer, aber es hat keine große industrielle Relevanz bisher. Das heißt zum Beispiel, die kurzkettigen Fettsäuren waren nicht für Biofuel interessant, das heißt es wurde nicht viel daran geforscht, Milch-Proteine genauso. Milch ist leider spottbillig, von Kühen. Das heißt da lohnt es sich mehr für die Industrie die Proteine herauszufiltern, statt sie selber herzustellen."
Wissenschaftliche Grundlagen legen
Die genetische Modifizierung hat geklappt. Jetzt geht es darum, die Eiweiße und Fette in größerem Maßstab zu produzieren, aus den Zellen zu lösen und in Reinform zu bringen. Während wir vor dem Inkubator stehen und der grünen Suppe, die so gar nicht nach Milch aussieht, beim Rotieren zuschauen, erklärt Andreas Nakielski, dass es der Gruppe nicht um die Herstellung einer fertigen Milch geht.
"Es geht erstmal darum, die wissenschaftlichen Grundlagen zu legen, damit die Milchherstellung überhaupt synthetische angedacht wird von irgendwelchen Firmen. Um zu zeigen, dass es überhaupt möglich ist."
Eine solche Milch müsste übrigens nicht das GMO-Label tragen. Denn obwohl der Produktionsweg auf gentechnisch veränderten Organismen beruht, entsprechen die Endprodukte zu 100 Prozent ihren natürlichen Vorbildern.