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Klimaschutz
Wie Treibhausgase wieder aus der Luft verschwinden

CO2 wieder einfangen, statt es zu vermeiden: Industriezweige, die viele Abgase produzieren, preisen das als Technik der Zukunft. Damit verlagern sie ihr CO2-Problem einfach auf nachgeschaltete Verfahren. Aber sind die überhaupt schon in großem Stil einsatzfähig?

Von Georg Ehring | 13.12.2018
    Technische Anlage der Schweizer Firma Climeworks ist gegen den Himmel zu sehen.
    Eine Schweizer Firma liefert Getränkefirmen aus der Luft gefiltertes CO2 (Climeworks)
    Sie sehen aus wie große Ventilatoren – im halben Dutzend nebeneinander aufgestellt und bei Bedarf auch stapelbar: Die Schweizer Firma Climeworks AG baut Anlagen, die das Treibhausgas CO2 aus der Luft entfernen – es landet in hoher Reinheit in einem separaten Behälter. Christoph Beuttler ist Manager bei Climeworks und er findet die Technik recht einfach:
    "Man kann sich das so vorstellen: CO2 ist eine Säure und wir haben eine spezielle Base gebaut, die das CO2 anzieht und das ganze in eine Maschine verpackt, die dieses CO2 dann aus der Luft holt."
    CO2 aus der Atmosphäre in Softdrinks
    Trotzdem ist der Betrieb nicht gerade billig, pro Tonne CO2 liegen die Kosten derzeit bei etwa 500 Euro. Doch es gibt bereits Kunden, die diese Preise bezahlen – allerdings nicht nur dem Klima zu Liebe. Erste Anlagen produzieren "für die Getränkeindustrie, also dass die Blasen in den Fizzy Drinks eben aus der Atmosphäre kommen und nicht aus fossilem CO2."
    Was die Hersteller dann auch als Argument für ihre Werbung nutzen können. Climeworks will in einigen Jahren auf weniger als 100 Euro pro Tonne kommen, zum Vergleich: Im Europäischen Emissionshandel kostet das Recht, eine Tonne Treibhausgas in die Atmosphäre zu blasen, derzeit um die 20 Euro – Tendenz deutlich steigend.
    Die Hersteller solcher Anlagen können sich auf großes Interesse an ihren Produkten freuen. In der Wissenschaft sind negative Emissionen, also die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre, schon seit einigen Jahren ein Thema. Vor allem, wenn die Erderwärmung unter 1,5 Grad gehalten werden soll, kommt kein realistisches Klimamodell mehr ohne die Annahme aus, dass so etwas funktioniert. Jetzt interessiert sich auch die Politik dafür, sagt Artur Runge-Metzger von der EU-Generaldirektion Umwelt.
    "Wenn man langfristig das Klima retten will, wird einem nichts anderes übrig bleiben und dann innerhalb der 1,5 Grad zu bleiben, wird einem nichts übrig bleiben als negative Emissionen zu haben und negative Emissionen bedeutet, dass man CO2 aus der Atmosphäre auffangen muss und das dann verbringen muss in geologische Schichten oder eben Aufnahme über Vegetation und Holz."
    Natürliche CO2-Speicher: Wälder dichter beforsten
    Doch CO2-Luftfilter sind nicht die einzige Möglichkeit. Viel billiger ist es, Wälder wachsen zu lassen, sie sind natürliche Speicher für Treibhausgase. Allerdings müssen die Wälder auch langfristig bestehen bleiben, sonst wäre der Effekt dahin. Und das Potenzial ist begrenzt, der Boden ist knapp und wird auch für die Ernährung der Menschen gebraucht. Doch immerhin: Etwa das Zehnfache der Emissionen allein aus Deutschland ließe sich in Wäldern speichern, sagt Kelsley Perlman von der Waldschutz-Organisation "fern". Und zwar vor allem in Wäldern, in denen nur wenige Bäume stehen.
    "Es gibt viele Wälder, die hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Sie liefern nicht die Leistungen für das Ökosystem, die gebraucht werden. Darauf müssen wir uns stärker konzentrieren, denn dort gibt es ein Potenzial, das wir nutzen können, ohne zusätzliche Landflächen dafür zu verwende en."
    Derzeit wird allerdings Wald in noch viel größeren Dimensionen zerstört und ein Ende der Rodung von Urwäldern ist nicht in Sicht.
    Treibhausgas unterirdisch speichern
    Einiges Potenzial zum Klimaschutz sehen Experten auch in der Verbrennung von Biomasse zur Energiegewinnung – wenn das entstehende Treibhausgas anschließend in tiefen geologischen Formationen gespeichert wird.
    In den USA gibt es bereits Anlagen, in denen dies versucht wird. Der langfristige Klimaschutz-Plan der USA aus der Zeit der Regierung von Barack Obama setzte stark auf diese Möglichkeit. Kritiker befürchten allerdings, dass schon die Diskussion über negative Emissionen dazu führen könnte, dass weniger in ihre Vermeidung investitiert wird. Artur Runge-Metzger widerspricht:
    "Nein, diese Gefahr sehe ich eigentlich nicht, weil diese Technologien einfach recht teuer sind. Also: Der zusätzliche Aufwand an Energie, der da ist, dass man das dann in geologische Schichten verbringen muss, die öffentliche Akzeptanz vieler dieser Technologien ist limitiert. Von daher wird das immer nur die allerletzte Lösung sein, wenn alles andere nicht mehr greift."
    Das andere, das sei die effizientere Verwendung von Energie, weniger Energieverbrauch und die Verwendung erneuerbarer Energien.