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Klimaschutzexperte: Große Konflikte sind in Panama nicht gelöst worden

Sven Harmeling von Germanwatch resümiert, dass die Verhandlungssitzungen in Panama "relativ konstruktiv" verlaufen sind. Vor dem Klimagipfel in Durban bedarf es jedoch noch deutlicher Engagement von höchster politischer Ebene.

Sven Harmeling im Gespräch mit Theo Geers | 10.10.2011
    Theo Geers: Die Welt, Stichwort Finanzkrise, hat derzeit wo möglich andere Sorgen. Diesen Eindruck kann man schon bekommen beim Blick auf den internationalen Klimaschutz, obwohl gerade hier keine Zeit verschenkt werden darf. Das Kyoto-Protokoll läuft bekanntlich Ende nächsten Jahres aus und noch immer ist unklar, ob es einen Anschlussvertrag geben wird und wann der in Sack und Tüten ist. Anfang Dezember beginnt in Durban in Südafrika der nächste Klimagipfel, am Samstag endete dazu in Panama die letzte Vorbereitungskonferenz, und Sven Harmeling, Teamleiter Klimaschutz bei Germanwatch, ist frisch aus Panama zurück. Guten Tag, Herr Harmeling.

    Sven Harmeling: Ja, guten Tag.

    Geers: Herr Harmeling, es war wie gesagt das letzte Vorbereitungstreffen vor Durban. Worum ging es in Panama genau?

    Harmeling: In Panama ging es darum, eine Vielzahl von Themen, die man in Durban dann beim Klimagipfel diskutieren wird und verhandeln wird, inhaltlich vorzubereiten, und das heißt konkret, dass man dort versucht hat, in diesen vielen Themen Texte zu erarbeiten, die zwar noch nicht vereinbart sind, aber Verhandlungstexte, wo man sagt, okay, das ist jetzt der Stand der Debatte, daran können wir im Detail verhandeln. Man kann das vergleichen mit einem parlamentarischen Prozess. Bevor ein Gesetz ins Parlament zur Abstimmung geht, wird es natürlich intensiv verhandelt zwischen Ministerien, zwischen verschiedensten Akteuren, und am Ende geht es dann ins Parlament, und im Grunde ist der Klimagipfel von Durban, wo dann die Minister zusammenkommen, quasi dieses Parlament. Das heißt, man braucht einen ausreichenden Vorbereitungsprozess, um die Ergebnisse möglichst entscheidungsnah zu bringen.

    Geers: Nun sprechen Organisationen wie die Ihrige, also Germanwatch, von Fortschritten auf technischer Ebene. Wo gab es denn Bewegung?

    Harmeling: Technische Ebene meint hier, dass es quasi die Verhandlungen von Beamten sind, die letztendlich nicht die Entscheidungen treffen, sondern das tun wie gesagt am Ende die Minister. Ich möchte vielleicht an drei Beispielen kurz sagen, welche Fortschritte man erreicht hat. Das eine Thema ist Anpassung an die Folgen des Klimawandels; dort hat man letztes Jahr beschlossen, im Rahmen dieses UN-Prozesses einen sogenannten Anpassungsausschuss aufzusetzen, der zukünftig dafür sorgen soll, dass die gesamte Art, wie Anpassung an die Klimafolgen unter dem Konventionsprozess viel kohärenter und koordinierter angegangen wird und damit auch besser angegangen wird. Und da hat man jetzt einen Text, der weitestgehend schon vereinbart ist, wo es noch einige inhaltliche Knackpunkte gibt, unterschiedliche Vorstellungen von Industrie- und Entwicklungsländern, aber man ist da schon sehr weit in der Grundaussage.
    Das zweite Thema: da geht es um die langfristige Klimafinanzierung für Entwicklungsländer, die natürlich sichergestellt werden muss, damit diese auch intensiv in Klimaschutz und Anpassung investieren können. Und dort hat man in Panama jetzt sehr viel stärker noch mal diskutiert beziehungsweise Positionen aufgezeigt, wie man denn in der langfristigen Finanzierung vorankommen kann. Dort haben jetzt zumindest alle Länder gesagt, wir sind bereit, darüber weiter zu verhandeln.

    Geers: Wenn man jetzt Fortschritte auf technischer Ebene, wie Sie sie gerade beschrieben haben, Herr Harmeling, beschreibt, kann man denn daraus im logischen Umkehrschluss folgern, dass es in den Schlüsselfragen kaum Bewegung gibt, also dass die wichtigen Akteure weiter gegenseitig auf sich zeigen und der eine sagt, wenn du nichts machst, dann mache ich nichts, und es passiert unterm Strich gar nichts?

    Harmeling: Ich sage mal, ja und nein. Zum einen ist es natürlich so, dass die großen Konflikte, die es gibt, bei so einem kleinen Treffen nicht aufgelöst werden, denn es ist natürlich auch eine Verhandlungssituation und dort möchte bei den großen Fragen am Ende niemand oder niemand vorzeitig seine Verhandlungsposition aufgeben, weil natürlich jeder auch von dem anderen was will. Was zum Beispiel die Frage der Zukunft des Kyoto-Protokolls angeht, da wollen die Entwicklungsländer insbesondere von der EU, dass die sich zu einer zweiten Verpflichtungsperiode verpflichtet, während die EU sagt, das wollen wir nur, wenn wir von euch ein Mandat bekommen, dass ihr auch Richtung eines auch für euch rechtlich verbindlichen Abkommens weiter verhandelt, und das will man natürlich auch von den USA. Und die USA wiederum sagen, wir können nur was mitmachen, wo China sich in den gleichen rechtlichen Rahmen begibt. Das sind Dinge, die alle zusammenhängen, und da hat man natürlich jetzt keine Lösung gefunden. Allerdings ist schon an einigen Stellen deutlicher geworden, wie denn möglicherweise Kompromisse aussehen könnten, die vielleicht nicht am Ende das aller idealste Ergebnis bringen, aber ein Ergebnis bringen, was uns deutlich nach vorne bringt und was dann auch die Großen mit einschließt.

    Geers: Wie blicken Sie denn jetzt auf Durban, Herr Harmeling? Sind Sie eher pessimistisch, verhalten optimistisch, oder wie ist Ihre Stimmung?

    Harmeling: Ich würde auf jeden Fall sagen, dass die Chancen nach der Panama-Sitzung, jetzt in Durban ein sehr gutes Ergebnis zu erzielen, nicht kleiner geworden sind, weil die Verhandlungssitzung doch relativ konstruktiv verlaufen ist. Das sagen zum Beispiel auch die Entwicklungsländer, die sich ja häufig sehr stark über den mangelnden Fortschritt beschweren, auch zurecht. Aber das heißt natürlich, dass man jetzt nicht einfach nach Durban fährt und die Katze ist im Sack sozusagen, sondern es bedarf gerade im Vorfeld von Durban noch deutlicheren Engagements von höchster politischer Ebene, von den Ministern und gerade auch von den Staats- und Regierungschefs.

    Geers: Danke schön! - Klimadiplomatie bleibt vor dem nächsten Gipfel in Durban im Dezember ein mühseliges Geschäft. Es geht langsam voran. - Sven Harmeling war das, Klimaschutzexperte von Germanwatch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.