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Klimastudie
CO2-Ausstoß aus EU-Kraftwerken sinkt deutlich

Die schrittweise Abkehr von der Kohle in der EU zeigt Wirkung. Der Ausstoß von Klimagasen aus europäischen Kraftwerken ist 2019 drastisch zurückgegangen - so stark wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Das zeigt eine Analyse der Denkfabrik "Agora", die aber immer noch Nachholbedarf sieht.

Von Paul Vorreiter | 05.02.2020
Das von Wolken verhangene RWE-Braunkohlekraftwerk in Nordrhein-Westfalen
Bei der Braunkohle sind fast zwei Drittel des CO2-Rückgangs in der EU auf Deutschland zurückzuführen. (picture alliance / dpa/ Oliver Berg)
Beim Abbau der Treibhausgasemissionen von Kraftwerken macht die EU Fortschritte. Das zeigt eine Analyse, die die "Agora Energiewende", eine Denkfabrik für Energiepolitik, heute in Brüssel präsentiert hat. Dabei sticht eine Zahl der Analyse besonders ins Auge: Noch nie sind die Treibhausgasemissionen von Kraftwerken in der Europäischen Union so stark gesunken wie im vergangenen Jahr. Sie gingen um 120 Millionen Tonnen CO2 zurück. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von 12 Prozent.
CO2-Emissionshandel zeigt Wirkung
Das hat mehrere Gründe: Die Kohleverstromung ist laut Studie in allen EU-Ländern zurückgegangen. Der wegfallende Kohlestrom wurde je zur Hälfte durch Gas oder Strom aus Erneuerbaren Energien ersetzt. Deren Anteil kletterte auf einen Rekordwert von knapp 35 Prozent. Aber nicht nur das sorgte für einen starken Rückgang der Emissionen, auch der Anstieg des CO2-Preises im Europäischen Emissionszertifikate-Handel: "Dort sind die Preise seit der letzten Reform, die 2017 abgeschlossen wurde, signifikant gestiegen von vormals um die fünf Euro pro Tonne auf relativ durchgehend 25 Euro pro Tonne 2019 und dieser Preisaufschlag führt dazu, dass die CO2-intensiveren Erzeugungsformen wie die Kohleverstromung gegenüber der weniger intensiven Erzeugungsform Gas in einen Nachteil kommen", sagt Matthias Buck, Energiepolitik-Experte bei Agora Energiewende. Kurzum: Es rechnet sich zunehmend weniger, Kohle zu verstromen.
Insgesamt sank die Menge an Kohleenergie um etwa ein Viertel. Deutschland hat einen wichtigen Anteil am Rückgang der Stromerzeugung durch Steinkohlekraftwerke. Bei der Braunkohle sind fast zwei Drittel des Rückgangs alleine auf Deutschland zurückzuführen – und Polen: "In Ländern, die über lange Jahre nicht mitgemacht haben bei der Stromwende sehen wir Bewegung. In Polen und in Griechenland sehen wir einen drastischen Kurswechsel. Das lässt sich an den Erzeugungszahlen im erneuerbaren Strom noch nicht so ablesen. Aber der tatsächlich stattfindende Zubau von erneuerbaren Erzeugungsanlagen in Polen und Griechenland sind beeindruckend."
Mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Kohlekraftwerken
In der Analyse findet sich noch ein weiterer Rekord: Windkraft- und Solaranlagen produzierten vergangenes Jahr gemeinsam mehr Strom als Kohlekraftwerke. Das gab es noch nie. Das hat auch damit zu tun, dass das vergangene Jahr sehr windreich war. Insgesamt stieg in allen EU-Mitgliedsstaaten der Anteil von Sonnen- und Windenergie am Strom-Mix. Eine Ausnahme: Tschechien. Das Land ist vor allem für sein Interesse an der Atomkraft bekannt. Matthias Buck stellt allerdings klar, dass die Kernenergie keinen Einfluss auf den Rückgang der Treibhausgasemissionen hatte. "Die Atomkraft ist in den letzten Jahren stabil. Es gibt immer wieder mal Ausfälle, nicht geplante Abschaltungen in Frankreich oder in Belgien. Aber es werde nicht Nuklear-Kapazitäten zugebaut. Insofern ist der Beitrag der Atomkraft zur Reduktion von Treibhausgasen in den letzten Jahren kein zusätzlicher Beitrag."
Der Tenor der Analyse lautet also: Bei der Energiewende tut sich einiges in der EU. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf. Mit Spannung wird erwartet, wie sich das große Maßnahmenpaket zum Klimaschutz, der Europäische Grüne Deal, auswirken wird, mit dem Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden soll. Ein Etappenziel dabei ist es, die Klimaschutzziele bis 2030 nochmal zu erhöhen. Bislang hat sich die EU dazu verpflichtet, ihre Treibhausgase bis dahin um 40 Prozent zu verringern, verglichen mit dem Stand von 1990.
Kommissionspräsidentin von der Leyen will dieses Ziel nochmal schärfen. Im dritten Quartal des Jahres will die Brüsseler Behörde die genauen Pläne dazu vorstellen: "Die Pläne der Kommission, auf minus 55 Prozent die Reduktion zu erhöhen, entspricht dem, was wir brauchen um einen linearen Zielpfad zu erreichen bis 2050. Das setzt voraus, dass wir bei den Steuerungsinstrumenten, die wir geschaffen haben, nochmal einen Zacken zulegen, sowohl was die CO2-Standards im Verkehrs- und Gebäudebereich angeht und aber auch den Emissionsbereich." Jedes Jahr werden laut der Untersuchung etwa 300 Millionen Zertifikate mehr ausgegeben, als tatsächlich verbraucht. Die jetzt allmählich einsetzende Wirkung des gestiegenen CO2-Preises könnte mit einer weiteren Reduktion noch weiter verstärkt werden.