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Klimaverhandlungen
Umweltexperte fordert mehr Raum für Vorreiter

Klimapolitik. - Die Verhandlungen in Warschau stehen unter keinem guten Stern. Aus Protest über den Zynismus der Industriestaaten, die gern über Klimaschutz reden aber wenig dafür tun wollen, haben die Beobachter führender Umweltorganisationen die Konferenz heute Mittag verlassen. Ob die Konferenz doch noch ein positives Ergebnis haben wird, beurteilt Niklas Höhne im Gespräch mit Ralf Krauter. Höhne ist Direktor für Energie und Klimapolitik bei Ecofys, Köln.

Niklas Höhne im Gespräch mit Ralf Krauter | 21.11.2013
    Aktivisten verschiedener Naturschutzorganisationen halten auf einer Treppe in Warschau Transparente in die Kamera. Sie protestieren gegen den schleppenden Fortgang der Verhandlungen.
    Naturschutzorganisationen protestieren in Warschau (afp / Janek Skarzynski)
    Krauter: Herr Höhne, haben solche Klimagipfel überhaupt noch einen Sinn?
    Höhne: Ja, ich denke, es gibt hier unterschiedliche Sichtweisen. Das eine sind die offiziellen Verhandlungen, wo in der Tat die Länder nur sehr kleine Zugeständnisse machen. Da geht es um Politik, damit darum, dass einige Länder denken, andere müssen schneller vorangehen, und man schiebt sich quasi gegenseitig den schwarzen Peter zu. Das ist die eine Seite. Dann gibt es aber die Seite der wirklichen Maßnahmen, die umgesetzt werden in den einzelnen Ländern. Und da sieht man schon auch deutliche Fortschritte - das reicht alles noch nicht aus - aber [man sieht] schon, dass es einige Länder gibt, die wirklich ambitionierte Maßnahmen umsetzen, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
    Krauter: Die Schlagzeilen während des Gipfels wurden aber eher dominiert von Negativmeldungen, von Ländern wie Australien und Japan nämlich, die ihre Klimaschutzziele in Warschau weitgehend revidiert und zurückgeschraubt haben. Woran liegt es, dass die positiven Nachrichten, die es ja offenbar auch gibt, es nicht geschafft haben nach außen vorzudringen? Die sind untergegangen.
    Höhne: Ja, das finde ich auch sehr schade, muss ich zugeben. Aber es ist wirklich so, es gibt ein politisches Ringen darum, wer am Zug ist, um zu handeln. Und das sind eigentlich natürlich in erster Linie die Industrieländer. Und wir haben hier bei der Konferenz gesehen, dass zwei Industrieländer, nämlich Japan und Australien, ihre Politik zurückgefahren haben und nun planen weniger zu tun, als sie vorher auf den Tisch gelegt hatten. Das ist natürlich sehr schlecht für die Stimmung. Ich würde aber trotzdem betonen, dass, wie gesagt, es Länder gibt, die Dinge umsetzen. Und ein relativ positives Beispiel aus meiner Sicht ist China. Auch wenn sie in den Verhandlungen sehr blocken, zuhause wird in China doch einiges gemacht, um erneuerbare Energien auszubauen, um Energieeffizienz voranzubringen und zum Teil sogar jetzt auch, um den Ausbau der Kohle zu begrenzen. Es gibt dort ein sehr interessantes neues Gesetz: In einigen Regionen werden neue Kohlekraftwerke verboten, also es dürfen keinen neu gebaut werden. Nicht unbedingt aus Klimaschutzgründen, aber aus Luftreinhaltungsgründen. Das ist noch ein sehr kleiner Schritt, aber wenn er sich ausbaut über China, dann kann das deutliche Effekte zeigen.
    Krauter: Also Sie sagen: Letztlich der große politische Wurf, der ist nicht in Sicht. Aber auf regionaler oder staatlicher Ebene tut sich doch schon einiges, was Anlass zur Hoffnung gibt?
    Höhne: Ganz sicher. Der große politische Wurf, den erwarten alle für das Jahr 2015. Man hat sich geeinigt, dort ein neues Klimaabkommen zu beschließen. Das, denke ich, wirst sehr schwierig. Ich denke aber, Klimaverhandlungen könne nur ein Bestandteil daran sein, das Klima zu schützen. Es muss sehr viel mehr passieren. Es müssen sich Allianzen bilden von Ländern aber auch Städte, Regionen, Unternehmen, die bereit sind schneller voranzugehen, um allen anderen zu zeigen, dass es möglich ist das Klima zu schützen. Auch da gibt es einige gute Beispiele, wie das funktioniert. Zum Beispiel einige Städte haben sich zusammengeschlossen und haben sich ambitionierte Ziele auferlegt, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das ist aus Sicht der Städte sehr positiv, denn es gibt im Prinzip eine höhere Lebensqualität in den Städten, wenn man sich um Effizienz, um bessere Verkehrsführung und so weiter kümmert. Das ist sehr positiv, da haben die Bürgermeister der Städte ein Eigeninteresse das umzusetzen. Solche Beispiele muss man finden und solche Beispiele muss man fördern, und dann haben wir, glaube ich, noch eine Chance.
    Krauter: Welche Lehren lassen sich jetzt schon aus Warschau ziehen? Müsste man künftige Klimakonferenzen vielleicht einfach ganz anders aufziehen, damit sie überhaupt wirklich Sinn ergeben?
    Höhne: Ja, die jetzigen Verhandlungen der Vereinten Nationen funktionieren nach den Regeln, dass sich alle Länder einigen müssen, also 194 Staaten müssen einem Text zustimmen, kein einziges darf dagegen stimmen. Das sind wirklich sehr, sehr schwierige Bedingungen, um hier einen Durchbruch zu erreichen. Ich denke, man sollte gleichzeitig hier an den Klimaverhandlungen ermöglichen, dass eben diejenigen Akteure, die schneller vorangehen wollen, wie einige Länder oder Städte oder Unternehmen, dass man denen ein Forum gibt und zeigt: Hier es funktioniert, wir machen das aus unserem eigenen Interesse. Das ist gut für das Klima, aber es ist auch gut für Entwicklung oder Luftreinheit oder, wie gesagt, Energiesicherheit. Wenn man diesen Akteuren ein größeres Forum gibt bei diesem Klimaverhandlungen, die Möglichkeit gibt, ihre positiven Aktionen zu zeigen, dann denke ich kann es hier auch noch zu Bewegung kommen.