Donnerstag, 28. März 2024

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Klimaverträglicher Flugverkehr
"Luftverkehrssteuer müsste verzehnfacht werden"

Eine Tonne CO2 im Luftverkehr wirkt wie drei Tonnen, sagte Martin Schmied vom Umweltbundesamt im Dlf. Um Fliegen klimaverträglicher zu machen, müssten "die Steuerbeträge, die der Luftverkehr zahlt, an die des Bahn- und Autoverkehrs" angeglichen werden.

Martin Schmied im Gespräch mit Georg Ehring | 06.11.2019
Ein Flugzeug am Himmel zwischen zwei engen Altbau-Fassaden.
Wer Flugscham empfindet, beobachtet Flugzeuge lieber vom Boden aus (unsplash / Leon Skribitzki)
Georg Ehring: Flugscham - dieser Begriff kommt aus Schweden. Dort geht die Zahl der Flugreisenden zurück, viele Menschen wollen am Boden bleiben, dem Klima zu Liebe. Das Umweltbundesamt hat für diesen Mittwoch in Berlin zu einer Tagung zum Thema Umwelt und Fliegen eingeladen. Es geht auch, aber nicht nur um die Frage, ob Flugverkehr auch klimaschonend möglich ist. Darüber spreche ich mit Martin Schmied. Er leitet beim Umweltbundesamt die Abteilung für Verkehr, Lärm und räumliche Entwicklung. Guten Tag, Herr Schmied!
Martin Schmied: Hallo!
Ehring: Herr Schmied, wie halten Sie es eigentlich persönlich mit Flugreisen?
Schmied: Privat versuche ich, auf Flugreisen zu verzichten. Dienstlich sieht das allerdings tatsächlich anders aus. Da findet immer wieder mal eine Flugreise statt. Ich war zum Beispiel letzte Woche dienstlich in Vietnam und mir ist durchaus bewusst, wie viele Emissionen das verursacht. Das sind viereinhalb Tonnen, allein der Flug nach Vietnam, hin und zurück. Da könnte man ein dreiviertel Jahr lang mit dem Auto fahren. Das entspricht etwa der gleichen Menge an Emissionen.
Ehring: Nun beraten Sie ja darüber, wie Fliegen weniger klimaschädlich laufen könnte. Welche Ansätze gibt es denn da?
Schmied: Unserer Meinung nach sind das vor allem erst mal vier Themen, die man dort angehen muss. Das erste ist, tatsächlich die Steuerbeträge, die der Luftverkehr zahlt, an die des Bahn- und Autoverkehrs anzugleichen. Das ist tatsächlich auch wichtig, weil der Flugverkehr zahlt nur etwa ein Zehntel der Steuern im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern. Das zweite ist, die Bahn fördern. Wir brauchen tatsächlich eine leistungsfähige Bahn, die auch die Ballungszentren schnell verbindet, damit man weniger innerdeutsche Flüge hat. Man wird langfristig nicht darum herumkommen, einen anderen Kraftstoff zu haben. Mit Kerosin werden Sie keine Klimaschutzziele einhalten. Das heißt, Sie brauchen auch einen klimaschonenden Kraftstoff. Für uns ist nicht nur Klimaschutz wichtig, sondern auch Lärmschutz. Deshalb ist der vierte Baustein für uns auch, Lärm zu reduzieren und auch weg zu kommen von dem passiven Lärmschutz, den wir betreiben beim Luftverkehr, hin zu mehr aktivem Lärmschutz. Das heißt: Wenn der Luftverkehr wachsen will, dann kann er nur mit leiseren Fluggeräten das machen. Sonst geht das nicht.
Eine Tonne CO2 im Luftverkehr wirkt wie drei Tonnen
Ehring: Luftverkehr trägt etwa drei Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß bei, aber der Klimaeffekt ist größer. Warum?
Schmied: Genau, und zwar deshalb, weil die Flugzeuge in der Reiseflughöhe auch Wasserdampf emittieren, auch Partikel und Luftschadstoffe, und die wirken dort als zusätzliche Klimagase und Treibhausgase. Das heißt, die Klimawirkung des Luftverkehrs ist viel, viel größer. Man kann letztendlich sagen: Wenn eine Tonne CO2 emittiert wird, dann wirkt das aber wie drei Tonnen CO2 in der Klimawirkung insgesamt, wenn man in der Reiseflughöhe ist. Das ist schon dramatisch, weil das bewirkt überhaupt die hohen Emissionen, warum der Vietnam-Flug viereinhalb Tonnen ausmacht. Davon entstehen zwei Drittel durch diese Nicht-CO2-Effekte und nur ein Drittel wirklich über die direkten CO2-Emissionen, die durch Verbrennen von Kerosin entstehen.
Ehring: Und solange es keine synthetischen Treibstoffe gibt, ist da der einzige Weg, einfach weniger zu fliegen?
Schmied: Das wäre sicher ein Weg, dass man tatsächlich weniger fliegt. Aber es wäre vor allem auch wichtig, genau diese synthetischen Kraftstoffe so schnell wie möglich zu entwickeln und auch in den Markt zu bekommen. Das ist auch ein Punkt, warum wir in unserem Konzept sagen, man muss einen sogenannten Innovations-Fonds einrichten, der genau diese Entwicklung dieser Kraftstoffe voranbringt und mittelfristig bis 2030 auch eine Quote einführt, erst national, dann europäisch, um diese Kraftstoffe in den Markt zu bekommen, damit das auch jetzt tatsächlich Schwung aufnimmt.
Ehring: Wie können solche synthetischen Kraftstoffe funktionieren? Geht es da um Wasserstoff vor allem? Da gab es ja gestern auch bei der Bundesregierung Gespräche, wie das stärker gefördert werden soll.
Schmied: Genau. Der Wasserstoff ist jetzt hier ungeeignet für den Einsatz in Flugzeugen, weil man da große Speichervolumina brauchen würde. Deshalb würde man schon bei einem flüssigen Kraftstoff wie Kerosin bleiben. Aber im Prinzip ist der Wasserstoff ja auch der Schrittmacher. Man stellt aus erneuerbarem Strom Wasserstoff her und kann dann mit chemischen Synthesen den Wasserstoff mit CO2 kombinieren und man erhält dann am Ende einen flüssigen Kraftstoff, der genauso ist wie Kerosin, nur dass er aus CO2, im Idealfall aus der Luft gewonnen, und erneuerbarem Strom hergestellt wird. Wenn man das genau mit diesem Weg macht, dann sind diese E-Fuels nahezu emissionsfrei und würden tatsächlich den Weg ebnen, um klimafreundlicheres Fliegen zu ebnen.
Herstellung von E-Fuels bisher nur in Pilotanlagen
Ehring: Wie weit sind die denn von der Einsatzreife noch entfernt?
Schmied: Bisher gibt es tatsächlich nur Pilotanlagen, unter anderem eine auch in Dresden. Die sind natürlich im kleinen Maßstab und deshalb ist es umso wichtiger, dass das jetzt in Pilot- und Demonstrationsrahmen wirklich im größeren Maßstab gezeigt wird, dass es funktioniert. Da drängt die Zeit und da sind die nächsten fünf Jahre entscheidend, diese Technik auch voranzubringen. Das ist eigentlich auch eine gute Technik für den deutschen Standort, weil wir einen sehr guten Maschinenbau haben, die auch solche Anlagen bauen können. Deshalb ist eigentlich die Technik auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland sehr entscheidend.
Ehring: Die Bundesregierung will das Fliegen ja ein bisschen verteuern. Ist sie damit auf dem richtigen Weg?
Schmied: Wir schlagen auch vor, tatsächlich die Luftverkehrssteuer im ersten Schritt zu erhöhen. Damit ist sie auf dem richtigen Weg. Allerdings würden wir uns natürlich wünschen, dass man sie noch stärker erhöht, weil bisher ist es ja so, dass man die Kurzstreckenflüge zwischen 70 und 80 Prozent erhöht, die Mittel- und Langstrecken um ein bisschen mehr wie 40 Prozent. Das wird kaum eine Wirkung haben. Wenn Sie vorher bei einem Kurzstreckenflug 7,40 Euro rund zahlen und dann zukünftig 13 Euro, das wird Sie kaum ans Umdenken bringen. Wenn man jetzt wirklich, was ich sagte, die Steuerbeträge angleichen möchte, dann müsste man eigentlich die Luftverkehrssteuer verzehnfachen. Dann hätte man erst eine Wettbewerbsgleichheit zu Bahn und PKW. Das würde heißen, nicht 7,40 Euro, sondern 74 Euro für einen Kurzstreckenflug, und bei der Langstrecke nicht 41,50 Euro rund, sondern etwas mehr wie 400 Euro. Das klingt dramatisch, aber im Prinzip bedeutet das, dass überhaupt Gleichheit mit den anderen Verkehrsträgern herrscht. Da sprechen wir noch nicht von irgendeiner CO2-Bepreisung, sondern es geht einfach um Wettbewerbsgleichheit zwischen den Verkehrsträgern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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