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Klimavorbild Europa

Klima.- Der Klimagipfel in Kopenhagen steht vor der Tür. In einer Direktive hat die EU-Kommission ihre Mitgliedsstaaten verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasen weiter zu senken und dafür den Anteil erneuerbarer Energieträger schrittweise zu erhöhen.

Von Volker Mrasek | 30.11.2009
    Das erklärte Ziel der Europäischen Union lautet "20-20-20 bis 2020". Eine einprägsame Formel. Bodgan Atanasiu, Ingenieur am Institut für Energie der EU-Kommission, erläutert, was sie bedeutet. Um 20 Prozent sollen der weitere Anstieg des Energieverbrauchs wie auch der Ausstoß von Treibhausgasen in der EU gesenkt werden. Der dritte Pfeiler:

    "Bis 2020 haben wir den Anteil von Erneuerbaren Energien um 20 Prozent zu erhöhen. Also, um mal klarzumachen, wie ambitiös eigentlich diese Direktive ist: 20 Prozent des gesamteuropäischen Energieverbrauchs, das entspricht dem Zubau von 330 Kernkraftwerken."

    Ist das überhaupt möglich? Heinz Ossenbrink fragt sich das von Amts wegen, wenn man so will. Der deutsche Physiker leitet das Referat für Erneuerbare Energien im europäischen Institut für Energie. Wie er jetzt auf dem Workshop im niederländischen Petten erklärte, ist fast die Hälfte des Weges schon zurückgelegt:

    "Der Anteil ist im Moment 9,7 Prozent. Wobei man sagen muss, dass ein erheblicher Anteil Wasserkraft ist. Und eigentlich konventionelle Biomasse-Energieanlagen. Hackschnitzel oder Pellets, Holz. Also, das können auch Holzabfälle sein. Und wir haben inzwischen auch einen Anteil von vier Prozent an Bio-Treibstoffen. Wir haben einen relativ guten Anteil an Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Das ist eben Wind und Solar im Moment hauptsächlich."

    Die Gesamtquote der regenerativen Energien muss in den nächsten zehn Jahren verdoppelt werden. Dabei sind die Lasten unterschiedlich auf die 27 Mitgliedsstaaten der EU verteilt:

    "Jedes Mitgliedsland hat Vorgaben, die zwischen 14 Prozent und 60 Prozent schwanken."

    Der Löwenanteil entfällt dabei auf sechs EU-Staaten: Deutschland und Frankreich stehen an der Spitze. Es folgen Großbritannien, Italien, Spanien und Schweden. Bis Mitte 2010 müssen alle Mitgliedsstaaten Nationale Aktionspläne vorlegen. Dabei steht ihnen frei, welche Erneuerbaren Energieträger sie ausbauen wollen. Heinz Ossenbrink und seine Kollegen wissen deshalb noch nicht, wie der zukünftige Technologie-Mix in der EU tatsächlich aussehen wird. Aber in ihren Szenarien können sie zeigen, dass es Wege gibt, um das 20-Prozent-Ziel zu schaffen:

    "Wir sind davon ausgegangen: die verschiedenen erneuerbaren Technologien – welche Steigerungsraten hatten die in den letzten fünf Jahren? Und dann schreiben wir’s mal fort, als wären die letzten fünf Jahre wie die nächsten zehn. Und dann kommt man sehr wohl auf diese 20 Prozent."

    Den größten Beitrag zur Stromerzeugung sollten demnach Windkraftanlagen leisten. Die höchsten Ausbau-Raten sehen die Forscher aber unverändert bei der Sonnenenergie. Sowohl solarthermische Kraftwerke wie auch Solarzellen auf Hausdächern kommen in ihrem Szenario weiterhin auf einen jährlichen Zuwachs von rund 35 Prozent – auch deshalb, weil das Potential zur Kostenreduktion bei der Photovoltaik noch am größten ist. Das alles kann laut Ossenbrink aber nur dann klappen, wenn die Mitgliedsstaaten auch ihre Stromnetze ausbauen:

    "Ab einem bestimmten Punkt muss man einfach auch in Netzleitungen investieren. Das ist gar nichts Besonderes. Das macht die Industrie immer. Nur könnte es massiv werden, also sowohl was die Windenergie anbelangt als auch im südlichen Sonnengürtel, um die Sonnenenergie auch weiter transportieren zu können."

    Sicher ist deshalb auch für Heinz Ossenbrink noch nicht, dass die EU ihr ehrgeiziges Ziel für 2020 erreicht. Von dem Aktionsplan gehe aber in jedem Fall eine starke Signalwirkung für den Klimagipfel in Kopenhagen aus:

    "Es ist ein entscheidendes Werk, was niemand auf der Welt zustande gebracht hat, mit 27 verschiedenen Ländern so eine Übereinstimmung herzustellen."

    Einen solchen Konsens könne man sich auch für die Verhandlungen in Kopenhagen nur wünschen.