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Klimawalze auf dem Vormarsch

Meteorologie. – Regengüsse, nach denen man die Uhr stellen kann, sind ein typisches Merkmal der Tropen. Die Region entspricht einer gewaltigen Luftwalze, die sich über rund 30 Breitengrade erstreckt. Jetzt beschreiben Forscher im Fachblatt "Science", dass die Tropen möglicherweise infolge der Klimaerwärmung an Größe zunehmen.

Von Volker Mrasek | 29.05.2006
    Es sind Daten von US-amerikanischen Wettersatelliten, die sich die Autoren der Studie im Detail angeschaut haben. Die Messungen reichen bis ins Jahr 1979 zurück. In diesen knapp drei Jahrzehnten haben sich die Tropen beständig ausgedehnt. Markante Veränderungen von Lufttemperatur und Luftdruck lassen erkennen, dass der wärmste Klimagürtel der Erde immer stärker in Richtung mittlere Breiten vorrückt:

    "Nach unseren Analysen ist es ein ganzer Breitengrad, im Norden wie im Süden. Das heißt, die Tropen haben sich in diesen 27 Jahren um 70 Meilen polwärts bewegt - auf beiden Seiten des Äquators."

    Der gebürtige Chinese Qiang Fu von der Universität von Washington in Seattle an der US-Westküste. Der Atmosphärenphysiker zählt zu den Autoren der neuen Studie von den wanderlustigen Tropen und Subtropen. 70 Meilen - das sind ungefähr 110 Kilometer. Diesen Zuwachs zeigt der Tropengürtel an seinem äußeren Rand, bei etwa 30 Grad nördlicher und südlicher Breite. Nordafrika, das südliche China und die Golfküste der USA liegen in diesen Gefilden. Jenseits des Äquators sind es Südafrika und Südaustralien.

    "Wenn wir sagen, die Tropen bewegen sich polwärts, dann ist damit gemeint, dass sich die Hadley-Zellen ausdehnen, also die Luft-Zirkulation mit ihren typischen Passat-Winden. Und die reicht ja bis in die Subtropen."

    Die Hadley-Zellen sind im Prinzip gigantische Windwalzen. In den inneren Tropen wird Luft in Bodennähe erwärmt, steigt auf und strömt dann in großer Höhe vom Äquator weg. Sie kühlt sich allmählich ab und sinkt in den äußeren Tropen wieder zu Boden. Doch die Luft bleibt dabei nicht die gleiche: Auf ihrem langem Weg über 30 Breitengrade hinweg verliert sie ihre Feuchtigkeit. Am Rand der Hadley-Zellen, in den äußeren Tropen, herrschen deshalb Trockengebiete mit Wüstenklima vor. Und das ist aus der Sicht von Qiang Fu das Risiko, sollten sich die tropischen Windwalzen weiter ausdehnen: Mit ihnen könnte auch die Trockenheit immer stärker in mittlere Breiten vorrücken:

    "Ich würde sagen: Um den 30. Breitengrad herum, wo sich die tropische Luftzirkulation ausdehnt, wird das Auftreten von Dürren immer mehr begünstigt. Man könnte jetzt nicht eine einzelne Trockenphase darauf zurückführen, denn sie kann auch andere Gründe haben. Aber generell steigt die Wahrscheinlichkeit für Dürreperioden dort."

    Der deutsche Meteorologe Thomas Reichler geht davon aus, dass sich die tropische Expansion bis in den Mittelmeer-Raum hinein bemerkbar macht. Auch Reichler hat an der neuen US-Studie mitgearbeitet. Er ist Assistenzprofessor für Meteorologie an der Universität des Bundesstaates Utah in Salt Lake City:

    "Im letzten Jahrzehnt stellen wir fest, dass der Mittelmeerraum mehr und mehr von Trockenheit, von Dürren, beeinflusst wird. Und da kann eventuell schon ein Zusammenhang bestehen. Ich würde das noch weiter sehen. Ich würde sagen, dass die gesamten Klimazonen, die erdumspannend in bestimmten Breiten vorherrschen, in Richtung der Pole sich bewegen."

    Das hat noch andere Konsequenzen. Wenn der Trend anhält, dann dürften sich auch der berühmte Jet Stream und die Sturmbahnen in mittleren Breiten weiter polwärts verschieben. In Südeuropa und in den Alpen könnten dadurch die Winterniederschläge zurückgehen, wie die Studienautoren glauben. Ob der Vormarsch der Tropen etwas mit der globalen Erwärmung zu tun hat, ist nach Aussage der Forscher zwar denkbar, aber noch nicht sicher. Auch in den heutigen Klimasimulationen an Großrechnern zeigen Tropen und Subtropen zwar eine Ausbreitungstendenz. Doch nach den Modellen sollten die Temperaturen am Äquator stärker steigen als um am 30. Breitengrad herum. Offenbar verhält es sich aber genau umgekehrt. Hier besteht also noch Forschungsbedarf...