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Klimawandel betrifft jeden

Klimaschutz und Klimawandel - das ist für viele Menschen hierzulande immer noch kein drängendes Problem. Doch die Wetterextreme nehmen hierzulande zu und deshalb müssen wir uns auch hier auf den Klimawandel einstellen.

Von Henning Hübert | 29.11.2010
    Hochgerechnet 7000 Tote bei der Hitzewelle 2003 allein in Deutschland, über 70.000 Tote in zwölf europäischen Ländern -ausgelöst beispielsweise durch Hitzschlag. Davon sprechen das Bundesumweltministerium und die Weltgesundheitsorganisation. Bettina Menne vom WHO-Regionalbüro für Europa benennt die Konsequenzen:

    "Also erstens mal haben 18 Länder – und auch auf Regionalebene – sogenannte Hitze-Aktionspläne hergestellt, unter denen ziemlich klar angesagt ist, was als Vorsorgemaßnahmen während einer Hitzewelle gemacht werden sollte. Wir haben vor allen Dingen gelernt, dass nicht nur die älteren Leute gefährdet sind. Das ist die interessante Aussage verschiedener Publikationen, die im letzten Jahr heraus gekommen sind: In einigen europäischen Städten sind auch Menschen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren betroffen. Praktisch eine Erhöhung der Sterblichkeit um zwei Prozent auch in deren Altersgruppe."

    Andreas Matzerakis, Meteorologie-Professor an der Universität Freiburg.

    "Siesta – eine wichtige Maßnahme. Das hat mit Verhaltensmaßnahmen zu tun. Wenn ich an einem Tag mit erhöhter Hitzebelastung unterwegs bin, muss ich meinen Körper schonen. Deswegen: Mehr Ruhepausen Nachmittags, was jeder Südländer macht. Das wäre eine Möglichkeit."

    Eine kurzfristig umsetzbare Maßnahme, die die Arbeitsgruppe zur thermischen Belastung der einhundertköpfigen Bonner Fachkonferenz diskutiert. Mittelfristig sollen Bauvorschriften Beschattungsregelungen vorsehen. Besonders urbane Räume werden sich langfristig verändern müssen: Die Bonner Fachkonferenz betont die Wichtigkeit von Frisch- und Kaltluftschneisen in Städten. Hier sind Allergiker und Asthmatiker ohnehin stärker exponiert als ihre Leidensgenossen auf dem Land.

    Der Grund: Die Verstärkung der allergenen Wirkungen von Pollen durch höhere Feinstaubwerte in Städten. Die treten besonders in winterlichen Inversionswetterlagen auf. Verstärkt wird die Feinstaubwirkung durch viele Holzpellet-Heizungen, die ohne gute Partikelfilter befeuert werden. Als bekannte Anpassungsmöglichkeit an erster Stelle nennt die Fachkonferenz: Luftreinhalte- und Aktionspläne und Umweltzonen. Ferner Geschwindigkeitsreduzierung im Autoverkehr und besseren Personennahverkehr.

    Das Bundesumweltministerium, das gemeinsam mit Deutschem Wetterdienst und Weltgesundheitsorganisation WHO zur Fachkonferenz nach Bonn lud, postulierte im Einladungstext: Immer häufiger käme es zu Extremwetterereignissen wie Stürmen, Überflutungen und Hitze. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, stellte allerdings zu Beginn fest: In Deutschland sei in den letzten 50 Jahren zwar eine klare Zunahme von heißen Sommertagen und Trockenperioden im Sommer beobachtet worden. Andere Extremereignisse wie Starkniederschläge und Stürme hätten in ihrer Häufigkeit allerdings nicht zugenommen:

    "Im Moment bei Starkniederschlag haben wir Schwierigkeiten, den Klimawandel dergestalt zu erkennen, dass sich was verändert hat. Da muss man sagen, da sehen wir im Moment wenig bis gar nichts. Und beim Wind in Deutschland ebenfalls keine signifikanten Trends. Also: Es ist im Moment die Temperatur. Aber das ist das Beobachtete. Wenn wir in die Szenarienrechnung hineingehen, dann mag die Welt noch mal ganz anders aussehen."

    Und diese Szenarien sollten ernster genommen werden. Als Hauptziele der bis morgen laufenden Bonner Fachkonferenz benannte Jürgen Becker, Staatssekretär Bundesumweltministerium, den europaweiten Austausch über die gesundheitlichen Auswirkungen von Extremwetterereignissen und die Verbesserung der Präventionsmaßnahmen im Gesundheitsbereich.