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Klimawandel
Kohle-Exporte weiter wichtig für Russland

Beim Petersburger Dialog geht es auch um das Klima. Den Klimawandel, den Russland maßgeblich mitbestimmt. Das Land fördert im Jahr 400 Millionen Tonnen Kohle. Jetzt wollen die deutschen mit den russischen Vertretern über den Kohleausstieg reden - Konflikte sind vorprogammiert.

Von Sabine Adler | 19.07.2019
Ein Bagger und ein Kipplaster auf dem russischen Steinbruch Razrez Arshanovsky
Russland ist drittgrößter Kohleexporteur der Welt. Umweltaktivist Anton Lementujew meint, der Westen stehe im Verdacht, unter dem Vorwand des Klimawandels den Markt neu zu sortieren. (dpa)
Leichtigkeit und ein Loblied in höchsten Tönen schafft beim Petersburger Dialog nur die Musik. Nicht erst seit der Krim-Annexion, aber seitdem ganz besonders, arbeiten sich die rund 300 Teilnehmer Jahr für Jahr vor allem an den Differenzen zwischen Deutschland und Russland ab. Heute könnte sich der Fokus weiten, denn die deutschen Vertreter wollen mit den russischen über den Kohleausstieg reden. Russland fördert im Jahr 400 Millionen Tonnen, ist drittgrößter Exporteur der Welt, auch nach Deutschland. Deswegen ist Ralf Fücks vom Zentrum Liberale Moderne auf die russische Reaktion gespannt.
"Zum einen werden sie darauf verweisen, dass der Anteil der Kohle an der Verstromung in Russland deutlich unter dem in Deutschland liegt. Ungefähr bei 14 Prozent, wir liegen ja immer noch bei 38. Gleichzeitig sind sie weltweit der drittgrößte Kohleexporteur mit einer Förderleistung von mehr als 400 Millionen Tonnen pro Jahr. Das ist gewaltig und sie haben enorme Ausbaupläne."
2.000 Bergleute in den Zwangsurlaub geschickt
Fücks und Sergej Zyplonkow, der russische Greenpeace-Chef, haben angeregt, den Kohleausstieg auch in Russland in Bonn auf die Tagesordnung zu setzen. Anton Lementujew von der Umweltschutzorganisation Eco Sashita ist skeptisch. Der junge Aktivist lebt im Kusbass, dem größten Kohlerevier in Russland, in dem über die Hälfte der Jahresmenge gefördert wird.
"Ich vermute, dass es kaum um ein Ende der Kohleförderung in Russland gehen wird. Eher um ein Ende der Exporte in den Westen. Die sind in diesem Jahr sowieso schon zurückgegangen, vor einem guten Monat sind 2.000 Bergleute in einen Zwangsurlaub geschickt worden. Auch bei der Eisenbahn wurde gekürzt. 400 Züge weniger werden eingesetzt und mehr als 3.000 Arbeiter verlieren wohl ihre Jobs bei den Transporten in Westliche Richtung."
Anton Lementujew holt das Handy heraus und zeigt eine Videoaufnahme.
Explosionen, die in den Gruben in unmittelbarer Nähe von Siedlungen an den Nerven der Einwohner zerren. Im Kusbass leben sie mit und von der Kohle, aber die Zerstörung der Dörfer, Natur, die Verschmutzung der Luft sind nicht mehr zu ertragen, erstmals gehen die Menschen auf die Straße.
Kohleförderung immer schneller, immer rücksichtsloser
Die privaten Kohleunternehmen fördern die Kohle mit immer größerem Tempo und immer rücksichtsloser, für Anton Lementujew ein Zeichen, dass sie jetzt noch möglichst viel Kohle verkaufen möchten, bevor sich das Blatt wendet.
"Der Abbau verletzt alle Umweltstandards, aber weil die Menschen vom Bergbau abhängig sind, sehen sie keine Möglichkeit, ihre Rechte einzufordern. Umso bemerkenswerter ist es, dass es seit 2017 bei uns über 30 Protestaktionen gab. Die letzte erst vor zwei Tagen gegen Sprengungen, die ständig die Dörfer ringsherum erschüttern."
Greta Thunberg ist hier kein Vorbild
Im Kusbass gebe es keine Rekultivierung, 100.000 Hektar seien zerstört, die Kohleunternehmen kümmerten sich nicht darum, forsteten auch nicht wieder auf.
Die wegen des Klimawandels streikende Greta Thunberg ist den jungen Leuten in Antons Heimat, dem Kemerower Gebiet, kein Vorbild und die Regierung in Moskau hat den Klimawandel nicht auf dem Programm, sagt der Umweltaktivist, der sein rotes Jahr zum Zopf gebunden hat.
"Ich will es ganz deutlich sagen: Die lachen über diese Probleme, die für sie keine sind. Sie haben den Westen viel mehr im Verdacht, unter dem Vorwand des Klimawandels den Markt neu zu sortieren."
Transformation hin zu erneuerbaren Energien
Neben dem deutschen Co-Vorsitzenden des Petersburger Dialogs, Ronald Pofalla, saß auch Sachsens Ex-Ministerpräsident Stanislaw Tillich in der deutschen Kohlekommission und will der russischen Seite von der deutschen Herangehensweise berichten.
"Das eine ist ja, dass man die Kohle, die man heute abbaut, effizienter einsetzt. Und das Zweite ist, wie man die Transformation weg von der Kohle hin zu erneuerbaren Energien schaffen kann. Russland ist ja auch reich an natürlich Ressourcen, zum Beispiel an Wasserkraft. Und das Dritte ist die Frage der Nachsorge. Gerade wir in Ostdeutschland, aber auch im Rheinischen Revier weiß man, worüber man spricht. Ich glaube, diese Erfahrungen auszutauschen, zu nutzen, das ist für beide Seiten von Vorteil."
Keine freiwillige Verabschiedung vom Kohleexport
Die Chancen, dass die deutschen Ideen von russischer Seite aufgegriffen werden, sind allerdings fast Null, prognostiziert der grüne Vordenker Ralf Fücks:
"Ich gehe fest davon aus, dass sich Russland nicht freiwillig von seiner Rolle als Energie-Exporteur verabschieden wird. Daran hängt nicht nur der Staatshaushalt zu über 60 Prozent, sondern das ganze Regime ist darauf aufgebaut - nicht nur die Machtbasis, sondern das ist auch die Basis für die Bereicherung der Machtelite."
Ein Umdenken werde es vermutlich erst geben, wenn Russland die Abnehmer für die Kohle ausgehen.