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Klimawandel und Artenschutz

Seit einem knappen Jahr zählen große Teile des Wattenmeeres zum UNESCO-Weltnaturerbe. Bis morgen beraten rund 130 Wissenschaftler, Politiker und Naturschützer bei der Wattenmeerkonferenz auf Sylt über den Schutz und die künftige Entwicklung dieses ganz besonderen Lebensraumes.

Von Annette Eversberg | 18.03.2010
    Zum Auftakt der 11. Trilateralen Wattenmeerkonferenz Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande auf Sylt stellten die Umweltminister aller drei Länder auf einem feierlichen Empfang des Bundesumweltministeriums die gemeinsame Erklärung zum Schutz des Wattenmeeres vor. Dabei handelt es sich um die Erweiterung des ursprünglichen Gründungsdokuments der Konferenz aus dem Jahr 1982. Denn die Zusammenarbeit wird auf eine neue Grundlage gestellt, erläutert Jens Ennemark vom trilateralen Wattenmeersekretariat in Wilhelmshaven.

    "Vor allem werden eine Reihe von Themen aufgenommen, an denen wir seit 1982 gearbeitet haben. Das Schutzziel bleibt der Naturschutz. Es geht um den Schutz des Wattenmeeres als Gesamtökosystem. Dazu kommt noch das Interesse für die Landschaft und die Kultur, die nachhaltige Entwicklung unter dem Blickpunkt der Klimaentwicklung und ein vierter ganz wichtiger Punkt ist die Zusammenarbeit mit Gruppen aus der Gesellschaft."

    Außerdem betonen die Umweltminister in der Gemeinsamen Erklärung, dass man seit 1982 sehr viel erreicht habe. Dem stimmt auch Professor Karsten Reise vom Alfred-Wegener-Institut in List auf Sylt zu, der von Anfang an dabei war.

    "Ich glaube es ist eine große Erfolgsgeschichte, diese trilaterale Zusammenarbeit. Sie ging ja von den Niederländern aus und schwappte dann rüber nach Deutschland und Dänemark. Und wir haben dadurch in der Wissenschaft sehr eng zusammenarbeiten können. Die Schutzkonzepte haben sich gegenseitig befruchtet. Und ich glaube, es wäre undenkbar gewesen, ohne diese amtliche Regierungszusammenarbeit es so weit zu bringen, dass es heute zum Weltnaturerbe geworden ist, das schöne Wattenmeer."

    Die Trilaterale Wattenmeerkonferenz kann ihren Schutzgedanken auch dort umsetzen, wo die Nationalparke und Schutzgebiete aufhören. Dr. Klaus Koßmagk-Stephan vom schleswig-holsteinischen Nationalpark-Amt.

    "Das nennen wir das Kooperationsgebiet. Das beinhaltet Gebiete, die auf dem Land liegen und als Vogelschutzgebiete ausgewiesen sind und in Zusammenhang mit dem Wattenmeer stehen. Oder auch Teile, wie in Schleswig-Holstein die Inseln, die in den Schutzgebieten drin sind, um die Szenerie komplett zu machen."

    Die Regierungen der Anrainerstaaten betonen noch einmal, dass das Ökosystem so erhalten bleiben soll, dass die natürlichen Prozesse ungestört ablaufen können. Trotzdem gibt es aus der Sicht der Naturschützer eine Reihe von Problemen, die sich erstmals stellen. Sie befürchten eine zunehmende Industrialisierung durch den Bau von Kohlekraftwerken und die in Nordfriesland geplante CO2-Speicherung. Der NABU hat besonders auf den Artenschwund im Wattenmeer aufmerksam gemacht. Dr. Herman Höttker.

    "Es sind vor allem viele Vogelarten, bei denen wir drastische Bestandseinbrüche beobachtet haben. Bei diesen Arten handelt es sich häufig vor allem um Zugvögel, die das Wattenmeer auf dem Weg von ihren arktischen Brutgebieten bis in ihre afrikanischen Überwinterungsgebiete benutzen. Das heißt, wenn die Vögel im Wattenmeer zurückgehen, gehen sie auch in Sibirien und in Afrika zurück."

    Im Schleswig-Holsteinischen Nationalpark vermisst man inzwischen 80.000 Brandgänse. Warum das so ist, kann man noch nicht genau sagen, aber der NABU vermutet, dass das Nahrungsangebot für die Vögel geringer geworden ist.

    "Die Nahrungsgrundlagen sind zum Teil durch die Fischerei weniger geworden, die Muschelfischerei, die vor allem in den Niederlanden, aber sicher auch in Deutschland für typische muschelfressende Arten wie Eiderenten und Austernfischer gerade in den kritischen Zeiten im Winter zu wenig übrig gelassen haben, um das Überleben zu ermöglichen."

    Eine Gefahr für das Watt ist der Klimawandel, denn er führt dazu, dass der Meeresspiegel um etwa einen Meer steigt. Bis zum Ende des Jahrhunderts. Karsten Reise.

    "Das Watt wird nicht von alleine mit einem solchen Anstieg mitwachsen können. Da müssen wir uns Sand von der Nordsee borgen und den in den Wattbereich hineintransportieren. Und auf der anderen Seite vom Deich können wir die Marsch nicht auf so niedrigem Niveau lassen. Sie muss irgendwie den Anschluss gewinnen an das Meer. Und das wird ein sehr kompliziertes Unterfangen. Wir müssen uns überlegen, wie wir mit mehr Wasser an der Küste leben können."