Dienstag, 19. März 2024

Klimawandel und Treibhausgasemissionen
Landwirtschaft und Ernährung - was muss sich ändern?

Um das Pariser Klimaziel von 2015 einzuhalten, muss in unterschiedlichen Bereichen gehandelt werden. Auch in der Landwirtschaft und Ernährung gibt es Möglichkeiten durch Vermeidung von Treibhausgasemissionen dem Klimawandel und der gloablen Erderwärmung entgegenzuwirken.

Von Susanne Kuhlmann | 08.12.2021
Kartoffeln werden von einem Roder (oben) auf einen Anhänger verladen (Aufnahme mit einer Drohne).
Die Nahrungsmittelproduktion ist für rund ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen weltweit verantwortlich (picture alliance/dpa - Philipp Schulze)
2015 auf dem UN-Klimagipfel verpflichteten sich fast alle Staaten in dem sogenannten Pariser Abkommen, die Weltwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten. Die Länder setzten sich zudem das Ziel die globale Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Welchen Anteil zu mehr Klimaschutz kann die Landwirtschaft und Ernährung beitragen?

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Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft

Rund ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen stammt aus der Nahrungsmittelproduktion auf dem Feld und im Stall. "Wenn wir Wälder abholzen, um Ackerland neu anzulegen, oder wenn wir Moore trockenlegen, oder wenn irgendwo Grünland umgebrochen wird. Dabei entweicht viel CO2 aus dem Boden, und das ist auch eine erhebliche Quelle insgesamt", so Dr. Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie und Leiter des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn.
Die Statistik zeigt die ausgestoßen Treibhausgase durch die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland in den Jahren 1990 bis 2018. Im Jahr 2018 wurden rund 9,3 Millionen Tonnen an Treibhausgasen (u.a. Methan, Lachgas) durch den Einsatz von Wirtschaftsdünger freigesetzt. Insgesamt summiert sich die ausgestoßene Menge der Treibhausgase durch die Landwirtschaft in Deutschland damit auf 63,6 Millionen Tonnen.
Ausstoß von Treibhausgasen in der Landwirtschaft in Deutschland bis 2018 (Statista / Umweltbundesamt)

Einsparpotenzial von Treibhausgasen in der Landwirtschaft

Doch die Treibhausgas-Emissionen ließen sich verringern, meint Dr. Clemens Scheer, beim Karlsruher Institut für Technologie zuständig für Umweltgerechte Landwirtschaft: "Einmal müssen ganz klar die Stickstoffüberschüsse in der Nahrungsmittelproduktion abgebaut werden, hauptsächlich um die Emissionen von Lachgas aus den Böden zu vermeiden. Lachgas ist 300 Mal so klimaschädlich wie CO2 und entsteht hauptsächlich bei mikrobiellen Umsetzungen von Stickstoffdünger im Boden und wird dadurch in die Atmosphäre emittiert.
Außerdem müssten die Böden verbessert werden, auch damit sie mehr CO2 aus der Luft speichern können.
"Das kann erreicht werden durch bessere Fruchtfolgen, auch durch organische Düngung, dass man zum Beispiel wieder Festmist düngt oder auch Ernterückstände wieder in den Boden einbringt. Ein wichtiger Teil ist noch die Renaturierung von Moorböden. Gerade in Deutschland ist es wahrscheinlich das größte Einsparungspotenzial von Treibhausgasen in der Landwirtschaft im Moment."
Veganer rot eingefärbter Burger von oben auf einem Holzbrett liegend fotografiert
Sojabulette statt Sonntagsbraten
Eine fleischarme Ernährung kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Politik greift da bislang wenig ein. Verbraucher sind offenbar weiter: Der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch ist 2020 so tief gesunken wie noch nie.

Essgewohnheiten und CO2-Ausstoß

Sehr klimaintensiv ist auch die Tierhaltung. Zum einen wird immer mehr Fläche für den Futteranbau gebraucht. Zum anderen setzen Rinder als Wiederkäuer viel Methan frei. Können wir die Erderwärmung nur mit einer radikalen Änderung unserer Essgewohnheiten abbremsen?
Agrarökonom Matin Qaim: "Das heißt gar nicht, dass wir alle Veganer werden müssen. Aber wir müssen runter von dem hohen Konsum von Fleisch und tierischen Produkten."
Die Statistik zeigt die geschätzten durchschnittliche jährliche CO2-Emissionen verschiedener Ernährungsweisen in Deutschland im Jahr 2020. Die vegane Ernährung würde demnach mit rund 1.040 Kilogramm etwa 40 Prozent weniger Kohlenstoffdioxidemissionen erzeugen als die omnivore Ernährungsform, welche Fleisch und tierische Produkte mit einschließt.
CO2-Emissionen verschiedener Ernährungsweisen in Deutschland 2020 (Statista / Umweltbundesamt)

Lebensmittelverschwendung

Um die Emissionen zu verringen, sollte auch die Lebensmittelverschwenung reduziert werden. Zwischen 25 und 30 Prozent der Ernte wird nicht gegessen. Je nach Weltregion sind die Ursachen unterschiedlich.
"Das sind Dinge, die man eigentlich konsumieren könnte, die aber entweder im Privathaushalt weggeworfen werden oder auch im Lebensmitteleinzelhandel weggeworfen werden, weil zum Beispiel im Bäckerladen Brot bis abends vorgehalten wurde, was dann doch nicht gekauft wird. Insgesamt beinhalten aber diese 25 bis 30 Prozent auch Verluste. Verluste sind Dinge, die irgendwo wegen schlechter Lagerung, schlechter Transportmöglichkeiten, mangelnde Kühlung verderben auf dem Weg der Wertschöpfungskette."
In einer Studie von Danone und Too Good To Go im Juni 2021 gaben 87 Prozent der Befragten in Deutschland an, auf die richtige Lagerung von Lebensmitteln zu achten, um Verschwendung zu vermeiden. Ein Großteil der Befragten hebt außerdem Reste von Mahlzeiten auf, um sie später zu essen.
Wie die Deutschen vermeiden Lebensmittel wegzuschmeißen (Statista / Danone / Too Good To Go Deutschland)

Potenzial von Wissenschaft und Technik

Grund zur Hoffnung gebe auch der Fortschritt von Wissenschaft und Technik, sagt Matin Qaim. "Da spielen auch neue Technologien eine Rolle, die ja sehr kritisch gesehen werden in Deutschland: Gentechnik beispielsweise, Genschere. Aber was verkannt wird ist, dass gerade diese Technologien ein großes Potenzial haben, produktiver, umweltfreundlicher und letztlich robuster gegen Klimastress zu sein. Die Herausforderungen sind so groß, dass wir die weltanschaulichen Grabenkämpfe überwinden müssen, um voranzukommen."
Solarfeld im Licht des Sonnenaufgangs in Mecklenburg-Vorpommern bei Luttow-Valluhn.
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