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Klinische Studie gegen Querschnittslähmung gestoppt

Medizin.- Nach zähem Kampf hat das US-Biotechnologieunternehmen Geron vor acht Monaten die Erlaubnis zur Durchführung der ersten klinischen Studie mit embryonalen Stammzellen erhalten. Doch nun hat die US-Zulassungsbehörde (FDA) die Erlaubnis wieder aufgehoben - und die Studie auf Eis gelegt.

24.08.2009
    Gerd Pasch: Was hat das zu bedeuten?

    Michael Lange: Das hat im Moment zu bedeuten, dass die Studie tatsächlich auf Eis liegt. Das bedeutet aber nur, dass nicht weiter nach Patienten gesucht wird. Bisher wurde ja schon acht Monate lang nach geeigneten Patienten gesucht. Ein solcher Patient sollte nach einer Verletzung gelähmt sein. Das Rückenmark durfte aber nicht vollständig durchtrennt sein. Und er musst dann innerhalb einer Woche mit dem neuen Stammzellenpräparat behandelt werden. Und dieser besondere Fall ist tatsächlich in den USA in den letzten acht Monaten nicht aufgetreten. Also die Studie hat im Grunde genommen bisher gar nicht begonnen. Und sie beginnt jetzt auch weiterhin nicht, denn jetzt liegt sie auf Eis, jetzt sagt die FDA: erstmal genau hinschauen, abwarten.

    Pasch: Was sollte denn genau in dieser klinischen Studie stattfinden?

    Lange: Ja, es ist tatsächlich eine Behandlung, die auf embryonalen Stammzellen beruht, bei der aber nicht-embryonale Stammzellen direkt in den Patienten gelangen sollen. Das Präparat heißt GRNOPC1 und dabei werden embryonale Stammzellen zu sogenannten Motorneuronen weiterentwickelt. Das heißt: Im Reagenzglas entstehen aus den Stammzellen Nervenzellen, die die Bewegungen eines Patienten steuern sollen. Die werden eben gerade im Rückenmarkt der Verletzten gebraucht. Und diese Zellen sollen auch die sogenannten Myelinscheiben – das sind Substanzen, die die Nervenzellen umhüllen – die sollen gebildet werden. Und im Tierversuch hat das alles ganz wunderbar geklappt. Drei Jahre lang hat Geron immer wieder Tierversuchsergebnisse an die FDA vorgelegt und dann hat die FDA gesagt: Los, die Tierversuchsergebnisse sind gut genug. Jetzt sind sie wieder nicht gut genug.

    Pasch: Weiß man denn genaues über den Grund warum die Versuche erstmal an Menschen nicht wie geplant stattfinden?

    Lange: Man weiß es nicht genau. Also die Ergebnisse, die Geron an die FDA geliefert hat, sind nicht öffentlich zugänglich. Die werden jetzt von der FDA geprüft. Man kann aber sich vorstellen, worum es geht. Es geht ganz sicherlich um Risiken und Nebenwirkungen. Sicherlich nicht um die Wirksamkeit des Präparats. Die wurde ja mehrfach in Tierversuchen gezeigt. Ob sie auf den Menschen übertragbar ist, ist die große Frage. Aber bei Risiken und Nebenwirkungen weiß man es nicht genau. Da ist zum einen die Tumorgefahr. Beinhalten diese Zellen, wenn sie in den Menschen gespritzt werden ein Tumorrisiko? Man hat das angeblich bisher ausschließen können aus den Tierversuchen. Vielleicht haben sich Anhaltspunkte ergeben, dass doch ein Tumorrisiko besteht. Und die Abstoßungsgefahr: Bisher hat man gesagt: Dass wenn diese Zellen, die ja von einem anderen Individuum, vom Embryo, stammen, in den Patienten gespritzt werden, dass keine Abstoßung durch den Empfänger geschieht. Auch das hielten viele Wissenschaftler für eigentlich unwahrscheinlich. Vielleicht geben die neuen Tierversuche Hinweise, dass da doch eine Art Abstoßung stattfindet. Und dieses Risiko will die FDA einfach nicht eingehen.

    Pasch: Warum ist denn die Zulassungsbehörde in den USA so vorsichtig – so vorsichtig geworden vielleicht?

    Lange: Auf jeden Fall geht es hier um ein sehr wichtiges Experiment. Man muss ja wirklich sagen, hier wird eine Richtung vorgegeben für die gesamte Forschung mit embryonalen Stammzellen. Es sind viele Biotechnologie-Unternehmen, die tatsächlich in Richtung Klinik drängen. Und in den USA gibt es eine Diskussion darüber, ob die Biotechnologie-Unternehmen, gerade die mittelgroßen, wie Geron eins ist, wirklich geeignet sind, solche großen klinischen oder sagen wir mal, solche wichtigen klinischen Studien vorzunehmen. Zum Beispiel Irving Weissman von der Stanford-Universität sagt, die Universitäten haben eigentlich viel mehr Know-how, die wissen viel mehr von Stammzellen und die sollten mit eingebunden werden. Also da tobt eine Diskussion hinter den Kulissen. Und ich kann mir vorstellen, dass die auch nicht ohne Folgen auf die FDA geblieben ist.

    Pasch: Sind denn weitere Studien mit embryonalen Stammzellen geplant?

    Lange: Ja, da sind einige in der Pipeline. Also, sehr viele Firmen drängen in Richtung klinische Studie. Die sind jetzt etwa zehn Jahre bei der Forschung zum Teil. Die wollen jetzt wirklich auch solche Zellen einsetzten. Vielleicht wichtig noch: Eine Studie, 2011 soll sie beginnen, da sollen Netzhautzellen aus Stammzellen gezüchtet werden, für Blinde. Und der Pharmakonzern Pfizer ist da beteiligt. Und da sieht man schon, dass auch die große Pharmaindustrie Interesse hat. Also alle schauen ganz gespannt auf dieses Experiment. Das ist gewissermaßen der Pilot, der zeigt, wo es langgeht. Geht es jetzt vorwärts oder stockt erst einmal alles? Naja, erst einmal liegt alles auf Eis.

    Pasch: Vielen Dank, Michael Lange.