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Klonen von Nutztieren
"Jede Vermehrungstechnik landet beim Menschen"

Das Klonen von Nutztieren soll in Europa komplett verboten werden, fordern EU-Abgeordnete seit Jahren. Doch der EU-Ministerrat blockiert eine entsprechende Gesetzgebung. Klon-Gegner befürchten, dass jede Vermehrungstechnik, die bei Nutztieren funktioniert, irgendwann auch bei Menschen angewendet wird.

Von Mirjam Stöckel | 30.06.2017
    Drei chinesische Wissenschaftler in Kitteln füttern ihre drei geklonten dunkelbraunen Rinder mit einer Milchflasche.
    Geklonte Rinder in der Mongolei: Der EU-Ministerrat blockiert weiterhin ein Gesetz zum Komplettverbot zum Klonen von Nutztieren. (imago stock&people)
    Die EU-Abgeordnete Renate Sommer, CDU, ärgert sich. "Es ist ein Unding, dass der Rat nicht bereit ist, sich mit einem so tiefgreifenden Problem zu beschäftigen."
    Sommers Verdacht: Die zuständigen Agrarminister der EU-Mitgliedsstaaten wollen das Streitthema "Klonen von Nutztieren" aussitzen. Zuletzt haben sie Ende 2015 darüber beraten – mit laut Bundeslandwirtschaftsministerium "höchst unterschiedlichen Auffassungen". Solange aber der Agrarministerrat keine gemeinsame Position vorlegt, ist das gesamte Klon-Gesetzgebungsverfahren blockiert.
    Bisheriger Regelungsvorschlag gilt Abgeordneten als zu lasch
    Vor allem den EU-Abgeordneten stößt das auf: Sie finden den bisherigen Regelungsvorschlag der EU-Kommission zu lasch und fordern ein Komplettverbot: Kein Klonen von Nutztieren in Europa, keine Einfuhr von Sperma und Embryonen, von Fleisch und Milch von Klonen und deren Nachfahren. und kein Import all dieser Tiere selbst. Und außerdem ein Rückverfolgbarkeitssystem, um Verstöße gegen die Verbote aufzudecken.
    Renate Sommer begründet diese engen Grenzen mit Grundsatzbedenken: Die Erfahrung zeige, "dass jede Vermehrungstechnik, die für Nutztiere entwickelt wurde, letztendlich auch beim Menschen gelandet ist. Und wir haben die Sorge, dass das beim Klonen - wenn wir das erstmal erlaubt haben und es überall gut funktioniert – auch der Fall sein wird, dass es letztendlich auch beim Menschen angewendet wird."
    Technologie sollte weiterentwickelt werden
    Heiner Niemann, Leiter des Instituts für Nutziergenetik des bundeseigenen Friedrich-Löffler-Instituts für Tiergesundheit, teilt diese Sorge nicht. Er lehnt es ab, das Klonen von Nutztieren zu verbieten. "Ich halte das für eine Technologie, die man schon weiterentwickeln sollte. Und durch entsprechende Regelungen kann man ja sicherstellen, dass der Gebrauch im Sinne des Menschen und unter Beachtung des Tierwohls geschieht."
    Genetik-Experte Niemann hält das Klonen für eine von mehreren wichtigen Möglichkeiten in der Tierzucht - denn: "Wenn man die zukünftige Entwicklung sieht – Stichwort Bevölkerungszuwachs global, Stichwort begrenzte landwirtschaftliche Ressourcen und ähnliches – kann ich mir nicht vorstellen, dass man auf solche Hilfsmittel verzichten kann, wenn man verantwortungsbewusst Optionen für die Zukunft schaffen will."
    "Wir brauchen das Klonen nicht"
    Renate Sommer widerspricht: "Das halte ich für Unsinn. Wir haben genug Vermehrungstechniken mittlerweile entwickelt, die gut funktionieren für das Nutztier. Mit diesen Techniken sind wir bestens ausgestattet. Wir brauchen das Klonen nicht."
    Derzeit werden erfolgreiche Zuchtbullen, Super-Milchkühe und andere Nutztiere in Europa nicht geklont. Dass die EU dennoch seit Jahren über Klon-Vorschriften streitet, liegt vor allem an Fleischimporten aus Brasilien, Uruguay, Argentinien und den USA beispielsweise. Dort nämlich wird geklont – aber völlig intransparent, sagt Jaydee Hanson vom US-amerikanischen Center for Food Safety, einer Verbraucherorganisation für Lebensmittelsicherheit.
    "Es gibt keine Beschränkungen, keine Kennzeichnungsregeln für geklonte Tiere oder Klon-Lebensmittel in den USA. Man weiß als Konsument also nicht, ob man einen Klon-Nachkommen isst - oder vielleicht sogar ein geklontes Tier."
    Klon-Rate weltweit liegt bei unter einem Prozent
    Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter geht jedoch davon aus, dass weltweit derzeit noch nicht einmal ein Prozent der Rinder geklont sind. Und laut der EU-Kommission stammt nur ein verschwindend geringer Teil des Rindfleisches auf europäischen Tellern aus Ländern in denen die Technik angewandt wird.
    Allerdings kann wegen der fehlenden Kennzeichnungspflicht bei Fleischeinfuhren niemand garantieren, dass alle Vorfahren der Importtiere klon-frei waren.
    Das vom EU-Parlament geforderte Rückverfolgbarkeitssystem könnte diese Wissenslücke bei Verbrauchern schließen - aber auch für Ärger sorgen bei der Welthandelsorganisation WTO.
    Die könnte eine europäische Kennzeichnungspflicht nämlich als verbotene Handelshürde gegenüber Drittstaaten auslegen. Viele EU-Staaten und die Kommission wollen diesen Handelsstreit vermeiden, das Parlament hingegen will ihn ausfechten. Und so kann es noch Monate, gar Jahre dauern, bis die EU-Institutionen Vorschriften beschließen - wenn überhaupt.