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Kloster Neuzelle und das Schlaubetal
Durch das Land der Zisterzienser

200 Jahre nach der Verstaatlichung des Klosters Neuzelle in Brandenburg kehren Mönche des Ordens der Zisterzienser zurück. Sie leben künftig nahe dem Naturpark Schlaubetal, einem beliebten Ausflugsort, in dem es nicht nur geschützte Tier- und Pflanzenarten gibt, sondern auch kulturhistorische Gedenkstätten gibt.

Von Rocco Thiede | 27.08.2017
    Luftbild der Klosteranlage in Neuzelle im Landkreis Oder-Spree (Brandenburg). Das Kloster Neuzelle, rund zehn Kilometer südlich von Eisenhüttenstadt, ist das einzige vollständig und einschließlich der Außenanlagen erhaltene Zisterzienserkloster Brandenburgs und eine der wenigen unzerstörten Klosteranlagen in Deutschland und Europa.
    Das Areal der Klosteranlage in Neuzelle wird als "Barockwunder Brandenburgs" gepriesen. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    "Wir aber müssen uns rühmen im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus. In ihm ist uns Heil geworden und Auferstehung", singen die Zisterziensermönche aus dem österreichischen Stift Heiligenkreuz. Mit ihren Aufnahmen auf verschiedenen CDs wurden sie weltbekannt und fanden Eingang in die internationalen Hitlisten. Werden ihre über 1.000 Jahre alten gregorianischen Choräle nun bald auch täglich live im Osten Deutschlands erklingen? Ausgeschlossen ist das nicht. Obwohl viele Klöster mangels Nachwuchs ihre Pforten schließen, soll ausgerechnet in Brandenburg, wo sich weniger als drei Prozent der Einwohner zum katholischen Glauben bekennen, neues Klosterleben entstehen: Nahe dem Schlaubetal beleben Zisterziensermönche das ehemalige Kloster Neuzelle wieder, das vor 200 Jahren säkularisiert wurde.
    Die barocke Klosteranlage ist ein beliebter Ausflugsort
    "Mich fragen sehr viele Kunden, ob das Kloster noch in Betrieb ist, weil sie auch hierherkommen und Mönche sehen wollen. Sie sind immer ganz enttäuscht, wenn ich dann sage, seit 1817 existiert das Kloster als solches nicht mehr."
    Sagt die Buchhändlerin Marion Gollhard, die direkt neben dem heutigen Klostereingang ihr Antiquariat betreibt. Seit Jahren ist die barocke Klosteranlage ein beliebter Ausflugsort und wird von einer staatlichen Stiftung mit kulturellen Angeboten betrieben. Aber aus kulturellem Interesse kommen keine Ordensmänner in den äußersten Osten Deutschlands wie der gebürtige Wiener Pater Meinrad betont:
    "Wichtig ist, dass man erkennt, dass ein Kloster ein geistlicher Ort sein soll. Wir wollen nicht das Sahnehäubchen auf einer kulturellen und Event Ort sein. Die Stiftung hat es sich zum Ziel genommen, die Kultur aufrecht zu halten. Aber ein Kloster ist mehr als nur Kultur."
    So verbindet auch Ansgar Florian, große Hoffnungen mit den neuen Entwicklungen des als "Barockwunder Brandenburgs" gepriesenen Areals. Er ist der katholische Pfarrer der Wallfahrtskirche "Beata Maria Virgo" in Neuzelle:
    "Also wenn mal wieder Kloster drin wäre, was alles Kloster heißt, es wäre natürlich ein Segen. Denn ein Kloster ist immer ein Zentrum des Gebetes und des praktischen Glaubenszeugnisses."
    Müllrose wird auch "Tor zum Schlaubetal" genannt
    "Es gibt viele Städtereisende, die hier Erholung suchen und da passiert es oft, dass wir die dann zum Frühstück nicht sehen, weil sie einfach weiterschlafen und die Ruhe und das Vogelzwitschern so genießen, dass sie sagen, wir träumen noch ein bisschen weiter."
    Sagt Andrea Zimmer in Müllrose, gut 20 Autominuten von Neuzelle entfernt. Die Gastwirtin im Landkreis-Oder-Spree berichtet von den Besonderheiten des Schlaubetals, das durch eiszeitliche Schmelzwasserrinnen entstand und nennt einige für fremde Ohren eigenartig klingende Namen von kleinen Ortschaften:
    "Die wunderschönen Wander- und Radwege entlang der Schlaube. Die Natur- und Artenvielfalt und natürlich die Ruhe, die bei uns einzigartig ist. Ansonsten fängt das Schlaubetal hier in Müllrose an und zieht sich südlich durchs Land und da gehören halt solche Orte wie Siehdichum, Grunow-Dammendorf, Bremsdorf, Viechensee, wie Treppeln gehören mit dazu bis nach Drewitz und Schenkendöbern zieht sich das Schlaubetal in die südliche Richtung".
    Müllrose wird auch "Tor zum Schlaubetal" genannt. Hier etwa eineinhalb Autostunden vom Berliner Stadtzentrum entfernt, gibt es touristische Angebote, die im Einklang mit der Natur stehen. Andrea Zimmer:
    "Wandertouren und natürlich auch Tourismus auf den Wasserwegen. Wir sind angebunden am Oder-Spree-Kanal. Wir haben den großen Müllroser See, den kleinen Müllroser See und den Kathariensee, der ist sagenumwoben, weil er mit über 30 Metern über allen anderen Seen von der Tiefe her trumpft."
    Und mit dem See ist eine nette Sage verbunden:
    "Da wo der Kathariensee ist, sollte früher ein Schloss gestanden haben. In diesem Schloss hat eine Prinzessin gewohnt, die hieß Katharina und die war sehr jähzornig und nicht besonders nett zu ihren Mitmenschen. Und durch ihre Jähzornigkeit ist das Schloss versunken mit der Prinzessin. Und wenn dann ein netter Prinz auftaucht, der die Prinzessin überzeugt, das Leben ist doch wunderschön und sei doch bitte nett zu allen anderen, dann kommt auch das Schloss wieder hervor."
    Die regionale Küche setzt auf frische Produkte
    Für Pflanzen- und Tierfreunde gibt es hier viel zu entdecken, wie Frau Zimmer bestätigt:
    "Hier in dem kleinen Brunnen sehen wir Wasserlilien und manche Wasserlilien sind halt rausgerupft worden. Das war unser heimischer Bieber, der kommt immer nachts. Wir haben sehr viele Vogelarten hier im Schlaubetal, weil wir einen sehr hohen Baumreichtum haben. Wir haben hinter diesem Wald Kranichwiesen, den roten Milan und natürlich auch den Eisvogel."
    Die regionale Küche setzt auf frische Produkte, wie Konstanze Mikeska vom Restaurant Kaisermühle bestätigt:
    "Die Prägung, wie im Spreewald Quark mit Leinöl gibt es adäquat im Schlaubetal nicht, ansonsten weiß man: Brandenburg, Sandland, Kartoffelland. Wir kochen ganz streng der Saison entsprechend. Wir arbeiten mit Fischern aus dem Schlaubetal zusammen und uns dadurch sehr, sehr frischen Fisch liefern können zum Beispiel sehr große Hechte, Zander ist der König der Schlaube, wir haben aber auch einen sehr guten Welsbestand."
    Auch Gastwirt Manfred Maßmann vom Forsthaus in Siehdichum ist frisches Fleisch beim Wild wichtig:
    "Wir arbeiten mit den Förstern die hier in der Region Wild erlegen und das kauf ich auf und wird dann frisch verarbeitet. Jetzt ist Jagdsaison und da habe ich jetzt vier Rehe aufgekauft und die vermarkte ich gleich in der Küche".
    Ralf Hartwig war viele Jahre der Förster im Schlaubetal. Heute arbeitet er für die Naturparkverwaltung und kennt die Wälder und Auen, wie seine Westentasche:
    "Siehdichum hat eine wunderbare Geschichte, die eng zusammenhängt mit dem Kloster in Neuzelle, denn auf dieser Halbinsel hier am Hammersee hat der Abt Gabriel Dubau 1746 ein kleines Jägerhus errichten lassen, ein kleines Fachwerkhäuschen, mit einem separatem Gebetsraum, wo die wenigen Katholiken hier im evangelischen Glaubensgebiet sich zum Gebet zurückziehen. Und die Mönche sollten sich hier bei Jagd und Fischerei erholen. Er hat dann auch in alle vier Himmelsrichtungen Sichtschneisen reinschlagen lassen, die man heute noch sieht, weil dieser Ort so schön und artenreich war, hat er an seine Mönche die Aufforderung geschickt: Hier sieh dich um! Die Schöpfung Gottes sollten sie hier achten und ehren und ein paar Jahre später stand dann eine große Holzbohle über dem Eingang, wo draufstand: Siehdichum – so kam der Ort zu seinem Namen."
    Geschützte Tier- und Pflanzenarten, kulturhistorische Gedenkstätten
    Jahrzehnte später wurde hier ein preußisches Forstamt gegründet. Zu Ost-Zeiten nutzte der DDR-Ministerrat das abgeriegelte Grundstück, an dem heute der überregionale Radweg sowie ein zertifizierter Wanderweg durch das 227 Quadratkilometer große Schlaubetal geht. Ralf Hartwig macht auf seltene Pflanzen und Tiere aufmerksam:
    "Als Orchidee ist der Frauenschuh jetzt hier und wir haben im Süden des Naturparks in Reicherskreuzer Heide beispielsweise das letzte Vorkommen in ganz Deutschland von der Smaragdeidechse. Haben hier den Schwarzstorch, den Seeadler, den Fischadler, den Eisvogel, als kleinen Türkis-Edelstein, rumfliegen."
    Aber nicht nur geschützte Tier- und Pflanzenarten kann man im Schlaubetal bestaunen. Es gibt auch kulturhistorische Gedenkstätten:
    "Also wir stehen jetzt hier auf dem kleinen Försterfriedhof bei Siehdichum. Den hat der damalige königliche Forstmeister Wilhelm Reuter beim Tod seiner ersten Frau anlegen lassen. Man sieht dort, dass die Ehefrauen damals den Titel des Mannes trugen also Frau Oberförster und er war zwei Mal verheiratet, hat beide Frauen überlebt – ein Grund warum ich damals Förster geworden bin."
    Auch der ehemalige Förster Hartwig hat eine schöne Sage aus seinem Revier parat:
    "Wir stehen hier an einem mystischen Ort, Himmel und Hölle. Die Geschichte sagt, dass die beiden Mönche von Siehdichum aus hier durch die Wälder zogen, damals im Mittelalter, man hatte Angst im dunklen Wald, nicht nur vor gefährlichen Tieren, sondern auch vor Räubern, die die umherziehenden Bauern und Händler überfielen. Da sind sie zu den dunkeln Buchenwäldern gekommen, zu diesem Morastloch, da sagte der eine Mönch zum anderen: "Wenn es eine Hölle auf Erden gibt, dann muss das hier sein. Dann sind sie beide schnell weitergelaufen und dann kamen sie oben, auf dem sonnenumfluteten Gipfel an, haben runtergeguckt, es war herrlich, es war sonnig, da sagte der andere Bruder, dann muss das hier der Himmel sein."
    Eine der Quellen der Schlaube entspringt bei den Wirchenwiesen. Sie verläuft in Süd-Nord-Richtung ungefähr 27 Kilometer bis nach Müllrose. Wer den Naturpark intensiv kennenlernen will: "sollte sich ruhig, ein, zwei, drei Tage Zeit nehmen und die ganze Region bietet auch kulturelles, zum Beispiel Neuzelle – so, dass man hier locker eine ganze Woche verharren kann".
    Die Zisterzienser haben die Gegend urbar gemacht
    Es gibt Wege durch das Tal, die nennen sich bis heute Mönchsdamm. Die Zisterzienser haben die Gegend urbar gemacht. Ralf Hartwig korrigiert:
    "Da heißt es eigentlich immer in der Geschichte, die Mönche haben das gemacht. Aber eigentlich waren das die Bauern, die ohne Kran, also mit Handkarren und Schaufeln ganze Berge weggemacht haben. Und später hat man mit Feldsteinen ausgebaut, weil der Abt damals mit der Kutsche durchfahren wollte."
    Heute geht es nicht mehr mit der Kutsche, sondern oft per pedes durch die Natur. Und für Radfahrer stellt Gabriele Werner von der Besucherinformation in Neuzelle eine ganz besondere Route vor:
    "Die Neuzeller Mönchstour verbindet und mit dem Schlaubetal, 120 Kilometer bis hin zum Schlaubetal, bis hin zum Oder-Neiße-Weg wieder zurück. Das ganz besondere an dieser Tour ist, dass es das gesamte Gebiet der Zisterzienserklöster einschließt. Man durchradelt hier Klostergebiet."
    Den Mönchen, die nun in Neuzelle erst einmal in ein Provisorium einziehen ist klar, dass sie sich auf kein leichtes Unterfangen einlassen. Pater Kilian – ein hochgewachsener, sportlich wirkender Mann, mit wenigen Haaren und markanter Brille – ist jedoch vom zukünftigen lebendigen Kloster in Neuzelle überzeugt:
    "Aus diesem vor Ort sein und dort auch beten, in Gemeinschaft beten, dort singen in der Kirche, war uns ziemlich schnell klar, das fühlt sich gut an. Das glauben wir, dass das richtig ist – auch weil, Neuzelle so ein bisschen am Rand ist. Ja es ist ein bisschen ab vom Schuss."
    Die Zisterzienser kommen weder in touristischer noch kultureller Mission ins Schlaubetal und nach Neuzelle. Pater Meinrad und seine Mitbrüder geht es einzig um die Frohe Botschaft:
    "Sicher ist es eine Herausforderung. Vielleicht kann man sogar an die Geschichte denken, dass im achten Jahrhundert die Iro-Schottischen Mönche gekommen sind, zur Christianisierung von ganz Europa. Also warum nicht heute auch eine Wieder-Christianisierung wo der Glaube verloren gegangen ist."