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Knackpunkt der Bildungspolitik

Auf einer Diskussionsveranstaltung des Vereins "Konvent für Deutschland" und der "Herbert Quandt-Stiftung" stand die "Zukunft der deutschen Bildungspolitik: föderal oder zentral?" im Mittelpunkt.

Von Daniela Siebert | 20.10.2010
    Bildungspolitik föderal oder zentral, lautete die Frage des Abends. Weder noch, so die steile These von Professor Dieter Lenzen dazu. Denn der Präsident der Universität Hamburg möchte das Bildungssystem gerne von den Politikern befreien.

    "Der Bildungsbereich ist der Bereich, in dem wir die meisten Bildungspolitiker haben, die im Grunde nicht vom Fache sind. Das Zweite ist, dass wir eine überwuchernde Verwaltung haben. Wir haben die Vorstellung im Bereich der Bildungspolitik, dass das politische Handeln ein aufsichtliches Handeln ist, ein bürokratisches Handeln, eines, was ununterbrochen kontrollieren muss und wenig Vertrauen in die pädagogische Kompetenz der Lehrer und Lehrerinnen."

    Freiheit! Mehr Verantwortung für die Schulen und Hochschulen und die Macher vor Ort fordert er. Besonders gut gefällt Lenzen die niederländische Lösung für die Schulen: Da ist die Trägerschaft in privaten Händen, der Staat gibt das Geld und alle Schulen werden regelmäßig öffentlich evaluiert. Generell findet er es gut, wenn der zahlungskräftige Bund das Geld gibt, aber andere entscheiden, was damit passiert.
    "Ich glaube schon, dass es eine Gesamtverantwortung der Nation gibt, für die nachwachsende Generation und dass genau diese Arbeitsteilung, nämlich die Festlegung von Rahmenbedingungen - von minimalen Rahmenbedingungen - auf der Ebene des Bundes und in einzelnen Fällen der Länder und auf der anderen Seite der Verantwortungswahrnahme vor Ort und vor allem der Entscheidungseinbeziehung der Eltern wichtig ist."
    Vergleichsweise gemäßigt ist dagegen die Position von Klaus Kinkel. Der frühere Außenminister und FDP-Politiker ist heute Vorsitzender der Deutsche Telekom Stiftung. Auch er sieht dringenden Handlungsbedarf in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Die Bildungskleinstaaterei müsse ein Ende haben, forderte er in seinem Impulsreferat:
    "Der deutsche Bildungsföderalismus, wird sich nur dann auf mehr Qualität, Freizügigkeit und Chancengleichheit hinbewegen - darauf kommt es an - wenn die Länder aufhören, kategorisch an ihrer Alleinzuständigkeit festzuhalten."
    Vor allem auf kommunaler Ebene müssten die Zuständigkeiten gestärkt und dringend das sogenannte Kooperationsverbot abgeschafft werden, das per Gesetz Bund und Ländern eine Zusammenarbeit im Bildungsbereich weitgehend verbietet.
    "Der Bund darf nicht mitreden, vielfach darf er auch nicht mal mitzahlen."

    "Das Kooperationsverbot verhindert, dass der Bund gezielt für Chancengleichheit, Mobilität und internationale Konkurrenzfähigkeit Deutschlands mit Ländern und Kommunen zusammenarbeiten kann."

    "Kooperationsverbot verhindert, dass Bund und Länder gemeinsam die grundständige Lehre an den Hochschulen verbessern dürfen."

    "Das Kooperationsverbot verhindert, dass der Bund den Ländern in besonderen Situationen unter die Arme greifen kann."
    Grotesk findet Kinkel das. Doch er sieht gute Chancen, dass das Kooperationsverbot bald fällt. Schließlich äußerten sich derzeit Politiker aller Couleur in diese Richtung.
    Der größte Apologet des Föderalismus in der Bildungspolitik war gestern Klaus von Dohnanyi. Nicht nur als ehemaliger Bundesbildungsminister ein wahrer Veteran auf diesem Gebiet. Wer den Föderalismus als Staatsform wähle, müsse auch die Freiheit und die Vielfalt lieben mahnte er:
    "Wer Föderalismus will und gleiche Ergebnisse wünscht, der hat einfach nicht nachgedacht. Es geht nicht. Entweder man hat Föderalismus, dann hat man unterschiedliche Zuständigkeiten und unterschiedliche Ergebnisse oder man hat Zentralismus, dann kann man gleiche Ergebnisse herstellen."
    Die sich aus dem deutschen Bildungsföderalismus ergebenden regionalen Unterschiede müsse man aushalten findet er. Trotzdem will auch Klaus von Dohnanyi Änderungen im Zusammenspiel von Bund und Ländern.
    "Die Länder sollten sich politisch und überparteilich zusammentun, um im Bildungsbereich die allzu begrenzten Mittel zu vermehren und durch ein entsprechendes Abkommen mit dem Bund für die Zukunft eine angemessene Finanzausstattung des Bildungswesens zu sichern."
    Das Grundgesetz gibt in Deutschland den Bildungsföderalismus vor. Dazu stellte fast schon beiläufig eine Frau aus dem Publikum die eigentliche Kernfrage des Abends. Es war Mieke Senftleben, FDP-Bildungspolitikerin in Berlin. Ihre Frage: Können wir die Ungleichheit im föderalen System verantworten?
    Eine von vielen Fragen, auf die es gestern keine Antwort gab.