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Kniffliges All-Manöver

Es wäre der erste Besuch auf einem Kometen überhaupt. Die europäische Sonde Rosetta soll den Himmelskörper 67P genau untersuchen. Eine große Herausforderung ist allerdings die Landung. In Bremen haben Ingenieure vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zahlreiche Szenarien durchgespielt.

Von Frederike Buhse | 02.07.2013
    Der Kasten mit den drei abstehenden Beinen unten dran nähert sich leicht schief dem Boden. Erst setzt nur einen Fuß auf, kurz danach folgen die anderen zwei. Der waschmaschinengroße Körper wiegt sich einmal hin und her und steht dann still.

    Der Kometenlander Philae ist sicher gelandet – allerdings nur das maßstabsgetreue Modell in der Testanlage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Das Original soll im nächsten Jahr möglichst genauso sicher auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko aufsetzen. Seit fast zehn Jahren ist das Landesystem mit der Sonde Rosetta unterwegs dorthin. Wenn es klappt, wäre das eine Premiere: Noch kein Objekt ist bisher auf einem Kometen gelandet. Entsprechend wenig sei über die Bedingungen vor Ort bekannt, sagt Lars Witte, Ingenieur am Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen.

    "Die Bodenbeschaffenheit ist bis dato unbekannt. Die Vorhersagen der Planetologen reichen von sehr poröser, wenig tragfähiger Oberfläche - das kann man sich vorstellen, eine Konsistenz wie Zigarettenasche, die bei Kontakt auch sofort zerbröselt - bis hin zu einer harten, eisigen Kruste, die eine deutlich höhere Tragfähigkeit möglicherweise hat, vielleicht vorstellbar, wie eine verharschte Schneeoberfläche. Das ist natürlich für das Design eines Landesystems eine extreme Bandbreite an Oberflächenbedingungen, auf die das Landesystem ausgelegt sein muss."

    Wie es auf Churyumov-Gerasimenko tatsächlich aussieht, werden die Wissenschaftler und Ingenieure also erst wissen, wenn die Sonde Rosetta ankommt. Dann bleibt aber nicht mehr viel Zeit, bis Philae landen soll. Daher will Lars Witte vorher herausfinden, wie und wo die Landefähre sicher aufsetzen kann und bei welchen Bedingungen es kritisch wird. Dazu hat er zahlreiche Szenarien mit dem Modell durchgespielt: Schnelle und langsame Anflüge, auf Sand und auf festem Boden, auf geraden und schiefen Ebenen, und auch in schiefer Lage, sodass ein oder zwei der drei Füße früher den Boden erreichen.

    Für die Tests konnte der Ingenieur das Philae-Modell nicht einfach abwerfen und sehen, was passiert. Auf einem kleinen Himmelskörper wie dem Kometen ist die Schwerkraft viel geringer als in der Testhalle in Bremen. Damit sich das Modell trotzdem so verhält, wie Philae das vermutlich auf dem Kometen tun wird, hängt es an einem Industrieroboter.

    "Der Roboter trägt also die komplette Erdgewichtskraft, erzeugt das Landeszenario, in dem Fall die Anflugbedingungen, so dass beim Aufsetzen tatsächlich nur die kinetische Energie, die im Anflug drinsteckt, dann in die Dämpfungselemente geht"

    Gleichzeitig spürt der Roboter mithilfe von Sensoren, wie sich das Landesystem bewegt und passt sich daran an.

    Als die Sonde Rosetta 2004 zusammen mit Philae ins All gestartet ist, gab es diese Testanlage noch nicht. Die Kollegen hatten den Lander stattdessen an einem Pendel hängend an einer senkrechten Wand aufsetzen lassen. So simulierten sie zwar die verschwindend geringe Schwerkraft, konnten jedoch viele Landeszenarien nicht ausprobieren, wie etwa weichen Boden oder geneigte Flächen. Das hat Lars Witte mit seinen Kollegen nun nachgeholt.

    Die Messungen und Beobachtungen während der Tests sollen helfen, einen geeigneten Landeplatz auf dem Kometen zu finden und jene Orte auszuschließen, wo eine Landung zu riskant wäre.

    "Auf der einen Seite haben wir die Wissenschaftler, die natürlich möglichst wenig eingeschränkt sein wollen in der Auswahl des Landeplatzes hinsichtlich des wissenschaftlichen Potenzials. Auf der anderen Seite sind die Ingenieure und Missionskontrolleure, die gewährleisten müssen, dass das Landesystem auch heil runterkommt. Es ist klar natürlich, ohne eine sichere Landung gibt es auch keinen wissenschaftlichen Erfolg hintendran."

    Kommt Philae wie geplant Ende 2014 auf dem Kometen auf, soll er sich mit Eisschrauben an seinen Füßen im Boden festkrallen und sich mit ausgeworfenen Harpunen an dem Kometen festzurren. Verschiedene Instrumente an Bord werden die Umgebung dann chemisch und physikalisch untersuchen. Wie lange Philae dann dort bleibt, ist offen: Lars Witte hofft auf einige Wochen, es könnte aber auch kürzer werden. Der Komet durchfliegt dann nämlich gerade seinen sonnennächsten Punkt. Dort wird er wahrscheinlich besonders aktiv, der typische Schweif entsteht. Dabei stößt der Komet Dampf und Staub aus, die Philae vermutlich früher oder später mitreißen werden oder den Boden unter ihm so instabil machen, dass er sich nicht mehr halten kann.

    Im Vergleich zur zehnjährigen Anreise wird es also ein recht kurzer Aufenthalt – und das auch nur, sofern die Landung klappt.