Freitag, 19. April 2024

Archiv


Knochen sollen wieder wachsen

Medizin.- Die Knochen des Menschen wachsen und schwinden im Verborgenen. Deshalb sind die Vorgänge bei ihrem Auf- und Abbau größtenteils unerforscht. Wissenschaftler aus San Diego und Bonn haben nun einen wichtigen Signalweg entdeckt, der den Knochenaufbau steuert.

Von Michael Lange | 12.04.2011
    Knochen sind lebendes Gewebe, ein Teil unseres Körpers, der sich auch im Alter ständig ändert.

    "Wenn wir jetzt einen Knochen stark benutzen, wird der Knochen an bestimmten beanspruchten Stellen aufgebaut. Und da, wo wir den Knochen nicht benutzen, oder der Knochen stillgelegt wird, wird er abgebaut."

    Alexander Pfeifer, Professor am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Bonn, interessiert sich für die knochenbildenden Zellen. Sie arbeiten versteckt im Knochen – kaum zugänglich für die Forscher. Deshalb untersucht sein Team den Knochenaufbau unter künstlichen Bedingungen in einer Zellkultur. Die Forscher wollen wissen, wie die Knochenzellen auf mechanische Beanspruchung reagieren.

    "Die Knochenzellen, die den Knochen aufbauen, müssen über einen mechanischen Fühler verfügen, der die Kräfte fühlt, die auf sie einwirken. Und wir haben die Zellen in einer Zellkultur. Sie werden mit einer Flüssigkeit überströmt. Damit sie nicht weggespült werden, müssen sich die Zellen irgendwie mit diesem Flüssigkeitsstrom auseinandersetzen und aktivieren eben ihren mechanischen Fühler."

    Gemeinsam mit Kollegen der Universität von Kalifornien in San Diego konnten die Bonner Forscher nun zeigen, wie die Knochenzellen im Flüssigkeitsstrom ihre mechanische Belastung messen.

    "Durch den mechanischen Stress wird ein Komplex gebildet von mehreren Proteinen. Dazu gehören die Fühlermoleküle und die Signalmoleküle, die sich an diesen Fühler anlagern."

    Die Information über die mechanische Belastung muss dann von der Zellhülle in den Zellkern der knochenbildenden Zellen transportiert werden. Dies geschieht über eine Kette von Signalmolekülen. Bei dieser Informationskette spielt der gasförmige Botenstoff Stickstoff-Monoxid, kurz NO, eine wichtige Rolle. Er ist in der Medizin bekannt, denn NO erhöht den Blutfluss durch die Blutgefäße. Wenn zum Beispiel die Durchblutung der Herzregion gestört ist, spritzt der Notarzt ein so genanntes Nitro-Spray unter die Zunge. Das Nitrat im Spray erhöht die NO-Konzentration im Blut, und die Blutgefäße weiten sich. Die gleichen Wirkstoffe wie in der Herzmedizin könnten auch bei Knochenerkrankungen helfen, hofft der Pharmakologe Alexander Pfeifer.

    "Dieser Signalweg, den wir entdeckt haben, der wird durch Pharmaka aktiviert. Und zwar die Pharmaka, die wir bei Herzkreislauf-Erkrankungen einsetzen. Das berühmte Nitro-Spray aktiviert einen solchen Signalweg, und es war bisher unbekannt, dass dieser Signalweg auch in den Knochen funktioniert und sogar Knochen aufbaut."

    Beim Knochenschwund, der Osteoporose, kann bisher bestenfalls der Knochenabbau gebremst werden. Viel besser wäre es aber, den Knochenaufbau der Patienten gezielt zu fördern.

    "Die Idee wäre jetzt natürlich ein Medikament zu entwickeln, das es uns ermöglicht, im Knochen spezifisch dieses NO oder diesen Signalweg anzuschalten durch kleine chemische Moleküle. Diese Moleküle wirken dann nur auf die Knochen oder nur auf den zu therapierenden Knochen."

    Der Botenstoff NO wirkt nicht gezielt auf die Knochen. Wird er von außen zugegeben, beeinflusst er vor allem die Blutgefäße und erreicht nicht die versteckten knochenbildenden Zellen. Bisher gibt es leider keinen Wirkstoff, der das Knochenwachstum gezielt fördert. Aber die Suche nach dem Stoff, der schwache Knochen wieder stark macht, hat ja gerade erst begonnen.