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Koalition will Krisenkosten nicht bei Steuerzahlern abladen

Eine Bankenabgabe soll kommen, beschloss die Koalition am Sonntagabend im Bundeskanzleramt. Ziel, so Birgit Homburger, sei, dass "diejenigen, die Verantwortung tragen, dann auch an den Kosten beteiligt werden".

22.03.2010
    Gerwald Herter: Im Anschluss an das erste Spitzentreffen der Koalition im Januar im Kanzleramt gingen die Parteivorsitzenden anschließend gemeinsam essen. Beim zweiten Treffen im Februar rauschten ihre Limousinen in die Nacht davon. Gestern hatte Kanzlerin Merkel neben den beiden anderen Parteivorsitzenden der Koalition, Westerwelle und Seehofer, auch Finanzminister Schäuble und die Fraktionsvorsitzenden eingeladen. Eine Änderung des Formats und vielleicht auch des Stils? – Ich bin nun mit der Fraktionsvorsitzenden der FDP im Bundestag, Birgit Homburger, verbunden. Sie war gestern also dabei. Frau Homburger, guten Morgen!

    Birgit Homburger: Guten Morgen, Herr Herter.

    Herter: Frau Homburger, seit Januar war das nun schon das dritte Spitzentreffen im Kanzleramt. Ein Krisentreffen sollte es nicht sein. Warum nicht?

    Homburger: Es ist ein ganz reguläres Treffen gewesen, das wir gestern hatten. Es ist ja vereinbart worden, sich in regelmäßigen Abständen zusammenzusetzen und dann die Dinge zu besprechen, die anstehen, und das haben wir gestern Abend gemacht. Das Treffen war nicht nur sehr konstruktiv, sondern auch in einer ausgesprochen guten und vertrauensvollen Atmosphäre, und wir haben uns dort vor allen Dingen über Inhaltliches unterhalten, was die Frage der Finanzmarktkrise und die Frage Griechenland angeht.

    Herter: Es ging um die Banken. Die sollen künftig dazu beitragen, wenn Gelder gezahlt werden müssen, um Banken abzusichern. Ist das eine Grundsatzeinigung, oder stehen hier schon Einzelheiten fest?

    Homburger: Wir haben uns in der Tat darauf verständigt, dass die Banken nicht auf Kosten der Steuerzahler hier sich entsprechend finanzieren dürfen. Es muss so sein, dass ein Kapitalstock aufgebaut wird, auf den in zukünftigen Krisen zurückgegriffen werden kann. Das ist eine Grundsatzeinigung. Wir haben uns über denkbare Elemente unterhalten. Wir haben vor allen Dingen auch deutlich gemacht, wenn hier die Banken zur Finanzierung der Krise herangezogen werden, was wir den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig sind aus meiner Sicht, dass dann allerdings auch sichergestellt sein muss, dass diejenigen, die die Verantwortung tragen, dafür bezahlen und nicht diejenigen, die Verantwortung nicht tragen. Das heißt also, wir werden hier auch eine entsprechende Differenzierung vornehmen.

    Herter: Das bezieht sich aber auf zukünftige mögliche Krisen, nicht auf die vergangene Bankenkrise, oder?

    Homburger: Das bezieht sich auf die zukünftigen Krisen. In der Tat ist es so, dass wir Vorsorge treffen wollen, dass so etwas nicht noch mal passiert. Das bedeutet, dass auch auf europäischer Ebene Regelungen geschaffen werden müssen, sodass die Probleme, die wir jetzt in der Vergangenheit hatten, eben nach Möglichkeit nicht wieder auftreten können, aber dass zusätzlich eben auch Vorsorge getroffen werden soll.

    Herter: Aber eine Abgabe für die Banken für die vergangene Bankenkrise, eine Beteiligung soll es nicht geben. Warum nicht?

    Homburger: Es ist so, dass wir jetzt ja bereits eine Gebührenfinanzierung beispielsweise haben. Das heißt diejenigen, die jetzt hier zurückgreifen auf die zur Verfügung gestellten Mittel, werden ja schon zu Teilen herangezogen. Zum Zweiten ist es so, dass wir jetzt vor allen Dingen den Blick richten wollen auf die Zukunft und dafür sorgen wollen, dass in Zukunft so etwas nicht mehr passiert. Darüber hinaus ist es ja auch so, dass wir uns sehr genau anschauen müssen, welche Banken sind denn tatsächlich hier betroffen und könnten die im Augenblick tatsächlich überhaupt zu einer Finanzierung beitragen. Das ist alles ausgesprochen schwierig. Deswegen wollen wir dafür sorgen, dass es zukünftig Regelungen gibt, die so sind, dass wir diese Schwierigkeiten, die wir in der Vergangenheit hatten, vermeiden können, und vor allen Dingen wollen wir auch eines: dafür sorgen, dass diese Regeln auch von allen eingehalten werden, dadurch, dass wir die Bankenaufsicht zusammenführen, so wie wir es im Koalitionsvertrag auch vereinbart haben.

    Herter: Kommen wir zu einem anderen Thema: zu den Steuern. Da wurde viel spekuliert. Es gibt ja um Steuerentlastungen in der Koalition Konflikte. Wurde gestern Abend dann gar nicht über dieses so wichtige Thema gesprochen?

    Homburger: In der Tat haben wir gestern Abend nicht über die Steuerpolitik gesprochen. Es war auch nicht vorgesehen, das hatten wir immer deutlich gemacht. Das Treffen gestern Abend galt tatsächlich ausschließlich der Frage, wie können wir die Finanzmarktkrise überwinden, wie können wir hier dazu beitragen, dass so etwas nach Möglichkeit verhindert wird, und wie können wir vor allen Dingen dafür sorgen, dass diejenigen, die Verantwortung tragen, dann auch an den Kosten beteiligt werden und nicht alles bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern abgeladen wird.

    Herter: Zurück zu den Steuern. In welchem Umfang will die FDP weitere Steuerentlastungen durchsetzen, Frau Homburger?

    Homburger: Wir haben uns ja im Rahmen der Koalition darauf verständigt, dass es eine weitere Steuerentlastung geben soll, und zwar vor allen Dingen für die unteren und mittleren Einkommen. Das ist das, was wir in dieser Legislaturperiode zusätzlich noch erreichen wollen. Das bedeutet, dass wir uns die Spielräume dafür im Haushalt 2011 auch durch Einsparmaßnahmen erarbeiten müssen. Das ist unser gemeinsames Ziel. Wir wollen vor allen Dingen die Mitte entlasten, diejenigen, die wirklich in den unteren und mittleren Einkommensschichten im Augenblick zu wenig von dem behalten dürfen, was sie erarbeiten. Der sogenannte Mittelstandsbauch, diese kalte Progression, die wollen wir verhindern, da wollen wir drangehen und das ist das gemeinsame Ziel der Koalition.

    Herter: Sie haben keine Zahl genannt. 16 bis 19 Milliarden Euro - ist das richtig?

    Homburger: Das ist die Größenordnung, die im Augenblick im Gespräch ist, die wir auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Sie wissen, dass im Koalitionsvertrag von einer Jahresentlastungswirkung von 24 Milliarden Euro die Rede ist. Davon haben wir ja zum 1. Januar diesen Jahres bereits einiges gemacht.

    Herter: Vier Milliarden?

    Homburger: ... eine Größenordnung im zweistelligen Milliardenbereich, zwischen 16 und 19 Milliarden Euro, im Augenblick in Rede steht. Wir haben allerdings vereinbart, dass alles Weitere nach der Steuerschätzung gemeinsam festgelegt wird, und daran werden wir jetzt auch arbeiten.

    Herter: Im Koalitionsvertrag steht aber diese Zahl, 24 Milliarden. Wenn Sie jetzt 16 anstreben und vier Milliarden schon realisiert sind, fehlen dort vier Milliarden. Richtig?

    Homburger: Nein. Es sind mehr als vier Milliarden Euro bereits realisiert. Es sind ungefähr sechs Milliarden Euro bereits realisiert. Wenn man die Entlastungen sieht, die wir für die Familien gemacht haben, das sind allein 4,6 Milliarden Euro, dann die Änderungen bei der Erbschaftssteuerreform, bei der Unternehmenssteuerreform, sodass wir also in Summe ungefähr zwischen 16 und 19 Milliarden Euro noch zur Verfügung haben. Das werden die Fachleute dann entsprechend zu besprechen haben. Da muss man dann auch sehen, wie man einen bestimmten Betrag dann auch vernünftig tatsächlich in eine Lösung bringt, und das werden wir gemeinsam machen. Wir werden im Übrigen als FDP bereits auf dem Bundesparteitag, den wir noch im April haben werden, unser Modell vorstellen. Wir wollen dort eine Verknüpfung des Steuer- und Transfersystems und wir werden aus unserer Sicht Vorschläge machen, wie das zu erreichen ist, und auch, wie das zu finanzieren ist. Das ist ja auch wichtig. Für uns gehen Steuerentlastung und Haushaltskonsolidierung Hand in Hand. Das ist ganz zentral. Ich bin aber überzeugt, dass es gemeinsam gelingen wird, eine Steuererleichterung für die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere für die unteren und mittleren Einkommensschichten auf den Weg zu bringen, und ich will hinzufügen: ganz besonders wichtig ist uns auch, dass es vor allen Dingen eine Vereinfachung im Steuerrecht gibt. Darauf haben wir uns ja bereits verständigt in der Koalition. Wir haben auch viele konkrete Vorschläge schon gemacht und ich denke, dass auch das von besonderer Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger ist.

    Herter: Finanzminister Wolfgang Schäuble hat gestern Abend gar nicht mehr den Haushaltsvorbehalt erwähnt, der auch im Koalitionsvertrag steht?

    Homburger: Wir haben gestern Abend nicht über das Thema Steuern gesprochen, ich sage es noch mal, und wir haben klare Vereinbarungen, die wir in der Koalition getroffen haben, noch mals bekräftigt. Wir haben gemeinsam vereinbart, dass wir nach der Steuerschätzung die konkreten Dinge, wie diese Steuerreform gestaltet werden soll, dann auch festlegen wollen, und das werden wir eben gemeinsam tun.

    Herter: Warum mussten Sie denn gestern Abend über Griechenland reden? Die Bundeskanzlerin hat sich unter anderem bei uns im Interview der Woche da ja sehr klar festgelegt.

    Homburger: So ist es und das ist auch die gemeinsame Haltung der Koalition. Deswegen haben wir auch nicht wirklich viel Zeit darauf verwendet. Allerdings steht ja, wie Sie wissen, der europäische Rat diese Woche an. Außerdem treffen sich heute die Außenminister der Europäischen Union. Das heißt also, es wird diese Woche eine Rolle spielen, und deshalb haben wir noch mals über die aktuelle Situation gesprochen, haben dabei auch noch mal deutlich gemacht, dass wir bei unserer gemeinsamen Haltung bleiben. Griechenland hat nicht nach Hilfe nachgefragt. Wir wollen Griechenland dabei unterstützen, durch Maßnahmen selbst die Krise zu bewältigen. Das ist nach wie vor die Haltung der Koalition.

    Herter: Die Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Birgit Homburger, im Deutschlandfunk-Interview. Danke, Frau Homburger, und einen schönen Tag.

    Homburger: Bitte sehr!