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Koalitionsgipfel
"Zeitarbeit ist keine Schmuddelarbeit"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, hat Forderungen aus der SPD zur Erbschaftssteuer und zur Zeitarbeit zurückgewiesen. Es sei falsch, dass die CSU bereits ausgehandelte Gesetzentwürfe blockiere, sagte Max Straubinger im Deutschlandfunk vor dem Koalitionsgipfel am heutigen Abend.

Max Straubinger im Gespräch mit Sandra Schulz | 13.04.2016
    Max Straubinger, CSU-Abgeordneter im Bundestag
    Max Straubinger, CSU-Abgeordneter im Bundestag (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Straubinger meinte, es stimme nicht, dass die CSU diese Themen wegen der Flüchtlingskrise in Geiselhaft nehme. Die SPD-geführten Ministerien hätten vielmehr Entwürfe vorgelegt, die über die Vereinbarungen des Koaltionsvertrags hinausgingen. Diese müssten nachgebessert werden.
    Bei der Erbschaftssteuer gehe es seiner Partei um den Erhalt von Arbeitsplätzen, betonte Straubinger. Hier seien noch einige Punkte zu klären. Zum Entwurf von Arbeitsministerin Nahles zur Zeitarbeit wies der CSU-Politiker darauf hin, dass es hier auch aus den Reihen der CDU Kritik gegeben habe. "Wir brauchen das Element der Zeitarbeit weiter", erklärte Straubinger. "Das ist keine Schmuddelarbeit." Die Zeitarbeit beruhe auf Tarifverträgen und werde oft höher entlohnt als andere Arbeit.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Und am Telefon ist Max Straubinger, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. Guten Morgen.
    Max Straubinger: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Wird die CSU heute Abend die Chance ergreifen und Schluss machen mit der Blockadepolitik?
    Straubinger: Die CSU blockiert nicht, sondern die CSU diskutiert als Koalitionspartner innerhalb unserer Koalition und sie setzt letztendlich auch ihre erfolgreichen Wahlprogramme auch mit um. Ein Beispiel dafür ist die Mütterrente, die wir eingeführt haben.
    Schulz: Aber wenn wir jetzt auf die konkreten Projekte schauen, die da jetzt im Streit stehen, die Erbschaftssteuer-Reform. Da stand im Februar ja schon eine Einigung von allen drei Koalitionsparteien, mit ausgehandelt ja auch von der CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt. Warum gilt dieser Kompromiss jetzt plötzlich für die CSU nicht mehr?
    "Es geht um den Erhalt der Arbeitsplätze"
    Straubinger: Na gut, es gibt noch zwei, drei Punkte, die noch zusätzlich geklärt werden müssen, die entscheidend sind vor allen Dingen für kleine und mittlere Betriebe, damit die steuerfrei auch übergeben werden können. Aber es geht hier nicht um Geschenke, um Steuergeschenke, sondern es geht um den Erhalt der Arbeitsplätze.
    Schulz: Aber warum wusste Gerda Hasselfeldt das nicht vorher, bevor sie diesen Kompromiss mit abgenickt hat?
    Straubinger: Na gut, der Kompromiss, der ist erst völlig fertig, wenn die drei Parteivorsitzenden auch mit ihre Zustimmung geben. Das ist hier nicht der Fall und unter diesem Gesichtspunkt wird sicherlich heute Abend noch diskutiert werden.
    Schulz: Es gab ein ganz ähnliches Schicksal, den der geplante Gesetzentwurf von Andrea Nahles erlebt hat. Da ging es um die Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen. Da war der Gesetzentwurf schon so gut wie vom Kabinett verabschiedet und dann zieht die CSU die Notbremse. Warum?
    "Zeitarbeit beruht auf abgeschlossenen Tarifverträgen"
    Straubinger: Na gut, die Frau Ministerin hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der weit über den Koalitionsvertrag hinausgeht, und deshalb wurde dieser wieder zurückgezogen. Wir haben dies angemahnt, aber das ist nicht eine Frage von CSU, sondern genauso auch von CDU, wo es die Kritik gab, insbesondere in den Fragen der Zeitarbeit. Und wir brauchen dieses flexible Instrument auch weiterhin, damit die Betriebe letztendlich Spitzen abarbeiten können. Außerdem ist Zeitarbeit keine Schmuddelarbeit, sondern Zeitarbeit beruht auf abgeschlossenen Tarifverträgen, die oft sogar höher entlohnt werden oder meistens sogar höher entlohnt werden wie manch andere Branchentarife.
    Schulz: Jetzt passt zu Ihrer Einschätzung allerdings nicht die von Carsten Linnemann aus der CDU-Mittelstandsunion. Der hatte wörtlich gesagt, damit können jetzt die meisten Unternehmen leben. Was wollen Sie denn diesem Eindruck entgegensetzen, dass die CSU diese Sachthemen in Geiselhaft nimmt, um in der Flüchtlingspolitik durchzudringen?
    Die Deregulierung im Arbeitsmarkt hat Erfolg gebracht
    Straubinger: Wir nehmen nichts in Geiselhaft wegen der Flüchtlingspolitik, sondern uns geht es darum, dass wir weiterhin gute Voraussetzungen haben, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und unserer Betriebe zu erhalten, um damit einen hohen Beschäftigungsstand zu haben. Wir erinnern uns noch an die Zeiten von Rot-Grün, da hatten wir 25 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Jetzt haben wir über 30 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in unserem Land. Das ist zurückzuführen auf Deregulierung im Arbeitsmarkt, die seinerzeit unter Bundeskanzler Gerhard Schröder mit angestoßen worden sind und von CDU/CSU über den Bundesrat tatkräftig unterstützt worden sind, und das zeigen die Erfolge. Diese Erfolge dürfen nicht verspielt werden und unter diesem Gesichtspunkt gibt es auch hier Vorbehalte gegen dieses Gesetzgebungsvorhaben von der Frau Nahles.
    Schulz: Aber erklären Sie uns dann noch mal genauer die Strategie der CSU. Wir haben jetzt zweimal die Konstellation, es stand eigentlich schon eine Einigung, und jetzt sagt Generalsekretär Scheuer - wir haben ihn gerade noch mal gehört -, jetzt muss die SPD aber liefern. Wie kommen Sie darauf?
    Straubinger: Natürlich muss die SPD liefern. Es sind SPD-geführte Ministerien und wenn die SPD mit ihren eigenen Vorstellungen über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages hinaustangiert und hinausschießt, dann sind sie daran gehalten, ihr Gesetz dann auch wieder so zu verändern, wie sie in ihren Ministerien gemacht worden sind. Von daher brauchen wir diese Arbeit. Im Übrigen müsste bei der Erbschaftssteuer der Wirtschaftsminister und Parteivorsitzende der SPD, der ja in besonderer Weise in der Verantwortung für die Betriebe und damit für die Arbeitsplätze steht, hier die gleiche Haltung mit einnehmen.
    Die Betriebe müssen wettbewerbsfähig bleiben
    Schulz: Erklären Sie uns noch genauer, wie das jetzt weitergehen soll. Wir sind jetzt in diesem Modus, dass ein Koalitionspartner vom anderen was verlangt. Wie wollen Sie denn da jetzt zurückkommen auf eine Arbeitsebene, in der wirklich die Große Koalition nicht weiter streitet, sondern auch mal wieder regiert?
    Straubinger: Wir regieren ja, es ist ja nicht so. Aber dass darüber es Diskussionen gibt, wie zukünftig die Gesetze und auch der Koalitionsvertrag auszulegen ist, das ist ein ganz normaler Vorgang. Der dauert manchmal etwas länger, manchmal geht es schneller, und wenn es schneller geht, dann glaubt man immer, jetzt hat man nicht gestritten, und wenn es länger dauert und die Menschen, die Sehnsucht haben, es sollte doch endlich zum Abschluss gebracht werden, dann heißt es immer Streit der Koalition. Ich glaube, es ist hier entscheidend: Es geht um die Sache und nicht um irgendetwas herbeizuführen oder in irgendwelche Zusammenhänge zu setzen, sondern wir arbeiten daran, dass das Land wettbewerbsfähig bleibt, die Betriebe wettbewerbsfähig sind und wir damit einen hohen sozialen Standard für die Menschen in unserem Land gewährleisten können.
    Schulz: Einen hohen Standard, von dem viele künftige Rentner möglicherweise nur träumen können, wenn wir uns die Zahlen vergegenwärtigen, die der WDR gestern vorgelegt hat. Da zeichnet sich jetzt ja ein Thema ab: Die Rentendiskussion, die SPD und CSU gleichermaßen betreiben. Verpacken Sie denn eine Rentenreform noch vor der Bundestagswahl?
    Das Rentensystem ist sicher
    Straubinger: Das kommt auf die Koalitionspartner an und in welcher Weise wir dies angehen. Ich möchte aber trotzdem zuerst feststellen: Wir haben ein starkes und vor allen Dingen finanziell fundamentiertes Rentensystem bei uns in Deutschland mit der gesetzlichen Rentenversicherung, der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Vorsorge, die unterstützt wird von staatlicher Seite. Und das zeigt auch der Rentenversicherungsbericht und vor allem die Rentenversicherung. Die gesetzliche Rentenversicherung bestreitet diese Zahlen, die der Westdeutsche Rundfunk hier mit erarbeitet hat, auf welchen Grundlagen die auch basieren. Sondern im Gegenteil: Wir haben ein Rentenniveau derzeit, das bei 47,5 Prozent liegt. Das wird auch in 2020 bei 47,5 sein und im Jahr 2029, wenn wir keine Änderungen vornehmen, auf 44,6 absinken nach Rentenversicherungsbericht. Das ist das Gesamtversorgungsniveau.
    Schulz: Warum will Horst Seehofer denn dann die große Reform?
    Nachbesserung der Rentenversicherung bei Erwerbsunfähigkeit
    Straubinger: Trotzdem müssen wir, weil diese Absenkung trifft die kleinen Leute, nachdenken. Die rot-grüne Rentenreform hat vor allen Dingen eine große Lücke gerissen bei der Absicherung im Erwerbsunfähigkeitsfall. Durch die Absenkung des Rentenniveaus unter Rot-Grün und gleichzeitiger Einführung der Riester-Rente ist vor allen Dingen die Absicherung im Erwerbsunfähigkeitsfall auch stark gesunken und das bedeutet, dass derzeit zehn Prozent derer, die in Erwerbsunfähigkeitsrente müssen aufgrund ihrer Krankheit und ihrer Situation, dass zehn Prozent derer auf die Grundsicherung angewiesen sind. Jetzt ist Grundsicherung doch auch Teilhabe, aber wir wollen das nicht unbedingt so haben und da müssen wir Verbesserungen herbeiführen.
    Schulz: Und die Probleme bei Riester, das Modell, das Seehofer ja für gescheitert erklärt, das sehen Sie nicht?
    Straubinger: 17 Millionen Verträge auf freiwilliger Basis abgeschlossen, zeigt sehr deutlich, dass die Menschen für ihr Alter auch auf freiwilliger Basis mit vorsorgen. Und wir haben auch noch die betriebliche Altersversorgung und dies gehört hier vielleicht noch stärker verbreitert. Darüber denkt die Bundesregierung nach. Hier gibt es ein Gutachten, das derzeit vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und vom Bundesfinanzministerium gemeinsam ausgewertet wird, und auf dieser Basis werden wir dann versuchen, auch den Teil der betrieblichen Altersvorsorge - und beides beruht auf Kapitaldeckung. Die betriebliche Altersversorgung wie die private Rentenvorsorge beruhen auf Kapitaldeckung, und dies gilt es mit zu stärken.
    Schulz: Riester bleibt und Seehofer irrt?
    Straubinger: Nein, das möchte ich nicht hier so darlegen, sondern wir haben auch bei Riester Probleme und diese Probleme, die müssen wir auch mit angehen. Wir müssen versuchen, die Verwaltungskosten zu reduzieren. Und insgesamt müssen wir natürlich mit einsehen, dass derzeit der Kapitalmarkt keine Zinsen abwirft. Das gilt aber für beide Systeme, für die betriebliche Altersversorgung wie für Riester. Hier sind aber andere Faktoren mit die Ursache dafür. Da bin ich aber auch überzeugt, dass sich über die Jahre hinweg auch wieder eine Verzinsung anbahnen wird.
    Schulz: Max Straubinger, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, heute hier bei uns im Deutschlandfunk in den "Informationen am Morgen". Danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.