Dienstag, 19. März 2024

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Koalitionsstreit um Paketboten
"An der Entlohnung ändert sich nichts"

Die Koalition streitet weiter um bessere Arbeitsbedingungen für Paketboten. Peter Weiß, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Union, kritisierte im Dlf die Pläne aus dem Arbeitsministerium: Die Nachunternehmerhaftung bedeute nicht, dass Paketzusteller mehr Geld verdienen würden.

Peter Weiß im Gespräch mit Sandra Schulz | 14.05.2019
Paketbote der Firma UPS bei der Lieferung eines Paketes, aufgenommen 2018 in Berlin.
Paketzusteller: Oft Beschäftigte von Subunternehmen, ohne Mindestlohn und Sozialversicherung (imago/Marius Schwarz)
Sandra Schulz: Wir wollen bei dem Thema bleiben, über das wir gerade gesprochen haben: die Dumping-Löhne bei Paketzustellern. Auf schroffe Ablehnung ist Hubertus Heil gestoßen bei Wirtschaftsminister Altmaier, der nun seinerseits aber auf Widerstand stößt aus eigenen Reihen. Der CDU-Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Harry Glawe, fordert ähnliche Schritte, und so ähnlich hat es auch Annegret Kramp-Karrenbauer gesagt, die Parteichefin, die jetzt auch einen Kompromiss vorschlägt. Darüber wollen wir jetzt sprechen in den nächsten Minuten. Peter Weiß ist am Telefon, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen!
Peter Weiß: Guten Morgen.
Schulz: War der Wirtschaftsminister, war Peter Altmaier da auf dem Holzweg mit seiner schnellen Ablehnung der Pläne von Hubertus Heil?
Weiß: Nein. Peter Altmaier hat deswegen so reagiert und das auch begründet: Er wartet jetzt schon seit Monaten auf konkrete Vorschläge des Bundesarbeitsministers für Entbürokratisierungsmaßnahmen, die auch irgendwo die Wirtschaft entlasten können. Deswegen gibt es für uns als Union einen klaren Zusammenhang. Wir wollen, wenn wir über das Thema Paketdienste und Nachunternehmerhaftung sprechen, das gesamte System in den Blick nehmen, welche bürokratischen Lasten wir vielleicht reduzieren können und wo wir vielleicht im Einzelfall auch Vorschriften verschärfen müssen. Das heißt, es geht um das Gesamtpaket.
Paketzusteller in Geiselhaft
Schulz: Das heißt, Sie nehmen die Paketboten, die jetzt vielfach unter Mindestlohn arbeiten, so lange in Geiselhaft, bis die Koalition sich auch mal über das Thema Bürokratieabbau geeinigt hat?
Weiß: Es geht überhaupt gar nicht um Geiselhaft. Im Übrigen: Der Vorschlag, den der Bundesarbeitsminister gemacht hat, bedeutet ja nicht, dass ab morgen die Paketboten mehr Geld verdienen, sondern es ist schlichtweg, wenn Sie so wollen, ein erhobener Zeigefinger, dass im Falle dessen, dass einmal die Nachunternehmerhaftung greifen sollte, auch auf die Sozialversicherungsbeiträge die Nachunternehmerhaftung ausgeweitet wird. Diese Regelung haben wir als Union ja schon in zwei Bereichen mitgemacht, nämlich einmal auch auf unsere Initiative hin in der Fleischereiwirtschaft und zum anderen im Baugewerbe. Aber ich glaube, es ist sinnvoll, in einem solchen Zusammenhang auch darüber zu reden, ob wir da, wo wir keine groben Verstöße gegen Mindestlohnregeln feststellen müssen, nicht auch ein Stück der bürokratischen Vorschriften reduzieren können. Das halte ich für einen sinnvollen Sachzusammenhang.
Schulz: Der Vorschlag von Hubertus Heil ist, dass Paketdienstleister, die mit Subunternehmen zusammenarbeiten, die die Mindestlohngrenze reißen oder die keine Sozialabgaben zahlen, dass die selbst in die Haftung genommen werden sollen, die Unternehmer auf der oberen Ebene. Wieso sagen Sie, dass die Paketboten davon nicht profitieren würden?
Weiß: Es ist ja nicht unmittelbar so, dass dann sich hier etwas an der Entlohnung geändert hat.
Schulz: Aber es wäre dann klar, wer bezahlt.
Weiß: Ja, das ist dann klar. Um es klarzustellen: Die Nachunternehmerhaftung gilt generell immer beim Mindestlohn, und zwar für den Lohn selbst. Es gibt für einzelne Branchen wie zum Beispiel die Fleischereiwirtschaft und die Baubranche schon heute eine verschärfte Regelung. Die bedeutet, dass auch für die Sozialabgaben gehaftet wird. Der Vorschlag von Hubertus Heil ist, das bei der Paketbranche genauso anzuwenden. Darüber sind wir auch gesprächsbereit, weil in der Tat wir sehen, dass gerade in der Paketbranche es auch problematische Entwicklungen gibt. Die wollen wir verhindern und vermeiden und deswegen reden wir heute Abend auch darüber.
Schulz: Aber machen wollen Sie da nichts?
Weiß: Wieso? Was heißt noch nichts?
Weiß zum Koalitonsstreit: "Gespräche, keine Blockade"
Schulz: Jetzt zeitnah. Der Gesetzentwurf liegt ja jetzt schon länger vor. Und wie gesagt: Die letzten Wochen herrschte Blockade aus dem Wirtschaftsministerium.
Weiß: Nein, in den letzten Wochen herrschte keine Blockade, sondern es haben darüber Gespräche stattgefunden. Und im Übrigen muss man einfach darauf hinweisen, dass der entscheidende Punkt nicht die Nachunternehmerhaftung ist, sondern die Frage, wie die Finanzkontrolle Schwarzarbeit kontrolliert und ob sie auch entsprechend Personal hat. Im großen Einvernehmen in der Koalition beraten wir ja und beschließen zurzeit ein Gesetz, in dem wir die Möglichkeiten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit noch mal verbessern und auch das Personal aufstocken. Das ist der vielleicht viel wichtigere Gesetzentwurf, den wir zurzeit im Parlament beraten. Die Kontrolle muss funktionieren.
Schulz: Da geht es dann natürlich unmittelbar auch gleich wieder ums Geld. Wir haben Ihre Parteichefin eben gehört mit der Ansage, das Treffen heute ist auch ein Treffen, in dem der Wahlkampf nicht außen vor bleibt. Wenn Sie jetzt bei diesem Thema, das für viele Menschen, die für wenig Geld arbeiten, so ein dringliches Anliegen ist, wenn Sie da so auf der Bremse stehen, heißt das, dass Ihnen die Stimmen dieser Wähler nicht wichtig sind?
Weiß: Uns sind die Stimmen aller Wählerinnen und Wähler wichtig. Der Punkt ist nur der: Ich muss auch im Wahlkampf auf die Sache schauen, nämlich wie ich wirklich zielgerichtet helfe. Und die wichtigste Hilfe ist in dem Mindestlohnbereich, dass wir die Kontrollen verbessern und verstärken. Das Gesetz beraten wir zurzeit und machen wir auch. Darüber gibt es gar keinen Streit. Etwas anderes ist - ich glaube, da geht es auch um Wählerinnen und Wähler: Wir sollten dort, wo es zu Verstößen kommt in größerer Zahl, die Kontrollen verschärfen, auch die Strafandrohungen des Gesetzes verschärfen, aber dort, wo wir sehen, dass es einigermaßen gut läuft, wir wenig Verstöße feststellen, auch unsere bürokratischen Vorschriften, die wir geschaffen haben, noch mal ein Stück überprüfen. Ich glaube, Leute, die ehrlich und anständig sind, die muss man nicht zusätzlich ärgern.
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