Freitag, 29. März 2024

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Koch ein "polarisierender Faktor"

Roland Koch habe seiner Partei in Hessen sehr geschadet. Das sagte der Politikwissenschaftler Eike Hennig mit Blick auf das Wahlergebnis der Landes-CDU. Es gebe eine erhebliche Wählerwanderung von der Union zur FDP. Das sei ein Zeichen, dass die Wähler eine "softere Komponente im schwarz-gelben Lager" unterstützten. "Das ist eindeutig auch ein Anti-Koch-Wahlverhalten", folgerte Hennig.

Eike Hennig im Gespräch mit Mario Dobovisek | 19.01.2009
    Roland Koch: Für die hessische CDU und ganz persönlich nehme ich den Auftrag an, die nächste Regierung für unser Bundesland zu bilden, und ich verspreche Ihnen, wir werden uns Mühe geben, gemeinsam, CDU und FDP, das schnell zu tun, damit die Bürgerinnen und Bürger eine handlungsfähige Regierung mit einem handlungsfähigen Parlament schon in sehr kurzer Zeit erwarten können.

    Mario Dobovisek: Schwarz-Gelb in Hessen. Roland Koch kann weiterregieren und dennoch wird er abgestraft, denn nominal betrachtet verliert die CDU an Stimmen. Doch größter Verlierer ohne Zweifel in Hessen sind die Sozialdemokraten. Sie brechen ein, verlieren 13 Prozentpunkte.
    Nach einem Jahr Machtvakuum in Hessen platzt der Knoten. Nach der vorgezogenen Landtagswahl zeichnet sich eine zügige Regierungsbildung ab. Wir haben es gehört. Dank ihres starken Abschneidens sicherte die FDP der CDU den Regierungsauftrag und präsentiert sich als starker Koalitionspartner. Nicht nur in Hessen sehen sich die Liberalen im Aufwind; auch in der Berliner Parteizentrale gab es großen Jubel. Schließlich wird Hessen mit dem gestrigen Wahlergebnis wohl das fünfte schwarz-gelb geführte Flächenland sein. Über die wachsende Macht der FDP diskutieren wohl heute in Berlin auch die Gremien aller Bundestagsparteien. Hessen hat gewählt. Darüber sprechen möchte ich mit dem hessischen Politikwissenschaftler Eike Hennig. In Kassel begrüße ich ihn am Telefon. Guten Tag, Herr Hennig!

    Eike Hennig: Guten Tag.

    Dobovisek: Wird Roland Koch, wenn es die Ergebnisse der Bundestagswahl im September zulassen, Hessen verlassen und nach Berlin gehen?

    Hennig: Na ja, das ist jetzt Spekulation. Aber ich sage mal, das Wahlergebnis zeigt deutlich, dass die Beliebtheit von Herrn Koch doch klare Grenzen gefunden hat, um das mal so auszudrücken. Er ist sozusagen der Buhmann, der doch der CDU erheblich geschadet hat.

    Dobovisek: Welchen Rückhalt findet er denn überhaupt noch in seiner Partei und auch im Bundesland?

    Hennig: Gleichzeitig ist er einer der kompetentesten Politiker in Hessen überhaupt und er ist sicher an der Spitze der CDU von seiner Sachkompetenz her ganz, ganz schwer zu ersetzen. Aber er ist gleichzeitig so ein polarisierender Faktor selbst innerhalb der CDU, bis eben zur SPD, den Grünen, zur Linken, also sozusagen auch weit ins bürgerliche Lager hinein.

    Dobovisek: Sie sagten es: Roland Koch sei ein polarisierender Faktor. Vor einem Jahr führte er einen sehr polemischen Wahlkampf mit teils ausländerfeindlichen Parolen. Jetzt begab er sich sozusagen auf einen Schmusekurs. Haben die Hessen Roland Koch diesen Sinneswandel abgenommen?

    Hennig: Ja, die CDU schon. Aber Sie sehen: Wir haben ja ganz erhebliche Wählerwanderungen von der CDU weg zur FDP. Die FDP hat davon profitiert, und das ist ein Zeichen, dass man sozusagen, ich sage es jetzt mal, die softere Komponente im schwarz-gelben Lager unterstützt, und das ist eindeutig auch ein Anti-Koch-Wahlverhalten. Und vom Desaster der SPD hat als Volkspartei die CDU auch wenig profitiert.

    Dobovisek: Die SPD in Hessen - Sie sagen es - befindet sich in einem historischen Tief, ist abgesackt. An wen haben die Sozialdemokraten ihre Stimmen verloren?

    Hennig: Die Sozialdemokraten haben massiv Stimmen an die Grünen, vor allem aber in die Nichtwählerecke, verloren.

    Dobovisek: Haben die Hessen politisch resigniert? Es gibt eine Wahlbeteiligung von 61 Prozent.

    Hennig: Resignieren bei 61 Prozent würde ich nicht sagen, aber ich würde doch schon sagen drastische Zeichen von Unzufriedenheit mit dem politischen System, mit den Präsentationen der Parteien, so wie sie im Moment sind, und das betrifft vor allem die beiden so genannten Großparteien. Das ist sehr deutlich.

    Dobovisek: Wie deutlich drückt sich das sonst noch aus?

    Hennig: Im Anwachsen sozusagen der Protestkomponenten. Ich glaube, dass die Grünen immer noch Protestkomponente sind oder jetzt eben auch sehr viel aufgefangen haben. Und in der Stabilisierung der Linken, zumindest in der Stabilisierung in Hessen. Sie haben ihre Wählerschaft gehalten. Sie haben profitiert von der niedrigen Wahlbeteiligung und sie sind in ihren Hochburgen stark und an den Schwachstellen selbst im Taunus, in den reichsten Wahlkreisen, sind sie immerhin so gut vertreten, dass die Hochburgen wenig auszugleichen hatten.

    Dobovisek: Wie stark ist das bundespolitische Signal, das von Hessen ausgeht?

    Hennig: Meines Erachtens schwach. Die Spezifika mit Koch, mit Tarek Al-Wazir und mit der CDU und FDP und der SPD und den Grünen, das sind doch sehr hessisch komponierte Größen, so dass ich glaube: Wir haben natürlich die Ausstrahlung jetzt über das Kräfteverhältnis im Bundesrat, das ist klar, aber ansonsten wäre keine Partei gut beraten, wenn sie das so, wie es heute immer heißt, eins zu eins in den Bund verlängert. Das ist sehr hessisch, das Wahlergebnis.

    Dobovisek: Aber in der Tat: das Kräfteverhältnis im Bundesrat wird sich verändern, sollte es denn eine schwarz-gelbe Koalition in Hessen geben. Die FDP-Spitzen beteuerten bereits, nicht blockieren zu wollen. Werden sich die schwarz-gelben Landesregierungen daran halten?

    Hennig: Das glaube ich sehr. Die hessische FDP betont immer wieder an den verschiedensten Punkten, sie würde keine Blockadepolitik betreiben. Die beiden Spitzenkandidaten sind untereinander befreundet, so dass es da viele Möglichkeiten gibt, und die hessische FDP ist auch gut beraten, ihre Stärke einzusetzen, aber keine Blockierpolitik zu machen.

    Dobovisek: Der Fraktionsgeschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, bekräftigte heute seine Forderung nach einer Änderung der Abstimmregeln im Bundesrat. Hat die SPD dennoch Angst vor einer FDP-Blockade?

    Hennig: Angst wird sie wohl haben, aber das ist so eine Reaktion, die eigentlich die Unzufriedenheit begünstigt: etwas ist passiert und sofort wird am System herumgebastelt. Ich glaube, das sollte man unterlassen.

    Dobovisek: Der hessische Politikwissenschaftler Eike Hennig. Vielen Dank für das Gespräch.