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Kölner Fußballvereine
Vereinte Rivalen

In vielen Städten ist das Verhältnis zwischen konkurrierenden Fußballvereinen von Feindseligkeiten geprägt, bis hinein in den Jugendfußball. Die drei größten Kölner Klubs haben nun eine Initiative der Freundschaft gestartet und verfolgen dabei auch noch einen guten Zweck.

Von Daniel Theweleit | 09.10.2021
Die Maskottchen von Fortuna Köln, Viktoria Köln und dem 1. FC Köln beim Kölner Stadtturnier.
Die Maskottchen von Fortuna Köln, Viktoria Köln und dem 1. FC Köln beim Kölner Stadtturnier. (dpa / picture alliance / Scheuren)
"Riesenapplaus meine Damen und Herren, genießen Sie das letzte Spiel. Begrüßen Sie auf Spielfeld eins die Mannschaften Höhenberg gegen Merheim und auf Spielfeld zwei Müngersdorf gegen Raderthal."
Kein FC, keine Fortuna, keine Viktoria – die Trikots der großen Fußballvereine Kölns waren gestern bei einem Jugendturnier im Kölner Osten nicht zu sehen. Stattdessen treten Stadtteil-Teams an, gemischt aus Spielern aller drei Vereine. Mit gemeinsamen Trikots, und drei Wappen auf der Brust – unter dem Motto: "Vereint": Um die Kinder zu verbinden, die unterschiedliche Erfahrungen mit den Stadtrivalen gemacht haben.
So wie der zehn Jahre alte Semih aus der Jugend von Viktoria: "Manchmal mag ich die auch nicht, wenn wir verlieren oder so, weil die grätschen auch voll oft. Aber sonst sind die nett."

Gemeinsamkeiten betonen bei aller sportlicher Rivalität

Gerade die beiden unterklassigen Kölner Klubs sind sich in der Vergangenheit gelegentlich in tiefer Abneigung begegnet. In einer Zeit, in der sich immer mehr gesellschaftliche Gräben auftun, wollen die Fortuna aus der Regionalliga, die Viktoria aus Liga drei und der FC nun bei aller sportlicher Rivalität Gemeinsamkeiten betonen.
"Wir haben halt verschiedene Teams gemacht, zwei von jeder Mannschaft, also von 1. FC Köln, Fortuna Köln und halt wir. Und das ist halt ein bisschen schwer, weil wir wissen ja nicht alle Taktiken von denen", erklärt Semih.
Aber am Ende sahen viele Spiele nach gutem Fußball aus. Und die fröhliche Stimmung im Höhenberg-Stadion spricht ebenfalls dafür, dass der Tag tatsächlich zu einer größeren Nähe der Klubs beigetragen haben könnte. Diesen Eindruck teilt auch Andreas Rettig, der Geschäftsführer der Viktoria, von dem die Idee zu dem Turnier stammt.
"Es fängt im Kleinen an. Und je vernünftiger sie mit neun, zehn, elf Jahren mit dem Spielgegner umgehen, desto besser. Man muss sich ja nur auf Amateurplätzen umsehen, wenn dann übereifrige Eltern da, was da reingerufen wird teilweise, wie tatsächlich der Gegner als Feind dargestellt wird, und deswegen freue ich mich wirklich, dass alle Jugendabteilungen gesagt haben: Super, das machen wir."

Turnier aller Generationen

Neben den Kindern sind auch die Profimannschaften und Legenden der drei Vereine gekommen. Der ehemalige Bundestrainer Erich Ribbeck, der in den 1960er Jahren bei der Viktoria gespielt hat. Der frühere Nationaltorwart Wolfgang Fahrian, der für die Fortuna aktiv war. Und Karl-Heinz Thielen, der den DFB-Pokal und die deutsche Meisterschaft mit dem FC gewann. Zum Höhepunkt der Veranstaltung tragen schließlich die ersten Mannschaften ein Blitzturnier aus.

Alexander Wehrle, der Geschäftsführer des 1. FC Köln erklärt: "Für uns war wichtig, bei diesem Turnier alle Generationen anzusprechen. Deswegen spielen im Vorfeld spielen heute Acht-, Neun-, Zehnjährige zusammen in gemischten Teams. Der Anstoß wird durch die Legenden der jeweiligen Klubs gemacht. Also auch die Generation der Älteren ist berücksichtigt, und dann spielen die Profis, also die Gegenwart, miteinander. Von daher sind wir da sehr schön generationenübergreifend vorgegangen."
Das war den Veranstaltern auch deshalb wichtig, weil das Problem einer möglicherweise vergifteten Rivalität seinen Ursprung eher unter Erwachsenen hat. Übermotivierte Trainer und ehrgeizige Eltern am Spielfeldrand sollen genauso erreicht wirden wie die Kinder. Wobei das Verhältnis der größten Kölner Fußballvereine nicht das einzige Anliegen der Initiatoren ist. Mit den 50.000 Euro, die an diesem Tag zusammenkommen, soll den Kölner Obdachlosen geholfen werden, erläutert Alexander Wehrle.
"Wir haben das während der Anfangsphase der Corona-Pandemie extrem zu spüren bekommen. Wir haben mit den Tafeln Deutschland und den Tafeln Köln sehr intensiv zusammengearbeitet, haben in der Phase auch viele Tafeln übernommen, weil ältere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das nicht mehr machen konnten. Und da ist dann ganz klar zutage gekommen, dass wir in Köln 6000 Obdachlose haben, die gerade in dieser Phase völlig vernachlässigt wurden."

50.000 Euro für die Obdachlosenhilfe

Besonders stolz sind die Kölner auf die Nachhaltigkeit ihrer Initiative, die nicht mit diesem einen Turniertag zu Ende geht. Das Konzept ist langfristig angelegt, erklärt Rettig:
"Das Thema Wohnungsnot, Obdachlosigkeit, ist natürlich eins, das permanent da ist in einer Stadt wie Köln und in allen Großstädten vornehmlich. Aus dieser Überlegung ist der Gedanke entstanden, dieses Turnier jedes Jahr stattfinden zu lassen, damit es nicht punktuell bei einer Sache bleibt. Das Turnier wird deshalb nächstes Jahr im Südstadion bei der Kölner Fortuna stattfinden und im Jahr danach beim 1. FC Köln."
Die Grundidee hatte Rettig bereits während seiner Zeit in der Klubführung des FC St. Pauli. Aber dort ist die Rivalität zum HSV derart erbittert, dass die Sicherheitskosten für ein gemeinsames Event alle Erlöse aufgefressen hätten. Und dennoch glaubt Wehrle, dass andere Städte sich Köln zum Vorbild nehmen könnten.
"Das ist mein großer Wunsch. Jetzt in Zeichen zu setzen, dass ein Bundesligist, ein Drittligist, ein Viertligist vereint in der Sache zusammen gehen um den Schwächeren zu helfen, dann würde ich mir wünschen, dass das in andren Städten mit anderen rivalisierenden Klubs in genau die gleiche Richtung geht.
Das Turnier der Profis hat am Ende übrigens der 1. FC Köln gewonnen. Aber das spielte an diesem Tag nur eine Nebenrolle.