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Kölner Kolumba Museum
"Wir wollen nachhaltig denken"

Sammeln, Erforschen und Vermitteln - die traditionellen Aufgaben des Museums - seien nur mit kontinuierlicher Arbeit zu leisten und nicht mit dem Veranstalten von Events, sagte der Direktor des Kolumba-Museums in Köln. Darum werde sein Haus in diesem Jahr "ganz bewusst" keine neue Ausstellung konzipieren.

Stefan Kraus im Gespräch mit Anja Reinhardt | 14.09.2018
    Museumsdirektor Stefan Kraus, Leiter des Kolumba Museums Köln posiert am 06.04.2018 in Köln bei einem Pressetermin zur Ausstellung VIP's Union der Künstlerin Haegue Yang im Museum Ludwig die ab 17.04. zu sehen sein wird. Für diese Werkserie stellen u.a. Kölner Prominente ihre Lieblingsstühle zur Verfügung.
    "Eine klare Entscheidung, die ganz in das Profil von Kolumba passt als ein Museum der Nachdenklichkeit" - so Museumsleiter Stefan Kraus im Dlf (dpa / Horst Galuschka)
    Anja Reinhardt: Während das Haus der Kunst in München keine eigene Sammlung hat und Ausstellungen also ganz anders konzipieren kann und muss, stellt das Kolumba-Museum in Köln Objekte und Bilder aus dem eigenen Bestand aus. Zum großen Teil wird hier christliche Kunst gezeigt, das Museum gehört zum Erzbistum Köln - das Konzept war bislang sehr erfolgreich. Das Kolumba ist ein Magnet, was sicher auch dem spektakulären Museums-Neubau des Schweizer Architekten Peter Zumthor geschuldet ist. Aber es sind eben auch die Werke von zum Beispiel Stefan Lochner oder Jannis Kounellis, ein Repertoire, das von der Antike bis zur Nachkriegsmoderne reicht. Bislang hat das Kolumba Museum jährlich zum 14. September eine neue Ausstellung präsentiert – dieses Jahr - heute wäre der Stichtag - wird es keine geben. Stattdessen wird die letztes Jahr eröffnete Schau "Pas de Deux" um ein Jahr verlängert. Warum das so ist, darüber habe ich mich vor der Sendung mit dem Direktor des Kolumba, Stefan Kraus, unterhalten, auch darüber, dass die Verlängerung durchaus als Protest gemeint ist – aber wogegen?
    Stefan Kraus: Ach, ich würde gar nicht sagen: Protest, sondern als eine klare Entscheidung, die ganz in das Profil von Kolumba passt als ein Museum der Nachdenklichkeit. Ich glaube, wer Kolumba verfolgt hat in seiner ganzen Entwicklung, der wird immer wieder gesehen haben, wie wir versucht haben und versuchen, die Arbeit, die wir da machen, an den Inhalten zu orientieren.
    Wenn wir in diesem Jahr auf dieses Markenzeichen verzichten, dann hat das zwei Hintergründe. Der erste ist, dass die Zusammenarbeit mit dem Römisch-Germanischen Museum eine einmalige Chance ist. Das ist mit den Hauptwerken beider Sammlungen – und man muss dazu sagen, beim Römisch-Germanischen Museum handelt es sich um die weltbeste Sammlung römischen Glases überhaupt – eine hoch spannende Angelegenheit. Das ist ein Kosmos, der es verdient hat, dass man ihn noch ein zweites Jahr erleben kann.
    Konzentration auf die Arbeiten im Hintergrund
    Reinhardt: Das hört sich jetzt aber auch schon etwas anders an als in dieser Pressemeldung, wo es ja auch ganz klar heißt: Wir können das eigentlich gar nicht leisten, jedes Jahr eine neue Ausstellung zu konzipieren. Da müssen Sie vielleicht noch mal erklären: Was heißt das denn? Wie viele Mitarbeiter haben Sie zur Verfügung? Was müssen die überhaupt alles machen? Und wieviel Arbeitsverdichtung steckt dahinter?
    Kraus: Ich denke mal, wir nehmen das jetzt zum Anlass, bewusst zu machen, dass wir da eine ganz bewusste Entscheidung treffen, die das noch einmal ins Zentrum rückt, was man vielleicht oft genug vergisst. Sie müssen sich vorstellen: Die Ausstellungen sind in allen Museen eigentlich die große Bühne. Aber wie im Theater auch, bedingt diese Aufführung auf der großen Bühne natürlich, dass im Hintergrund eine ganze Menge stattfindet. Also ist das eigentlich eine Entscheidung, die vorgreift und sagt: Nein, jetzt nach zehn Jahren Wechsel nehmen wir die Gelegenheit wahr und lassen diesen Haupttakt und dieses Hauptmarkenzeichen von Kolumba aus, um uns noch einmal mehr wieder auf diese Arbeiten konzentrieren zu können, die im Hintergrund stattfinden. Denken Sie an die Inventarisation zum Beispiel. Das sind ja alles Tätigkeiten, mit denen man Museen vielleicht gar nicht so sehr identifiziert. Man sieht immer die Oberflächen, man sieht die Fassaden.
    Reinhardt: Nicht das Dahinter.
    "Wir werden alle sehr vordergründig an Ereignissen gemessen"
    Kraus: Man sieht nicht das Dahinter.
    Reinhardt: Ich gehe mal davon aus, dass es noch andere Museumsdirektoren gibt, die genau das gleiche Problem haben wie Sie. Haben Sie das Gefühl, dass sich im, sagen wir mal, Ausstellungsbetrieb, in der Museumslandschaft auch grundlegend etwas verändert hat, das eigentlich dazu führt, dass immer schneller immer spektakulärere Ausstellungen gemacht werden müssen, damit man noch mehr Besucher anlockt? Weil das ja auch immer nach außen transportiert wird, diese Besucherzahlen, die regelmäßig dann wieder noch größer sind, noch mehr steigen.
    Kraus: Frau Reinhardt, das ist für mich in der Tat ein Phänomen, das man auch in seiner politischen Bedeutung mehr und mehr hinterfragen sollte, je erschreckter und aufgeregter und, ich sage auch, angewiderter wir sind über bestimmte Zustände, die sich hier in Deutschland ergeben, die für mich in meiner Generation vor Jahren undenkbar gewesen sind, insofern man sicher fragen muss, wie kommen wir denn eigentlich dahin? Und vielleicht auch mal fragen darf, wie könnten wir denn als Kulturschaffende, Bewusstseinschaffende dagegen arbeiten? Es ist in der Tat ja kein Geheimnis, dass die Museumsszene (aber Sie können genauso gut an die Bühnen gehen, im Grunde genommen eigentlich alle Kulturbereiche, und wahrscheinlich kann man das auf alle Bereiche unserer Arbeit überhaupt übertragen), dass wir alle sehr vordergründig an Ereignissen gemessen werden. Gerade im Kulturbetrieb wird vieles eigentlich nur noch unter dem Gesichtspunkt des Events verbucht, und ohne, dass ich jetzt hier als großer Medienkritiker erscheinen will, aber auch da: Die große Aufmerksamkeit erreicht man nicht durch nachhaltige Arbeit und kontinuierliche Arbeit, sondern man erreicht sie durch das Ereignis.
    Kultur als Kitt der Gesellschaft
    Da wir als Museen natürlich von der Institution her mit den traditionellen drei Säulen des Sammelns, des Erforschens und des Vermittelns tatsächlich eher nachhaltig denken und sich Museen ganz langsam kontinuierlich in ihrer Qualität entwickeln können, ist das eine Grundsatzfrage. Wenn ich sage, das hat eine politische Dimension, dann deshalb, weil ich glaube, dass wir in der Kultur eigentlich den Kitt der Gesellschaft vertreten, sofern wir kein Zielgruppen-Denken verfolgen und die Menschen an Kultur teilhaben lassen mit Vermittlungsformen, die sich wirklich an die Menschen richten, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Bildung und so weiter und so fort, dass wir Verständnis entwickeln für Toleranz, für Komplexität, für Grauwertigkeiten, dass man Dinge nicht schwarz-weiß beurteilt und auf Schlagworte reduziert, sondern mehrdimensional sieht, dass man tatsächlich Zwischenräume erkennt und die Bereitschaft entwickelt, sich auf den Dialog einzulassen, auf den Dialog mit Dingen, die man nicht kennt, die einem fremd sind, die einen auch fordern, auch herausfordern. Dazu ist Kunst ein ideales Medium.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.