Freitag, 29. März 2024

Archiv


Körper: Verfassungsschutzpräsidenten ist massive Illoyalität widerfahren

Der Rücktritt des Verfassungsschutzchefs Heinz Fromm sei ein "Stück Protest gegenüber seiner Behörde", sagt Fritz Rudolf Körper. Bezüglich einer Nachfolge durch den Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes, Alexander Eisvogel, müsse nachgedacht werden, ob dies "die geeignete Personalie ist", sagt der SPD-Politiker.

Fritz Rudolf Körper im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 03.07.2012
    Jasper Barenberg: Von einer "Aktion Konfetti" sprechen die Grünen. Zum Lachen aber ist keinem im Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Zwickauer Terrorzelle zumute. Im Gegenteil: Fraktionsübergreifend herrscht Entsetzen, seit bekannt ist, dass im Bundesamt für Verfassungsschutz Akten im Zusammenhang mit der Mordserie geschreddert wurden, und zwar just in dem Augenblick, als die Taten aufflogen und die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernahm. Aus der abermaligen Ermittlungspanne hat Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm gestern Konsequenzen gezogen: Auf eigenen Wunsch hat ihn Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in den Ruhestand versetzt.
    Hat er damit das Versagen seiner Behörde und sein persönliches Versagen eingestanden? - Das hat mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann den SPD-Politiker Fritz-Rudolf Körper gefragt, der als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium die Aufgabe hat, die Geheimdienste zu kontrollieren.

    Fritz-Rudolf Körper: Ich glaube, dass er ein Stück persönliches Versagen eingeräumt hat. Er nimmt damit ein Stück Verantwortung. Aber ich glaube auch, dass sein Antrag auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ein Stück Protest gegenüber seiner Behörde, gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz ist.

    Dirk-Oliver Heckmann: Inwiefern? Warum sollte denn der Präsident einer Behörde gegen seine eigene Behörde protestieren?

    Körper: Ich sage, der Vorgang, der ihn veranlasst hat zu diesem Schritt, ist ein ungeheuerer - insbesondere ungeheuer, was Illoyalität anbelangt -, und wenn man so etwas in der Arbeit innerhalb einer Behörde feststellt, dann bringt das nicht nur Frustration, sondern ich glaube, das kann einen zu einem solchen Schritt veranlassen.

    Heckmann: Sie meinen die Aktenvernichtung, die in der vergangenen Woche bekannt geworden ist, nämlich die Akten über die Anwerbung von rechtsextremen V-Leuten. Viele sagen jetzt, der Verdacht liegt nahe, dass mit dieser Aktenvernichtung einiges vertuscht werden sollte. Teilen Sie solche Bedenken?

    Körper: Diese Bedenken kann ich nicht teilen, weil das im Moment sich im Bereich der Spekulation befindet. Wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte, dann wäre das noch ungeheuerlicher, wie der Vorgang insgesamt schon ohnehin ist.

    Heckmann: Lassen Sie mich Ihre Worte ein bisschen interpretieren. Sie haben den Eindruck, möglicherweise könnte so etwas wie eine Intrige im Spiel gewesen sein?

    Körper: Das kann ich nicht sagen. Jedenfalls das war eine Illoyalität ohne Ende, was Herr Fromm hier erfahren hat, und ich glaube, dass ein solcher Vorgang mit einer solchen Massivität im Grunde genommen ein fast einmaliger ist.

    Heckmann: Ich habe es gerade eben schon erwähnt: Es geht um Akten über die Anwerbung von rechtsextremen V-Leuten. Schließen Sie nach heutigem Stand aus, dass unter den Terroristen der NSU V-Leute gewesen sind und dass vielleicht deshalb nichts gegen sie unternommen worden ist?

    Körper: Das kann ich nicht beurteilen, wie das sich im Moment verhält. Ich habe ein Wissen, das mich das ausschließen lässt. Aber ich sage jetzt mal, diese Vorgänge sind natürlich deshalb so problematisch, weil sie der Spekulation Tor und Tür öffnen, und das ist nicht gut so. Ich würde sagen, im Moment können wir nur hoffen, dass sich die Sachverhalte bestätigen, wie wir sie derzeit erfahren haben.

    Heckmann: Das heißt, ich habe Sie richtig verstanden, man kann davon ausgehen, dass unter diesen Terroristen eben keine V-Leute gewesen sind?

    Körper: Da kann man davon ausgehen. Aber ich will das nicht mit letzter Sicherheit sagen, denn dazu habe ich ja keinen Aktenzugang.

    Heckmann: Heinz Fromm spricht selbst von einem erheblichen Vertrauensverlust und von einer gravierenden Beschädigung des Ansehens des Amtes, und wenn Sie selbst von diesen Illoyalitäten sprechen, muss man dann nicht davon ausgehen, dass man den Verfassungsschutz möglicherweise nicht viel besser auflöst und völlig neu anfängt?

    Körper: Also den Verfassungsschutz brauchen wir. Der Verfassungsschutz ist für die Demokratie und für die Bürgerinnen und Bürger da. Wenn wir zu dem Ergebnis kämen - ich spreche jetzt bewusst im Konjunktiv -, er würde seiner Aufgabe nicht mehr gerecht, dann wäre eine solche Frage, glaube ich, angebracht. Aber das ist nicht der Fall. Wir müssen jetzt aus diesen Vorgängen lernen, wo insbesondere auch ein Stück Reformbedarf ist im Bereich der Verfassungsschutzbehörden. Das, glaube ich, ist der richtige Ansatz, und ich hoffe, dass auch der Untersuchungsausschuss dazu uns ein paar Erkenntnisse bringt.

    Heckmann: Wie kommen Sie denn zu der Annahme, dass das Amt seiner Aufgabe gerecht wird, nach dem allem, was jetzt bekannt geworden ist?

    Körper: Ich will jetzt nicht darüber spekulieren, was die Frage "Kampf gegen Rechtsextremismus" anbelangt, was man früher beispielsweise an Fehlern begangen hat, diese Abteilungen Links- und Rechtsextremismus und dessen Bekämpfung zusammenzulegen, aber ich glaube schon, das was wir erleben, ist schon so, dass man zu dem Ergebnis kommen kann, dass der Verfassungsschutz im Sinne unserer Verfassung tätig gewesen ist. Das was den NSU-Komplex anbelangt, da, Herr Heckmann, wenn Sie darauf abzielen, ich glaube, da kann ich nur Herrn Fromm zitieren, der gesagt hat, das war eine eindeutige Niederlage der Sicherheitsbehörden in Deutschland, allerdings nicht nur der Verfassungsschutzbehörden.

    Heckmann: Jetzt wird über die Nachfolge von Heinz Fromm spekuliert. Im Gespräch ist da Alexander Eisvogel, er ist Vizepräsident derzeit. Aber der war ja bereits während der NSU-Terrorserie ebenfalls im Amt. Bräuchte es also nicht einen völlig neuen Kopf?

    Körper: Also da bin ich der Auffassung, man kann nicht einfach so weitermachen wie bisher, auch bei dieser Personalie nicht, denn Sie haben richtigerweise festgestellt, Herr Eisvogel war der zuständige Vizepräsident, insbesondere auch zuständig für die Aufklärungsarbeit zum NSU-Komplex, und deswegen, denke ich, muss man darüber nachdenken, ob man über eine Nachfolge so redet, ohne diese Hintergründe zu beachten.

    Heckmann: Das heißt für Sie, Herr Alexander Eisvogel scheidet im Prinzip aus?

    Körper: Für mich bedeutet es insbesondere, dass man darüber nachdenkt, ob das in dieser Situation in der Tat die geeignete Personalie ist.

    Barenberg: Der SPD-Politiker Fritz-Rudolf Körper im Gespräch mit meinem Kollegen Dirk-Oliver Heckmann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.