Samstag, 20. April 2024

Archiv

Kohleausstieg und seine Folgen
Universität für Gelsenkirchen gefordert

Dortmund, Bochum, Duisburg-Essen – und bald auch Gelsenkirchen? Oberbürgermeister Frank Baranowski fordert auch für seine Stadt eine Universität. Er und seine Unterstützer erhoffen sich davon einen Aufschwung für das nördliche Ruhrgebiet, insbesondere nach dem Kohleausstieg.

Von Kai Rüsberg | 04.02.2019
    Blick über Gelsenkirchen am Abend.
    "Es kann nicht dabei bleiben, dass das nördliche Ruhrgebiet, was universitäre Einrichtungen angeht, ein leerer Fleck auf der Landkarte bleibt", sagt Frank Baranowski, der Gelsenkirchener OB. (picture alliance / blickwinkel)
    In Gelsenkirchen fühlt man sich häufig vernachlässigt. In Städterankings zum Investitionsstandort liegt man meist weit hinten, in der Arbeitslosenstatistik dagegen seit Jahren weit vorn.
    Eine Universität, die wiederum renommierte Institute nach sich zieht, könnte dies ändern, meint Oberbürgermeister Frank Baranowski: "Kann nicht sein, dass sich im mittleren Ruhrgebiet, im südlichen Ruhrgebiet, die Universitäten wie die Perlen auf einer Kette aufreihen: Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg. Wenn Sie ins nördliche Ruhrgebiet schauen, haben wir gute Fachhochschulen, aber keine einzige Universität."
    Von der Gelsenkirchener Innenstadt sind es gerade einmal zehn Kilometer zur Universität in Essen und 16 Kilometer bis zur Universität in Bochum. In der Stadt selbst gibt es zwei Fachhochschulen: die westfälische Hochschule und eine für öffentliche Verwaltung. Doch das reiche nicht.
    Frank Baranowski: "Man kann die Fachhochschule natürlich ausbauen, was ändert nichts daran, dass insbesondere außeruniversitäre Forschungseinrichtung sehr selten an Fachhochschulen gehen. Das ist etwas was sich im Umfeld von Universitäten abspielt. Aber daran mangelt es ja. Aber klar muss sein, es kann nicht dabei bleiben, dass das nördliche Ruhrgebiet, was universitäre Einrichtungen angeht, ein leerer Fleck auf der Landkarte bleibt."
    Baranowski meint, dass insbesondere Fachrichtungen, die sich mit dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandel beschäftigen, sich hier besonders anbieten würden: "Und darüber hinaus gibt es auch Themen die man hier im nördlichen Ruhrgebiet hervorragend auch mit Studiengängen belegen kann. Zum Beispiel den Strukturwandel in seiner ganzen Breite - das ist ja wie ein Labor, das ließe sich hier hervorragend auch thematisieren. Das Thema Digitalisierung, das könnte hier auch ein Schwerpunkt haben."
    Digitalisierung oder Freizeitwirtschaft?
    Experten bezweifeln allerdings, ob es in diesem Themenspektrum überhaupt Platz für neue Gründungen gäbe, die nicht bereits in der Universitätsallianz der Unis in Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen bereits abgedeckt sind. Von der Stiftung Mercator kommt der Einwand, dass eine zusätzliche Uni deren Stellung sogar schwächen könnte.
    In Gelsenkirchen selbst gibt es aber viel Sympathie für die Idee einer Emscher-Uni. Die Leitung einer Fachhochschule, der westfälischen Hochschule, unterstützt die Pläne, so wie auch Helmut Hasenkox, dort Lehrstuhlinhaber im Bereich Kulturmanagement.
    Helmut Hasenkox: "Es gibt ja auch eine ganze Reihe Schwerpunkte, die bislang nicht besetzt sind. Zum Beispiel den Bereich den wir hier in Gelsenkirchen beackern, also in diesem Schwerpunkt: Kultur, Medien und Freizeitwirtschaft. Ich hab Studenten aus Leipzig, aus Berlin die eigens zu dem Studium herkommen. Ein Bachelorstudium ist meistens natürlich relativ flach aufgestellt und da jetzt sozusagen entsprechende Masterstudien aufzusetzen und das ein bisschen wissenschaftlich zu vertiefen, täte der Sache gut.
    Im Wissenschaftsministerium NRW äußert man sich nur zurückhaltend: eine Entscheidung über eine Neugründung sei nicht geplant.
    Die Wirtschaft in Gelsenkirchen steht hingegen hinter dem OB. Bei der Industrie- und Handelskammer sieht man eine Unterversorgung mit Forschungseinrichtungen und Roland Hundertmark ist begeistert. Er ist Vorsitzender der Wirtschaftsinitiative, die sich als Impuls- und Ideengeber für die Stadt sieht.
    "Fachkräfte in der eigenen Region züchten"
    Roland Hundertmark: "Wir als Unternehmer suchen Fachkräfte und das Thema Fachkräftemangel ist sicherlich seit zehn Jahren aktuell, aber mittlerweile wird das ernst genommen und wenn wir jetzt nicht beginnen, die Fachkräfte in eigenen Reihen, das heißt in der eigenen Region zu züchten, dann werden wir nie eine Chance haben diese Region weiterzuentwickeln."
    Offen wäre zudem die Finanzierung. Jüngste Neu-Gründungen, wie die Technische Universität in Nürnberg, verursachen Kosten von weit mehr als einer Milliarde Euro. Oberbürgermeister Baranowski schrecken solche Zahlen nicht. Statt alle Gelder aus der Kompensation für den Rückbau der Kohle in die Braunkohlereviere bei Aachen fließen zu lassen, sei nun auch das nördliche Ruhrgebiet dran:.
    Frank Baranowski: "Wir reden über 15 Mrd. für Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Kohlekompromisses. Ich finde da ist eine Milliarde für das nördliche Ruhrgebiet, für diese Region, dann nicht unangemessen."