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Koloman-Moser-Retrospektive in München
Ein Mann für alle Künste

Das Gesamtwerk von Koloman Moser fasziniert bis heute. Er war Maler, Bildhauer, Stoff – und Schmuckdesigner, zahllose Klassiker des Jugendstils gehen auf seine Entwürfe zurück. Die Villa Stuck in München ehrt den Universalkünstler in einer prachtvollen Ausstellung.

Von Christian Gampert | 25.05.2019
Undatiertes Portrait von Koloman Moser (1868-1918), einem der Gründungsväter der Wiener Moderne
Koloman Moser - Seine Objekte wirkten wie Magneten auf das Wiener Großbürgertum (picture alliance / Fine Art Images)
Koloman Moser konnte fast alles: Möbel, Schmuck, Geschirr, Stoffe, Innenarchitektur. Ursprünglich als Maler ausgebildet, war Moser der heimliche Kopf hinter dem Aufbruch der Wiener "Secession" ab 1897. Er designte äußerst sparsam die Ausstellungs-Architektur im neu errichteten Secessions-Gebäude, er verpasste der club-eigenen Zeitschrift "Ver Sacrum", heiliger Frühling, ein an japanischer Gestaltung orientiertes luftiges Layout, ein Corporate Design; er schuf wegweisende Innenräume, mit denen auch das Wiener Großbürgertum renommieren konnte und sich nun der Moderne öffnete.
Motor des Jugendstils
Natürlich kennt man den Wiener Jugendstil vor allem über die Malerei des Gustav Klimt. Aber ihre alltags-ästhetisierende Wirkung mit ihren kurvilinearen, geschwungenen Formen auch in der Gebrauchskunst, die entfaltete die Bewegung erst durch eine vielseitige Figur wie Koloman Moser. Diese Entwicklung zu zeigen, ist für die Münchner "Villa Stuck" nicht ganz einfach: Die plüschige Repräsentationskultur des Wiener Malerfürsten Hans Makart musste abgeschafft, das ständige Zitieren historischer Stile überwunden werden.
"Die jungen Künstler wollen mit diesem alten Stil des Historismus nicht mehr leben, Otto Wagner, der Architekt, zeigt Ihnen ja, wie das in der Architektur geändert werden kann. Und sie haben nun jetzt die Idee, Möbel, also die Innenraumgestaltung, eben auch einem neuen Stil anzupassen", sagt Kuratorin Elisabeth Schmuttermeier.
Von Otto Wagner, dem Erbauer der Wiener Stadtbahn, stammt auch das unschlagbare Diktum, etwas Unpraktisches könne "nicht schön sein". Für Koloman Moser war das Gesetz: Er designte gebrauchsfreundlich und erlesen schön.
Egal, ob Aschenbecher, Kerzenleuchter oder Tintenfass - stets sieht man bei diesen Gegenständen noch eine skulpturale Idee, einen Begriff von Weltverbesserung. Mosers Entwürfe für silberne Broschen, Halsketten, Vasen, Schreibsekretäre und Zigarrenschränke sind die frühe Vorwegnahme des "form follows function", aber bitte als Verfeinerung der Lebensart.
Liebling der Wiener Damen
Die selber sehr luftig und übersichtlich designte Ausstellung in der Münchner Villa Stuck führt nun vor, wie Moser um 1900 den geschwungenen Stil durch schlichte, geometrische Formen ersetzt, die seltsamerweise aus dem Biedermeier stammen: Das Quadrat-Dekor wird zum neuen Signet des Wiener Jugendstils, immer wieder, auch auf den Möbeln, ergänzt mit floralen Ornamenten, Tieren, Fischen, ägyptisch anmutenden Jungfrauen.
Zentrum der Ausstellung ist die 1903 von Moser - zusammen mit dem Architekten Josef Hoffmann - gegründete "Wiener Werkstätte", die handgefertigte und somit teure Gebrauchsgegenstände produzierte. Während Hoffmann auch in der angewandten Kunst das Gesetzte, Kompakte, Gewichtige favorisiert, weicht Moser immer wieder ins Spielerische aus, besonders im Schmuck. Ständig wechselte er seine Formen.
"Und da gibt es ein ganz nettes Bonmot vom Gustav Klimt, das publiziert ist, der sagt: Wenn man in eine Ausstellung geht und nicht weiß, ob der Gegenstand vom Josef Hoffmann oder vom Kolo Moser entworfen ist … Man braucht nur sehen, wer davor steht. Vor den Gegenständen vom Josef Hoffmann stehen die Männer, und vor den Gegenständen von Kolo Moser die Damen."
Eine bescheidene Universalbegabung
Die "Wiener Werkstätte" lieferte vor allem fürs Großbürgertum. Der von den ständigen Finanzverhandlungen mit reichen Menschen genervte Koloman Moser zog sich 1907 zurück in die Malerei – seine flächigen Landschaften ähneln denen von Ferdinand Hodler. Mosers Bühnenbilder, er arbeitete für Theater, Kabarett und Oper, haben eine große Klarheit und übernehmen zum Teil frühere Raum- und Möbelentwürfe – in der Ausstellung sieht man übrigens ein ganzes Zimmer mit rechteckig geometrisierten Schränken.
Als Moser 1918, mit 50 Jahren, an Kehlkopfkrebs starb, war er der einflussreichste Lehrer der Wiener Kunstgewerbeschule und hatte noch einiges vor. Und er war ganz offenbar ein guter Mensch und kein Konkurrenzhansel. Diese sehr schöne Ausstellung setzt dem universal Begabten und Freundlich-Bescheidenen nun ein längst fälliges Denkmal.