Donnerstag, 28. März 2024

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Koloniales Kulturerbe
Ruf nach Aufarbeitung

Die koloniale Vergangenheit Deutschlands und der Umgang mit dem kolonialen Kulturerbe war Thema im Bundestag. Die Meinungen gingen weit auseinander. Die AfD sprach von Ausverkauf, die Grünen von einem Vergessen für die Verantwortung. Dieser Teil der deutschen Vergangenheit müsse aufgearbeitet werden.

Von Christiane Habermalz | 22.02.2019
Bremen: Der Wissenschaftler Ndzodo Awono legt im Schaumagazin des Überseemuseums eine Pfeife aus Kamerun zurück an ihren Platz.
Kunst aus Kamerun im Überseemuseum Bremen (picture alliance/dpa - Carmen Jaspersen)
Es ist das erste Mal in dieser Legislaturperiode, dass der Bundestag sich mit dem Thema beschäftigt. Und dass, obwohl das Ziel der Aufarbeitung der deutschen kolonialen Vergangenheit sogar im Koalitionsvertrag steht. Da sei es doch traurig, so der kulturpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Hartmut Ebbing, dass die dringend notwendige Debatte darüber im Bundestag erst von der Opposition angestoßen werden muss. Es sind die Grünen, die mit einem Antrag "zur kulturpolitischen Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes" eine erste hitzige Diskussion unter den Abgeordneten auslösen. Hitzig deshalb, weil die AfD kräftig mitmischt.
Die finden nämlich die ganze Rückgabe-Thematik nicht nur völlig überflüssig, sondern auch unverantwortlich, beklagt AfD-Kulturpolitiker Marc Jongen.
"Ja meine Damen und Herren, es wird munter weitergehen mit dem Ausverkauf unseres Landes, das wird inzwischen ganz unverhohlen angekündigt. Und einmal mehr wird hier in der deutschen Politik Moral oder besser Moralismus über das Recht gestellt."
Leiden an kolonialer Amnesie
Es gehe gar nicht um die Objekte selbst, sondern um die Kultivierung eines deutschen Schuldkomplexes, die am Ende die unkontrollierte Einwanderung afrikanischer Migranten rechtfertigen solle. In einer eigenen Großen Anfrage wollte die AfD wissen, ob die Bundesregierung Hinweise habe, dass die kuratorischen und konservatorischen Leistungen deutscher Museen bei der Aufbewahrung afrikanischer Kulturgüter denn in Afrika ausrechend anerkannt würden? Dem SPD-Abgeordneten Helge Lindh platzte daraufhin der Kragen.
"Geht‘s noch? Wo sind wir denn? Wir sind diejenigen, die uns mit der Schuld der Täter als deren Nachkommen auseinandersetzen wollen, und jetzt werfen wir den Nachommen der Betroffenen vor, die hätten unsere restauratorischen Leistungen bei gestohlenem Gut würdigen müssen! Nicht ernsthaft."

Aber gehen wir der Reihe nach. Kirsten Kappert-Gonther, bei den Grünen zuständig für das Thema Gedenkpolitik will die Bunderegierung beim Wort nehmen. Deutschland leide unter kolonialer Amnesie. Die Verbrechen des deutschen Kolonialismus seien Teil der deutschen Vergangenheit und müssten endlich wirklich aufgearbeitet werden. Dazu brauche es mehr Geld für Provenienzforschung, eine gesetzlichen Grundlage für systematische Rückgaben von geraubten Kulturgütern - und vor allem auch einen nationalen Gedenkort für die Opfer des deutschen Kolonialismus. Und zwar in Berlin, dem Ort, an dem 1884 die Afrika-Konferenz stattfand, bei der die europäischen Mächte den afrikanischen Kontinent untereinander aufteilten.

"Es geht darum, endlich einen verantwortungsvollen Umgang mit unserem kolonialem Erbe zu finden. Wir brauchen unabhängig vom Humboldtforums eine zentrale und sichtbare Stätte des Erinnerns und des Lernens."
Erinnern an deutsches Unrecht
Klare Worte fand die Linkspartei. Der deutsche Kolonialismus sei ein Unrechtsregime gewesen, und das müsse auch so endlich deutlich benannt werden, mahnte die Abgeordnete Brigitte Freyhold.
"Was für die NS-Terrorherrschaft, gilt auch für die deutschen Kolonialverbrechen. Daraus erfolgen Konsequenzen für die Aufarbeitung. Anerkennung des Genozids an den Herero und Nama.

Entschädigung. Wiedergutmachung. Rückgabe geraubter Kulturgüter. Und nicht zuletzt die Sensibilisierung unserer Gesellschaft in der schulischen, politischen und kulturellen Bildung."
Denkmal ja, aber nicht an erster Stelle, argumentiert dagegen der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling. Davor müsse zunächst ein breiter gesellschaftlicher Diskurs geführt werden.
"Es ist keinem damit geholfen, kurzerhand eine Erinnerungsstätte zu bauen. Die Entscheidung darüber kann nicht am Anfang einer Debatte stehen, man nehme nur den Vorschlag von Professor Parzinger, einen Raum der Stille zum Gedenken an die Opfer von Kolonialismus im Humboldtforum einzurichten, womit er eine breite Diskussion ausgelöst hat."
Die Bevölkerung, so die Botschaft, ist noch nicht so weit. Der Antrag der Grünen wird erst einmal an den Kulturausschuss überwiesen. Immerhin, die politische Debatte ist eröffnet. Die Diskussion hat den Bundestag erreicht. Das Denkmal für die Ermordung der europäischen Juden Europas hat von der ersten Idee über unzählige parlamentarische Debatten bis zur Errichtung mehr als 15 Jahre gebraucht. Ganz so lange wird es mit einem Mahnmal an die Verbrechen des Kolonialismus hoffentlich nicht dauern.