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Kolumbien
"Man muss zur Vergebung bereit sein"

Seit über zwei Jahren führen die kolumbianische Regierung und die linksgerichtete FARC-Guerilla Friedensgespräche. Derzeit wird über die Opfer des Konfliktes gesprochen. Einige von ihnen sitzen auch in der kolumbianischen Regierung, die auf Aussöhnung setzt, sowie im Parlament.

Von Julio Segador | 28.01.2015
    Opfer des Bürgerkriegs in Kolumbien bei einer Pressekonferenz in Havanna. Hier finden Friedensgespräche statt
    Opfer des Bürgerkriegs in Kolumbien bei einer Pressekonferenz in Havanna. Hier finden Friedensgespräche statt (AFP PHOTO/Adalberto Roque )
    Jedes Mal wenn Yesid Reyes in Bogotá am Rathaus vorbeigeht, wird er nachdenklich. Dort sitzt als Bürgermeister jener Mann, der vor fast 30 Jahren für den Tod seines Vaters mitverantwortlich war. Yesid Reyes Senior arbeitete damals im Justizpalast, als die linksgerichtete Guerillagruppe M 19 das Gebäude stürmte. Bei den Kämpfen kamen damals fast 100 Menschen um, darunter der Vater von Yesid Reyes.
    Gustavo Petro mit einem Mikrofon
    Gustavo Petro, Bürgermeister von Bogotá und ehemaliger M-19-Kämpfer (dpa / picture alliance / Klaus Rose)
    Fünf Jahre nach dem Terrorangriff unterschrieben die M-19-Guerilleros einen Friedensvertrag, viele wurden begnadigt, einer davon war Gustavo Petro, der heutige Bürgermeister Bogotás. Yesid Reyes Junior, heute Justizminister Kolumbiens, hegt keinen Groll:
    "Gustavo Petro war Mitglied der Guerillaorganisation M 19, jetzt ist er als Bürgermeister an der Spitze der Stadtverwaltung von Bogotá. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Denn die M-19-Guerilla stellte den Kampf ein, willigte in einen Friedensprozess ein. Und eine fundamentale Voraussetzung dazu war, dass sie sich wieder in die Gesellschaft eingliedern. Und genau das sehen wir im Rathaus.
    Unterstützer von Bürgermeister Gustavo Petro in Bogotá
    Unterstützer von Bürgermeister Gustavo Petro in Bogotá (AFP PHOTO/Guillermo Legaria)
    Vier Minister im Kabinett von Präsident Juan Manuel Santos sind Opfer des Guerilla-Terrors in Kolumbien, dazu mehr als 30 Abgeordnete im Kongress. Viele von ihnen haben ihre Eltern verloren, manche waren entführt. Juan Fernando Cristo ist heute Innenminister Kolumbiens. 1997 erlebte er, wie sein Vater Senator Jorge Cristo in einem Wagen von den linksgerichteten ELN-Rebellen in die Luft gejagt wurde. Juan Fernando Cristo ist heute einer der Befürworter der Friedensgespräche.
    "Dass ich in den Senat gewählt wurde, hatte viel mit dem Gesetz zur Entschädigung der Opfer und der Rückgabe der besetzten Landstriche zu tun. Und das ist auch genau das, was man beitragen muss. Aus der Position des Opfers an die Kolumbianer appellieren, bereit zu sein zur Versöhnung, zur Vergebung."
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    FARC-Vertreter versuchen mit einem Schuldeingeständnis bei den Opfern des Guerilla-Terrors für ihren Friedensschluss mit der kolumbianischen Regierung (picture alliance / dpa / Ernesto Mastrascusa)
    Wie geht man mit den Tätern des jahrzehntelangen Bürgerkriegs in Kolumbien um? Eine Frage, die zentral ist bei den laufenden Friedensgesprächen auf Kuba. Und Juan Fernando Cristo weiß, dass die Regierung vielen Opfern eine Menge abverlangt.
    Erst kürzlich bei einem Opferkongress in Bogotá bekam Innenminister Cristo den geballten Zorn enttäuschter Bürger zu spüren. Zorn wie der dieses Mannes, dessen Sohn vor Jahren von den FARC entführt und getötet wurde:
    "Die Opfer des Terrors sind keine Clowns. Und es kann nicht sein, dass die Regierung kommt und ihnen noch weitere Ohrfeigen verpasst. Damit werden wir erneut zu Opfern."
    Innenminister Juan Fernando Cristo musste durch den Hintereingang aus der Halle. Für viele Kolumbianer ist es nur schwer zu erdulden, dass die Entführer, Folterer und Mörder in Havanna mit der Regierung auf Augenhöhe verhandeln. Und dass manche von ihnen unter Umständen straffrei bleiben werden. Doch es bleibe wohl keine andere Möglichkeit, glaubt Innenminister Juan Fernando Cristo.
    "Es gibt weltweit keinen Friedensprozess ohne Straferlass, ohne dass die Justiz bestimmte Opfer erbringt, das muss so sein, es geht nicht anders."