Freitag, 19. April 2024

Kolumne
Konfusion um Kandidaten

Als wäre Europapolitik nicht schon kompliziert genug. Mit der Präsentation ihrer Kandidatinnen und Kandidaten zur bevorstehenden Wahl zum Europäischen Parlament haben sich die politischen Organisatoren keinen Gefallen getan, sondern, vor allem in Deutschland, für zusätzliche Verwirrung der Wählerinnen und Wähler gesorgt.

19.05.2014
    Eine Kaffeetasse in den Farben der Europaflagge
    Hierzulande gibt es drei Angebotsebenen. Da wären zunächst einmal die europäischen Spitzenkandidaten, bei denen mit Martin Schulz für die Sozialdemokraten und Ska Keller für die Grünen immerhin zwei Deutsche nominiert worden sind. Bei der Fernsehdebatte der fünf wichtigsten Kandidaten traten auch der Luxemburger Jean Claude Juncker für die Europäische Volkspartei, also die Konservativen, der Belgier Guy Verhofstadt für die Liberalen und der Grieche Alexis Tsipras für die Linke in Europa an.
    Das war schon allein deshalb bedenklich, weil es im Europa-Parlament auch noch andere politische Fraktionen und 30 unabhängige Mandatsträger gibt. Eines immerhin hat die vielsprachige TV-Diskussion erwiesen: Der Dolmetscherdienst funktioniert ausgezeichnet.
    Überangebot
    Obendrein plakatiert die Union zusätzlich und großflächig Bundeskanzlerin Angela Merkel, die überhaupt nicht zu Wahl steht. Zumindest nicht direkt. Aber „Madame Europa", wie sie oft genannt wird, kann das deutsche Wahlergebnis – je nach Ausgang- natürlich auch für sich und ihre Europapolitik reklamieren.
    Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass bei diesem nicht nur gefühlten Überangebot an Kandidatinnen und Kandidaten das deutsche Wahlvolk zusätzlich irritiert werden kann.
    Ob dies zu einer höheren Wahlbeteiligung als bisher führt, bleibt zweifelhaft. Zumal im deutschen Verbalgefecht die bayerische CSU mit drastischer Kritik am Sozialdemokraten Martin Schulz für negative Schlagzeilen sorgt. Zuletzt hat ihn Markus Ferber als „Geschäftsführer für afrikanische Schlepperbanden" denunziert, weil Schulz eine liberalere Asyl- und Integrationspolitik fordert.
    Bärendienst
    All dies mag für populistische Aufmerksamkeit sorgen, der Wahlmotivation wird damit ein Bärendienst erwiesen. So ist und bleibt EU-Europa das „unverstandene Unwesen": Komplizierte Politik, Konfusion um Kandidaten und demokratische Defizite, weil letztlich die Staats- und Regierungschefs den nächsten Kommissionspräsidenten vorschlagen. Dem Parlament bleibt lediglich das formelle Recht, ja oder nein zu sagen. Schade, Europa!
    Rainer Burchardts Kolumne zum Nachhören