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Kometenmission Rosetta
Landung in der Sandkiste

Kaum am Komet 67P angekommen, beginnt für die Sonde Rosetta die eigentliche Kometenmission: Ein Lander soll auf der Oberfläche aufsetzen. Der Leiter der Landemission, Stephan Ulamec, versucht mit seinem Team einen geeigneten Platz dafür zu finden. Leicht werde das nicht, sagte Ulamec im DLF.

Stephan Ulamec im Gespräch mit Ralf Krauter | 06.08.2014
    Der Projektleiter von der Landeeinheit "Philae", Stephan Ulamec, sitzt in Weßling (Bayern) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) neben einer Versuchsanordnung mit der die Harpune von "Philae" getestet werden soll.
    Der Projektleiter von der "Rosetta"-Landeeinheit "Philae", Stephan Ulamec (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Ralf Krauter: Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt leitet die Landemission Philae an Bord von Rosetta, und ich habe ihn vorhin gefragt, wie feucht seine Hände waren, als heute Vormittag die Kommandos gegeben wurden für das Einschwenken in den Kometenorbit.
    Stephan Ulamec: Na, das war schon ein emotionaler Moment, würde ich mal sagen. Ich war nicht übermäßig nervös, es haben die Manöver vorher eigentlich alle gut funktioniert, aber das war jetzt eben wirklich so der Meilenstein, von dem ab wir sagen können, jetzt sind wir beim Kometen, jetzt beginnt wirklich im engeren Sinne die Kometenmission von Rosetta.
    Krauter: Beeindruckend waren ja die hochauflösenden Bilder des Kometen, die teils schon im Vorfeld rumgeschickt wurden, jetzt aber eben immer hochauslösender und präziser werden. Hat das, was Sie bisher durch die Sonde Rosetta über den Kometen gelernt haben, Ihre Aufgabe schwerer oder leichter gemacht, da einen Lander auf der Oberfläche abzusetzen?
    Ulamec: Na, wir wussten immer, das wird nicht leicht, auf einem Kometen zu landen, und die Bilder, die wir jetzt gesehen haben, die bestätigen diesen Eindruck. Zunächst hatten wir natürlich schon vor einiger Zeit die Überraschung bezüglich der Form, diese - ja, manche Leute sagen Badeentenform - das hat uns noch nicht so besonders erschreckt, aber jetzt bekommen wir auch die hochaufgelösten Bilder, jetzt sehen wir die Rauigkeit von dem Kometen, und das wird eine ganz, ganz spannende Aufgabe in den nächsten Wochen und Monaten, hier einen geeigneten und auch sicheren und relativ flachen Landeplatz zu suchen.
    Krauter: Ihre Kollegen haben vorhin schon animierte Aufnahmen des Kometen veröffentlicht, wo potenzielle Landeplätze mit grünen Punkten markiert sind. Wie gehen Sie jetzt vor, um aus Dutzenden möglichen Landeflächen den einen zu wählen, den Philae dann letztlich ansteuern soll?
    Ulamec: Das ist ein generischer Prozess, den wir ausgearbeitet haben, bevor wir wussten, wie der Komet aussieht. Wir werden Ende August fünf potenzielle Landeplätze aussuchen, die müssen alle bahndynamisch gut erreichbar sein, die müssen eine gute Beleuchtung haben - wir wollen ja nicht zum Beispiel am Nachtpol landen, wir wollen Sonne und Licht dort haben. Und die Oberfläche muss relativ flach sein, also man wird nicht gerade dort, wo sehr viele Krater oder Gletscherspalten sind, zu landen versuchen. Und wenn wir dann diese fünf Landeplätze untersucht haben, dann werden die mit der Osiris-Kamera noch besser aufgelöst untersucht, damit bekommen wir noch bessere Bilder und werden aus diesen fünfen, noch mal ungefähr einen Monat später, dann unsere Nominal- und Backup-Landing-Site aussuchen, also zwei. Die werden dann noch mal näher untersucht, und dann werden wir Mitte Oktober, also ungefähr einen Monat vor der Landung am 11. November uns auf das Landegebiet festlegen und wirklich das Finetuning machen und das genaue Szenario dann im Detail ausarbeiten, wie diese Separation und die Landung zu erfolgen haben.
    Krauter: Bei der Landung sollen dann ja auch Harpunen zum Einsatz kommen, mit denen sich Philae sozusagen an der Oberfläche festkrallen soll. Wie sicher kann man sein, dass das wie geplant funktioniert? Denn letztlich konnten Sie das ja nie unter ganz realistischen Bedingungen testen, alles.
    Ulamec: Ja, das sind zwei Harpunen, wie Sie erwähnt haben, um den Lander zu verankern. Harpunen wurden gewählt, weil die in einem recht weiten Bereich von Oberflächenhärten funktionieren. In hartem Material verankern sie gut, auch wenn sie nicht so tief eindringen. In weichem Material dringen sie eben tiefer ein, verankern sich eben dann aber trotzdem gut. Wir hoffen also, dass diese Harpunen auf dem Kometen gut funktionieren werden, auch wenn wir, wie Sie gesagt haben, die ganz realistischen Bedingungen, wie sie am Kometen herrschen, nie testen konnten. Und auch wenn wir jetzt immer noch nicht wissen, wie die Kometenoberfläche wirklich beschaffen ist. Das wird eine Überraschung.
    Krauter: Klar scheint ja schon zu sein, dass es da wesentlich mehr Staub gibt, als man erwartet hat. Könnte das ein Problem sein?
    Ulamec: Ich glaube nicht, dass es ein Problem ist. Es ist aber auch ein bisschen anders, als wir uns Kometenoberflächen vorgestellt haben vor über zehn Jahren, als der Lander designt wurde. Da war unsere Hauptangst, dass der Komet aus porösem, aber hartem Eis besteht mit Staub. Und da war die Hauptgefahr das Abprallen von dieser Eisoberfläche. Wenn das nunmehr so staubig ist, eine Sandkiste, dann ist das Abprallen weniger eine Gefahr, und wir hoffen, dass wir nicht zu tief einsinken, wenn das Material sehr weich ist.
    Krauter: Warum ist die Landung auf dem Kometen so wichtig? Welche Art von Informationen erhofft man sich, direkt von der Oberfläche dann zu gewinnen, die sich jetzt aus dem Orbit allein nicht gewinnen lassen?
    Ulamec: Na ja, das Interessante ist ja das Material im Kometenkern. Das ist das Material, das mehr oder weniger über geblieben ist aus der Entstehungszeit des Sonnensystems. Und der Orbiter misst das Gas in der Koma, er misst den Staub, der vom Kometen weggeschleudert ist. Aber irgendwie werden sich diese Stoffe verändern oder sie werden differenziert. Der Lander bietet hier eine, was man "Ground Truth" nennt, also wirklich die Messung direkt vom Boden. Und wir haben sogar einen Bohrer an Bord, der so ungefähr 20 Zentimeter tief durch eine mögliche Kruste bohren könnte und von unten Proben nehmen. Also, selbst wenn es eine Kruste gibt, können wir zu diesem ganz pristinen und ursprünglichen Material vordringen, und das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.