Das Bündnis Sahra Wagenknecht legt in diesem Jahr einen politischen Schnellstart hin. Der Treibstoff für das BSW: Eine charismatische Führungsfigur, eine ins Demagogische neigende Fundamentalkritik an den politischen Verhältnissen, dazu noch eine gehörige Portion Nostalgie. Und, vielleicht das Wichtigste: Genügend programmatische Unschärfe, um mehr Projektionsfläche als Partei zu sein.
Damit fährt das Wagenknecht-Projekt bislang ausgezeichnet. Die schwierigen Kurven, um im Bild zu bleiben, kommen aber noch: Denn eigentlich kommt eine Regierungsbeteiligung dem BSW gar nicht zupass. Einmal, weil das Prinzip der Top-Down-Führung erstmals auf die Probe gestellt wird. Denn wenn sich in Sachsen und Thüringen eigene BSW-Machtzentren bilden, wird der Wunsch nach Autonomie zunehmen. Gerade bei der pragmatischen Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf ist bereits jetzt deutlich, dass sie einen völlig anderen Politikstil als Wagenknecht pflegt. Inneres Konfliktpotenzial ist also vorhanden.
Ein Bündnis mit der CDU verlangt Zugeständnisse vom BSW
Vor allem aber könnte eine Regierungspartei BSW bei der Bundestagswahl 2025 nicht mehr aus jener deutlichen Außenseiterposition antreten, aus der sie jetzt ihre Stärke zieht. Denn die Bündnisse mit CDU und SPD sowie plus x in Thüringen verlangen Zugeständnisse. Nur dann können die Koalitionen überhaupt zustande kommen. Heißt: Wagenknechts Forderungen zur Positionierung gegen die Ukraine-Bewaffnung und die Stationierung von US-Mittelstrecken-Raketen könnten die Verhandlungen platzen lassen. Oder zum Sonntagsredenparagraphen in der Präambel der Koalitionsverträge zusammenschrumpfen.
Ähnlich schwierig dürfte die Umsetzung im Kern linker Strukturforderungen nach weniger Profitstreben in Gesundheitswesen und Wohnungsbau werden. Gut möglich also, dass das BSW 2025 nur kleine Erfolge wie Handyverbote an Grundschulen, mehr Polizisten und Deutschtests für Dreijährige vorweisen kann. Das wäre nicht wenig. Aber vielleicht doch zu wenig angesichts des versprochenen Besserkönnens.
Deshalb: Es wäre der Partei hoch anzurechnen, das Regierungsrisiko einzugehen. Und dennoch: Als Projekt zur Bewirtschaftung von Politikverdrossenheit hat der Pragmatismus des BSW auf absehbare Zeit Grenzen.
Wagenknechts ehemalige Partei Linke ist im Osten "etablierte Partei"
Hier dürfte Wagenknecht auch von ihrer ehemaligen Partei Die Linke gelernt haben: Die zeigte sich gerade im Osten hyperpragmatisch. Nicht selten als Mehrheitsbeschafferin für die SPD, oder zuletzt in Bürgermeisterstichwahlen sogar für die CDU. Als Dank trägt die Linke nun im Osten den Stempel „Etablierte Partei“ – was, neben zahlreichen eigenen Fehlern, zuletzt zum Niedergang dort deutlich beigetragen hat.
Auch in Thüringen dürfte die Linke am Ende eine Form von CDU-geführter Koalition ermöglichen. Oder zumindest Mario Voigt den Weg ins Ministerpräsidentenamt ebnen. Politisch profitieren wird sie davon nicht. Die Lehre lautet also: Staatstragend zu handeln, zahlt sich politisch derzeit nicht aus. Für die Linke wahrscheinlich nicht einmal in Sachen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU. Das BSW wird daraus seine Lehren ziehen.