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Kommentar
"Rassist Trump"

Die Angriffe von US-Präsident Trump gegen mehrere Kongressabgeordnete haben für Empörung gesorgt - wurden in den Medien aber nur selten als klar rassistisch bezeichnet. Statt an den falschen Stellen Haltung zu zeigen, sollten Journalisten Tatsachen beim Namen nennen, meint Bettina Schmieding.

Von Bettina Schmieding | 18.07.2019
US-Präsident Trump steht an einem Rednerpult und gestikuliert mit der rechten Hand. Im Hintergrund sind Zuhörer zu sehen.
US-Präsident Trump bei einem Auftritt in Greenville, North Carolina (imago/ Travis Long)
Trump und die Medien, das ist eine unheilige Allianz. Selten hat man mit einem Politiker so genial Quote machen, so einfach Zeitungen verkaufen können. Selbst in Ländern, in denen er gar nicht zur Wahl stand, labte sich die Presse an diesem Mann, machte ihn zur Hauptabendshow und ließ sich in dieser Dauerschleife auch noch beschimpfen. Die Medien lieben ihren Trump, den verbalen Grenzgänger, der sich nach drei Cola light mehr traut, als viele mit 1,8 Promille am Stammtisch.
Dieser Grenzgänger hat inzwischen längst rüber gemacht, auf die andere Seite, auf die Seite des eigentlich Unsagbaren. Jetzt stehen sie da, die Medien, die Trump gemolken haben und immer noch melken. Sie stehen da und hören, wie der Präsident seit Sonntag vier US-Staatsangehörige – darunter drei, die in den USA geboren wurden - auffordert, dahin zurückzukehren, woher sie gekommen sind. Eine zutiefst unamerikanische Forderung und ziemlich dumm. Aber darum geht es mir hier gar nicht.
Haltung an jeder Ecke
Mir geht es um die Frage, wo jetzt eigentlich die Medien sind? Am Montag musste man Überschriften wie "US Präsident Trump äußert sich rassistisch" mit der Lupe suchen. Stattdessen zogen sich die meisten Zeitungen auf ein verschwurbeltes "Kritiker werfen ihm Rassismus vor" zurück. In den deutschen Medien, so kommt es mir vor, gibt es eine ähnliche Beißhemmung gegenüber explizitem Rassismus. "Haltung", die neue Kryptowährung für journalistischen Erfolg, die gibt es ja mittlerweile an jeder Ecke. Und vor allem da, wo sie gar nicht hingehört. In einen Bericht zum Beispiel.
Übrigens, was Sie gerade hören, ist ein Kommentar. In den gehört Meinung. Und lassen Sie uns bitte nicht darüber streiten, wo Haltung aufhört und Meinung anfängt. Wenn das schon Kolleginnen und Kollegen nicht ganz klar ist, wie sollen Nicht-Journalisten das dann unterscheiden können?
Sagen, was Trump ist
Schwenk zurück zu Donald Trump. Die Einstellung vieler Medienschaffender zu ihm, ihre Haltung, ist schon lange klar. Obwohl er immer wieder das Gegenteil behauptete, waren die Attribute "xenophob und frauenfeindlich" konsensfähig und – ein bisschen verbrämt - allgegenwärtig.
Und jetzt ist Folgendes passiert: Seit Sonntag hat es die Welt schriftlich, was Trump über nicht-weiße Frauen denkt. Heißa, müsste es in den Redaktionsstuben tönen: Wir müssen nicht mehr sagen, was wir von Trump halten. Wir können sagen, was Trump ist. Stattdessen gab es Überschriften wie diese: "Rassismus-Vorwurf nach Trump-Tweet". So umstritten die klare Definition von Rassismus auch sein mag: Wenn Merkmale wie Hautfarbe oder Sprache zur Abgrenzung und Abwertung benutzt werden, ist der Tatbestand erfüllt. "Der Rassist Trump fordert US-Bürgerinnen auf, das Land zu verlassen". Seltsam, wie still es um diesen Satz war, wo die Fakten doch so eindeutig sind.