In gewisser Weise tut der eigene Parteinachwuchs das, was die jungen Wählerinnen und Wähler zuletzt massenhaft gemacht haben: Sie wenden den Grünen den Rücken zu.
Man darf allerdings bezweifeln, dass es die gleichen Gründe sind: Während junge Wähler nach scharf rechts tendieren, will die Grüne Jugend links bleiben. Auf jeden Fall deutlich linker als die Kompromisslogiken der Ampel es erlauben. Oder sollte man besser sagen: linker als die Realitäten einer Gesellschaft, die mehrheitlich nach einer strengeren Migrationspolitik ruft?
Demokratie lebt vom Kompromiss
Lieber gar nicht regieren, als schlecht regieren. Die Grüne Jugend hat von Christian Lindner gelernt. Und ja, es ist das gute Recht, übrigens nicht nur der Jugend, entlang eigener Wertvorstellungen Grenzen zu ziehen. Demokratie lebt davon, dass Menschen Überzeugungen haben. Und im Zweifel konsequent dafür einstehen.
Nur lebt Demokratie auch vom Kompromiss. Sie lebt von der Bereitschaft, eigene Positionen zurückzustellen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Und hier liegt das eigentlich Beunruhigende dieser Entscheidung der jungen Ex-Grünen.
Die Polarisierung, die das Land vor allem von rechts erfasst hat, wirkt immer weiter in den politischen Raum hinein. Sie drückt sich aus durch Kompromisslosigkeit, durch das Beharren auf dem, was man für richtig hält. Es geht nicht mehr darum, Mehrheiten für politische Ideen zu gewinnen, sondern sich in seiner eigenen Weltsicht zu versichern. Lieber Recht zu behalten, als Verantwortung zu übernehmen.
Gerade die politische Linke war schon immer gut darin, sich im Zweifel durch immer weitere Spaltungen zu vermehren, nicht allerdings im Zuspruch der Wähler.
Wenn Teile der scheidenden Führungsriege der Grünen Jugend jetzt über eine neue linke Partei nachdenken, sollten sie vielleicht erst einmal prüfen, ob die Partei „Die Linke“ nicht eigentlich bereits das anbietet, was sie bei den Alt-Grünen nicht mehr finden: Seenotrettung statt Seehofer-Style.
Weiterregieren oder zurückziehen?
Die Grünen stehen vor der Frage, ob sie sich die Hände weiter schmutzig machen. Denn nichts anderes bedeutet Regieren für eine Mittelinks-Partei in diesen Zeiten. Zeiten, in denen sie eigentlich keine gesellschaftlichen Mehrheiten für ihre Projekte mehr hat.
Robert Habeck steht wie kein anderer für diesen Kurs. Seine Stärke liegt auch darin, dieses Dilemma ehrlich zu benennen.
Die Grünen könnten sich aber auch zurückziehen in den sicheren Hafen einer kleinen, gefestigten Anhängerschaft. Die Idee vom Kanzleramt ist dann passé. Aber vielleicht ist sie das ohnehin?
Gerade deshalb ist es gut, dass die Grünen diese Frage jetzt offen aushandeln. Denn das muss man ihnen lassen: Keine Partei geht gerade so ehrlich und schonungslos mit sich ins Gericht wie sie. Scholz und Lindner dürften hier vielleicht noch einmal etwas von ihrem Koalitionspartner lernen.