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Kommentar zu DOSB-Präsidentschaftswahl
Krönungsmesse verhagelt

Der alte DOSB-Präsident ist zwar auch der neue - doch trotzdem ist etwas anders als sonst. Die jüngste DOSB-Mitgliederversammlung markiere eine Zäsur, kommentiert Bianka Schreiber-Rietig. Die erste Gegenkandidatur überhaupt habe gezeigt: Durchregieren funktioniert nicht mehr.

Von Bianka Schreiber-Rietig | 02.12.2018
    Alfons Hörmann, DOSB-Präsident
    Alfons Hörmann wurde wieder zum DOSB-Präsidenten gewählt, aber: diesmal gab es einen Gegenkandidaten. (dpa / picture alliance / Guido Kirchner)
    Am Ende war die Krönungsmesse richtig verhagelt. Da hatte einer tatsächlich Alfons Hörmann öffentlich die Stirn geboten: Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon-Union. Er kandidierte gegen den amtierenden DOSB-Präsidenten. Und gab in seiner kurzen Vorstellungsrede dem anonymen Unmut vieler in Hörmanns Sportdeutschland eine öffentliche Stimme. Der Ärger vor allem über den Umgangsstil des DOSB-Chefs hält sich seit Jahren. Allerdings: Wer sich mit dem Mann aus dem Allgäu anlegt, dem soll das nicht gut bekommen. Es gibt einige, die davon aus eigenem Erleben berichten.
    Nicht zuletzt deshalb bleiben Kritiker aus den Verbänden lieber in Deckung. Selbst bei einer geheimen Wahl, wie sich an den mageren 61 Gegenstimmen zeigt, die aber das Bild nicht wiedergeben, das Sportverantwortliche selbst von eigenen Befindlichkeiten zeichnen.
    "Das System des deutschen Sports basiert auf Abhängigkeiten"
    Warum ist das so? Das System des deutschen Sports basiert auf Abhängigkeiten: Man hängt als Verband nicht nur am Geldhahn des Staates, sondern auch am Goodwill des DOSB und seines Präsidenten.
    Demokratie heißt für den DOSB und seinen Präsidenten: Alle machen, was vorgegeben wird. Und ansonsten: Mund halten. Viele im Sport fügen sich diesen diktierten Anweisungen. Nur hinter verschlossenen Türen wird dann schon mal Tacheles geredet. Und auch da werden KollegInnen abgekanzelt, weil sie ihre Sicht der Dinge JournalistInnen erläutert haben.
    Übrigens passt auch zum Demokratieverständnis, dass Medienvertreter als "Aasgeier, die vor der Türe lauern", bezeichnet werden. Was ist das für ein Umgang gerade unter denen, die immer und bei allen Gelegenheiten Fair Play und Respekt von allen anderen einfordern?
    Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
    Zwischen kritischen Worten und den eigenen Taten klafft im deutschen Sportfunktionärswesen eine große Lücke. Viele, die vorne mitmischen, haben ein großes Glaubwürdigkeitsproblem, weil sie nicht zu dem stehen, was sie sagen. Es ist nicht nur eine Frage der eigenen Haltung, sondern auch der Bequemlichkeit, sich auch öffentlich sachlich mit Problemen auseinanderzusetzen.
    Funktionären sind ihre Ämter dann lästig, wenn sie sich einem Versammlungsprozedere unterziehen müssen. Das scheint ihnen nach den Hinterzimmerdiskussionen überflüssig wie ein Kropf. Der stete Blick auf die Uhr während der Mitgliederversammlung ist symptomatisch für die Einstellung mancher Delegierter. Und wenn die Abfahrt des Zuges nach Hause immer näher rückt, sind selbst Wahlen nicht mehr wichtig.
    "Durchregieren funktioniert nicht mehr"
    Diese Mitgliederversammlung war nicht nur wegen des bemerkenswerten Auftritts des Triathlon-Präsidenten dennoch eine kleine Zäsur. Denn es wurde deutlich - nicht nur an einem nervösen und gereizten Alfons Hörmann: Durchregieren funktioniert offensichtlich nicht mehr: Die Gegenkandidatur, die sich schon lange ankündigte, konnte nicht verhindert werden. Auch andere Personalwünsche liefen nicht so, wie von Hörmann gedacht. Etwa der fliegende Ämterwechsel zwischen dem bisherigen Sprecher der Landessportbünde, Andreas Silbersack, und dem DOSB-Vizepräsidenten Breitensport Walther Schneeloch. Der zog beleidigt seine Kandidatur zurück, als Elvira Menzer-Hassis gegen ihn antrat.
    In politischen Parteien haben die meisten Führungsmenschen mittlerweile begriffen, dass Personalien, die in Hinterzimmern ausgekaspert werden, meist zu Zoff und Unruhe führen. Diese Einsicht ist beim DOSB bisher jedenfalls in dieser Hinsicht nicht eingekehrt. Hörmann kann sich nun zwar darauf berufen, dass ihn eine satte Mehrheit gewählt hat. Aber wird das am Umgangsstil, an Transparenz und Glaubwürdigkeit des Präsidenten und somit des DOSB etwas ändern? Vermutlich nicht. Warum auch – läuft doch.
    Also: Vier weitere Jahre mit Alfons Hörmann. Und bestimmt mit weiterem Genöle und Intrigen. Die Mehrheit der Verbände hat es so gewollt. Um es mit dem Schriftsteller George Bernard Shaw zu sagen: "Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen." Mehr ist dem nicht hinzuzufügen.