Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Kommerz mit Kunst

Harry Lybke gehört mit seiner Galerie EIGEN + ART zu den führenden Händlern für zeitgenössische Malerei in Deutschland. Viele, die heute in der modernen Malerei Rang und Namen haben, finden über Lybke den passenden Käufer. Ihm ist es höchst erfolgreich gelungen, Kunst mit Kommerz zu verbinden.

Von Carsten Probst | 15.06.2007
    "Auf jeden Fall muss man sagen, dass man natürlich auch im Sinne der Künstler eine Galerie wie ein ganz normales Wirtschaftsunternehmen betreiben sollte","

    sagt Gerd Harry Lybke, der Gründer und Chef der Berlin-Leipziger Galerie EIGEN + ART. die seit Mitte der 90er Jahre vor allem mit den Malern der sogenannten Neuen Leipziger Schule berühmt geworden ist. Insbesondere die Erfolge des Leipziger Maler-Stars Neo Rauch bei europäischen und amerikanischen Kunstsammlern, die für Rauchs großformatige Gemälde inzwischen bis zu einer halben Million Dollar zahlen, haben sich herumgesprochen. Kunst made in germany ist gefragt.. Für Lybke sind die riesigen Erfolge seiner Galerie auf dem Kunstmarkt der letzten Jahre jedoch kein Grund zum Überschwang. Als Galerist mit seinen mittlerweile 14 Mitarbeitern müsse er die nüchternen Grundlagen des Kunsthandels im Auge behalten.

    ""Wer das nicht macht, spielt natürlich auch mit dem Vertrauen, das die Künstler einem gegeben haben. Es geht natürlich bei so einer Beziehung auch darum, dass man den Künstlern die Möglichkeit gibt wirtschaftlich unabhängig zu sein, um ihre Arbeiten zu machen."

    Obwohl eine Galerie mit schwer einschätzbarem Gut handelt, sind die Gesetze des Kunstmarktes denen der Börse vergleichbar. Glück und Psychologie und ein gewisses Gespür spielen für den Erfolg eines solchen Unternehmens natürlich ihre, Rolle, doch gegen allzu spekulative Ansätze wehrt sich der Galerist Lybke. Das sei etwas für die Auktionshäuser. Dort bieten sich am Ende zwei, drei Leute gegenseitig hoch, und das Einzige, was über der Zuschlag entscheidet, ist am Ende das höchste Gebot. Bei einer Galerie sehe die Strategie dagegen völlig anders aus, so Lybke.

    "In der Galerie hat man eine Anzahl von Arbeiten, die haben alle ihren festen Preis, egal was jemand bieten würde, würde man ihm immer zum selben Preis verkaufen. Und dadurch geht es dann nicht darum, wer das meiste Geld hat, sondern dass man überlegt als Galerist oder als Künstler: Wo ist die Arbeit am besten aufgehoben?"

    Nachhaltigkeit nennt Lybke dieses Preismanagement. In der Regel wird der Kaufpreis zwischen Galerist und Künstler hälftig geteilt. Die sorgfältige Auswahl von Käufern ermöglicht dem Künstler eine solidere Wertsteigerung auf lange Sicht als ein schneller Auktionserfolg, der zu Preisabstürzen führen kann. Und durch ihre im Vergleich zu Auktionen in der Regel niedrigeren Preise spricht die Galerie einen viel größeren potenziellen Käuferkreis an als ein Auktionshaus. Käufer, die Kunst allein als spekulative Geldanlage erwerben wollen, kommen in Lybkes Galerie kaum zum Zug. Wie aber ermittelt er für seine Künstler den richtigen Preis?

    "Ein Kunstpreis entsteht immer bei Null, wie eine Geburt ist jemand, der vom Studium herauskommt, erst einmal, fängt an, ein Preis, wo man sagt, okay, ein großes Bild, kostet 500 Euro, um irgendeine Zahl zu sagen. Und so ist dann Nachfrage und Markt natürlich eine wichtige Sache, und wenn die Produktion des Künstlers nicht allzu hoch ist – also sagen wir mal 20 Arbeiten ist so ein Maßstab, die man im Jahr vielleicht machen kann, auch mit einer hohen Qualität. Und wenn es dann mehr als 20 Interessenten gibt, dann steigt ein Preis natürlich nach oben, solange, wie die Interessenten da mitgehen. Ein Deutscher Pavillon oder documenta unterstützen natürlich dann den Wert und geben denjenigen Recht, die schon ganz am Anfang mitgemacht haben."

    Ein erfolgreicher Galerist muss weltweit gut vernetzt sein und schnell an Informationen kommen. Dieses Handwerk musste der gebürtige Leipziger gewissermaßen im Schockverfahren nach der Wiedervereinigung lernen. Zu DDR-Zeiten war die Galerie EIGEN + Art - nomen est Omen - im Leipziger Dissidenten-Millieu angesiedelt. Lybke hatte Berufsverbot und schlug sich finanziell als Aktmodell für Maler und als Schauspieler durch, ehe er 1983 in seiner Leipziger Wohnung zum ersten Mal eine Ausstellung organisierte. Die Stasi sammelte dicke Ordner über ihn.

    Unmittelbar nach der Wende beteiligte er sich mit einigen Künstlern seiner Galerie an der art frankfurt, einer erfolgreichen westdeutschen Kunstmesse. Legendär die Geschichte, wie Lybke sich damals sich vom Kunstmäzen Arend Oetker noch das Geld für die Standmiete auf der Messe leihen musste, um nach der Messe dann mit einem Aktenkoffer voller Westmark nach Leipzig zurückzukehren. In Frankfurt, wo zu dieser Zeit eigentlich Videokunst schwer angesagt gewesen war, hatte man ihm die jungen Leipziger Maler mit ihren handwerklich solide gearbeiteten Gemälden und Zeichnungen buchstäblich aus der Hand gerissen. Aus heutiger Sicht ein typisch antizyklischer Markt-Coup. Doch ganz so souverän sieht Lybke seinen Start in die westliche Kunstmarktwirklichkeit nicht:

    "Glück gehört natürlich immer dazu, aber das Antizyklische stimmt natürlich, wenn man es von heute aus betrachtet. Nur in der Zeit, in der man sich bewegt, denkt man nicht als Erstes, wie antizyklisch könnte ich denn sein, um dann zu handeln. Sondern man geht eigentlich – zumindest so wie ich das mache als Galerist – den Entwicklungen der Künstler nach."

    Berühmt wurde einst Lybkes Ausspruch von Mitte der 90er Jahre, als er mit EIGEN + ART nach Berlin gewechselt war: Er wolle mit seinen Künstlern Kunstgeschichte schreiben. Solche Worte hatte man seit Picassos Tagen nicht mehr gehört. Selbstbewusstsein vermitteln auch Lybkes Preise auf der art basel: von 16.000 Euro für die Bilder einer noch unbekannten jungen Künstlerin bis zum sechsstelligen Bereich für die Arrivierten wie Neo Rauch. Ein Galerist verkauft schließlich immer auch Fantasien.