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Kommerz statt Kultur

Vor 125 Jahren errichteten die preußischen Architekten Martin Gropius und Heino Schmieden gegenüber dem Saarbrücker Bahnhof eine rundum pompöse Bergwerksdirektion, eine der wenigen Gründerzeitbauten, über den das stark kriegszerstörte Saarbrücken noch verfügt. Nun könnte das Gebäude das übliche traurige Schicksal erleiden: brutal ausgekernt zur smarten Shopping-Mall aufgemotzt zu werden. Gegen den Verlust von wertvollen Innen-Details spricht sich unter anderem die Architektin Rena Wandel-Hoefer aus.

19.04.2006
    Rainer-Berthold Schossig: Wer einmal den Berliner Martin-Gropius-Bau durchwandert hat, erinnert sich an die opulente Innenausstattung. Ist die an dem Saarbrücker Gebäude auch erhaltenswert?

    Rena Wandel-Hoefer: Gerade das Innere, natürlich neben der imposanten Fassade. Im Inneren ist es insbesondere der zentrale Treppenaufgang, mit einer wunderbaren klassizistischen gusseisernen Treppenkonstruktion, und die anschließenden Flure, die durch einen sehr wohlproportionierten Pfeilerrhythmus gekennzeichnet sind, große Geschosshöhen, über vier Meter, und dann im zweiten Obergeschoss ein so genannter Zeichensaal. Ein Raum, der erst vor wenigen Jahren wieder im Originalzustand restauriert wurde.

    Schossig: Nun steht das Haus in einem Filetgrundstück in der City. Was die städtebauliche Situation dieses Gebäudes betrifft, wäre ja eigentlich gegen eine neue Nutzung als Einkaufsmeile kaum etwas einzuwenden. Wo liegen Ihre Vorbehalte?

    Wandel-Hoefer: Eine grundsätzliche Umnutzung, um das Gebäude auch für die künftigen Generationen zu erhalten, ist im Grunde wünschenswert. Nur muss das in einer Weise erfolgen, die der Qualität des Gebäudes gerecht wird.

    Schossig: An dieser Stelle spätestens fällt ja die obligate Frage, wo bleibt eigentlich der Denkmalschutz in dieser neuen Kontroverse jetzt in Saarbrücken? Hat er nicht aufgepasst oder wurde er von den Stadtvätern übergangen, desinformiert?

    Wandel-Hoefer: Der Denkmalschutz ist meines Wissens von Anfang an vom Grundsatz her involviert gewesen. Wieweit jetzt die Auflagen und Bedenken des Denkmalschutzes in der grundlegenden Einverständniserklärung der Stadt mit diesem Verkauf, mit der Umnutzung, berücksichtigt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Soweit ich es planungsrechtlich beurteilen kann, ist aber der Denkmalschutz die letztlich entscheidende Instanz für die zu beantragenden Veränderungen, da die Stadt wohl weder aus Flächennutzungsplan, noch aus anderen genehmigungsrechtlichen Instrumentarien her, wirklich zum jetzigen Zeitpunkt noch Einfluss nehmen kann.

    Schossig: Ist denn die Öffentlichkeit genügend wachgerüttelt, sage ich mal? Gehen Bürger jetzt gegen die Willkür des Generalunternehmers vor? Und, ja, mit wie viel Aussicht auf Erfolg?

    Wandel-Hoefer: Sicherlich ist die Öffentlichkeit zu einem sehr späten Zeitpunkt wachgeworden. Ich würde jetzt auch noch nicht einmal unbedingt von einer Willkür der Investoren sprechen, denn die Investoren sind, offensichtlich in Abstimmung mit den entsprechenden Gremien der Stadt, davon ausgegangen, dass ihre bisherigen Planungen Zustimmung finden werden. Offensichtlich war aber weder der Stadt, den Beteiligten in der Stadtplanung, noch den Politikern, bei den entscheidenden Weichenstellungen klar, was sie unter Umständen opfern. Denn das Gebäude der Bergwerksdirektion war für viele Saarbrücker oder Saarländer, über Jahrzehnte Terra Incognita. Nur die Menschen, die dort gearbeitet haben, die das Gebäude von innen kannten, wussten auch seine Qualität im Innenraum zu schätzen. Und aus den zahlreichen Besuchen, Bürgerbesuchen, in den letzten Wochen, ist zu entnehmen, dass die Saarländer erst jetzt entdecken, welches Kleinod sie mitten in der Stadt haben.

    Schossig: Aber noch einmal, mit Verlaub, das klingt irgendwie wie Budapest, was Sie da schildern über Saarbrücken. Kann das sein, dass die Verantwortlichen nicht wissen, was sie für architektonische Schmuckstücke in ihrer Stadt haben? Es ist immer wieder so, da wird etwas kaputt gehauen und plötzlich wird man wach und hat es vorher nicht gewusst. Das kann doch nicht angehen?

    Wandel-Hoefer: So wie es im Moment aussieht, ist es wohl zu befürchten, wenn - ich muss jetzt immer im Konditional sprechen - wenn es wirklich so ist, dass dem Investor ECE eindeutige, oder nicht einschränkende Zusagen gemacht wurden, wie von der ECE bei einer kürzlich stattgefundenen Veranstaltung behauptet wurde. Aber im Moment können wir noch nicht beurteilen, ob auf der einen Seite ECE nicht vielleicht doch zu bewegen ist - auch um vielleicht ein Kaufhaus mit eigener Identität an diesem Standort auch für sich zu gewinnen - dort noch einmal einzulenken. Und wie groß der Einfluss dann letztlich der Landesbehörden, sprich der Denkmalpflege, ist.

    Schossig: ECE hat dies ja gelegentlich getan, aber gibt es dafür, außer dem Leipziger Bahnhof, wo ECE dann es anderen überlassen hat, positive Beispiele?

    Wandel-Hoefer: Nach meiner Kenntnis ist Leipzig das einzige Beispiel, was sich im Verfahren auch für Saarbrücken empfehlen würde. Denn dort ist, auch auf Druck der Öffentlichkeit hin, ein Gutachterverfahren seinerzeit durchgeführt worden, was dann zu einem für alle Beteiligten wirklich gewinnbringenden Ergebnis geführt hat. Und ich würde mir sehr wünschen, dass ECE bereit ist, auch im eigenen Interesse und im Interesse der Kultur der Stadt, noch einmal die Planung zu überdenken.