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Kommunale Notbremse gegen den Rundfunkbeitrag

Zu viel, zu wenig, und wie viel genau: Städte und Kommunen in ganz Deutschland sehen sich mit hohen Rundfunkbeiträgen konfrontiert. Die Stadt Köln wollte so zunächst alle Zahlungen einstellen - inzwischen laufen Gespräche.

Von Marcus Engert und Juliane Neubauer | 02.02.2013
    Das Doppelte für Duisburg, das Dreifache für Bielefeld, das Sechsfache für Düsseldorf – sogar das Zehnfache für Bergisch-Gladbach? Was den künftigen Rundfunkbeitrag für Städte und Kommunen betrifft, kursieren derzeit hohe Zahlen. Zu hohe offenbar für Köln. Der Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen zog Anfang der Woche die Notbremse – und wollte vorerst gar keinen Rundfunkbeitrag mehr zahlen.

    "Ich glaube, dass man bei dem Gesetz die Schwierigkeiten unterschätzt hat, die diese neue Beitragsbemessungsordnung bei den Kommunen auslösen würde. Sie merken ja auch, dass jetzt ganz viele Kommunen sich melden und diesen enormen, wohl unterschätzten Verwaltungsaufwand beklagen und das sie vor allen Dingen auch Kostenexplosionen aufzeigen."

    Der Grund: Städte und Gemeinden werden jetzt genau wie die Privatwirtschaft behandelt. Heißt: pro Betriebsstätte und pro Fahrzeug. Nur ist dieses System der öffentlichen Hand bisher gänzlich unbekannt. Und so gab es schnell mehr Fragen als Klarheit. Ist ein Friedhof eine Betriebsstätte? Oder ein Baucontainer? Muss für einen Bagger bezahlt werden? Und wo stehen eigentlich wie viele Rechner, Dienstwagen, oder Baucontainer? Auch städtische Betriebe wie Kitas sehen sich – wegen vieler Mitarbeiter und vieler Betriebsstätten – plötzlich hohen Beitragsbescheiden gegenüber. Für Gerd Landsberg, den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, gibt es darum bis auf Weiteres nur einen Weg:

    "Nein, ich glaube, wir müssen zu Pauschalierungen kommen. Man könnte zum Beispiel sagen, die sogenannte Kernverwaltung - mit Standesamt, mit Bürgeramt, mit Ordnungsamt – gilt als eine Betriebsstätte. Wir haben ja zum Beispiel Standesämter in ganz vielen Orten. Da muss jeweils jetzt extra für bezahlt werden. Und deswegen ist die Lösung: mehr Pauschalierung."

    Doch auch eine Pauschalierung muss vereinbart und berechnet werden. Und da liegt das Problem: Jede ARD-Anstalt hat ihren eigenen "Beitragsservice", der für Berechnung und Einzug des Beitrags zuständig ist. Und jede Stadt, jede Gemeinde ist ein bisschen anders aufgebaut.

    Damit die Aufregungswelle nun nicht zu hoch schwappt, rudern nun alle Beteiligten ein bisschen zurück. Der WDR teilte schriftlich mit, man sei "in guten Gesprächen" und unterstütze "alle Kommunen gerne". Köln zahlt erstmal so viel weiter, wie auch vor der Umstellung. Und beim Städte- und Gemeindebund will man weitere Boykotts zwar nicht ausschließen, setzt aber darauf, dass man sich auch ohne Schüsse vor den Bug verständigen kann.

    "Ich bin eigentlich sicher, dass das auch ohne gegangen wäre. Vielleicht hat das in den Medien jetzt noch einmal eine Rolle gespielt. Man muss aber fairerweise auch zugestehen: Das ist ein Riesenprojekt gewesen. Jedes große Projekt bedarf in Deutschland der Nachsteuerung. Am Ende wird was Vernünftiges rauskommen. Der Wille ist da. Und wir werden das transportieren."

    Doch bis dahin sind noch viele Fragen zu klären. Dennoch: Der Eindruck, die Öffentlich-Rechtlichen wie auch die Kommunen hätten ein Problem sehenden Auges zu lange ignoriert, sei falsch, erklärt Regine Fenn vom Bayrischen Rundfunk:

    "Der Beitragsservice hat schon vor einem Jahr damit begonnen, auf alle bayrischen Kommunen mit mehr als 50.000 Einwohnern zuzugehen. Wir bieten an, die Kommunen bei der Ermittlung der Beitragshöhe zu beraten. Und diesen Dialog suchen übrigens alle öffentlich-rechtlichen Sender. Für eine ganz verlässliche Schätzung, wie sich der Rundfunkbeitrag insgesamt auf Städte und Gemeinden auswirkt, fehlen derzeit noch die erforderlichen Daten.
    Und bei manchem Vergleich zwischen alter Rundfunkgebühr und neuem Beitrag können die großen Differenzen, die momentan teilweise kursieren, auch dadurch zustande kommen, dass vielleicht bei der Anmeldung früher eventuell gebührenpflichtige Internetcomputer vergessen wurden."

    Mit anderen Worten: Vielleicht hat so manche Stadt bisher einfach zu wenig gezahlt, vermutet man beim ein oder anderen Beitragsservice. Der neue Beitrag übrigens kommt nach zwei Jahren noch mal auf den Prüfstand. Vielleicht wird dann nachgebessert, auch die Berechnung für Kommunen.