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Kommunalwahlen in der Türkei
Erdogans AKP droht ein Denkzettel

Seit Wochen ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Wahlkampfmodus, denn am Sonntag sind Kommunalwahlen. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme des Landes drohen den Kandidaten der AKP, Erdogans Partei, bittere Niederlagen. Für diesen Fall hat der Präsident mit Zwangsverwaltung gedroht.

Von Karin Senz | 29.03.2019
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan während einer Wahlkampfveranstaltung in Ankara.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan während einer Wahlkampfveranstaltung in Ankara. (picture alliance/AA)
Der türkische Präsident singt bei einem Wahlkampfauftritt von Tränen, Hoffnung und Liebe. Aber er kann auch ganz anders. Immer wieder zeigt er nach dem Blutbad von Christchurch Ausschnitte aus dem Video des Täters, zwar verpixelt, aber die Schüsse donnern aus den Bühnen-Lausprechern. All das wird live im Fernsehen übertragen. Der junge Kurde Bilal hat von alldem schon lange genug:
"Ich will den Fernseher nicht mehr anmachen und die Nachrichten gar nicht mehr anschauen. In der Türkei dreht sich die Politik immer um Schmierereien. Wenn Du mich nicht wählst, dann bedeutet das das Ende der Türkei. Solche Kampagnen gibt es, das ist aber Quatsch."
Kandidaten der AKP droht Niederlage
Er wird nicht wählen am Sonntag. Keine der Parteien überzeugt ihn, alle haben ihn nur enttäuscht. Das hört man in diesen Tagen von vielen Türken. Dabei steht gar nicht Erdogan, seine AKP oder andere Parteien zur Wahl. Es geht um Ortsvorsteher Stadträte und Bürgermeister. In großen Städten wie Ankara, Istanbul und Izmir droht den Kandidaten der AKP möglicherweise eine bittere Niederlage. Für den Fall hat Erdogan schon angedeutet, könnte die Hauptstadt unter Zwangsverwaltung gestellt werden. In den Kurdengebieten kennt man das schon. Hier wurden fast alle HDP-Bürgermeister abgesetzt. Neue Kandidaten werden als Terrorunterstützer und Feinde des Landes bezeichnet, die die Türkei spalten wollen:
"Gibt es in der Türkei eine Region Kurdistan? Nein. Haben wir die Region Südostanatolien? Haben wir."
Erdogan liebt die Bühne
Und so spielt Erdogan mit seinem Publikum, das ihm begeistert antwortet. Er liebt die Bühne. Die massiven wirtschaftlichen Probleme der Türkei finden darauf aber kaum Platz. Die Lira ist alles andere als stabil, die Inflation hoch, Strom, Fleisch oder Tomaten für viele kaum bezahlbar. Der Chef der größten Oppositionspartei CHP Kemal Kilicdaroglu:
"In den Küchen dabeim brennt’s. Das Volk leidet. Heute wird nicht mehr in Kilo gekauft, sondern im Gramm oder in Stückzahl. Dasselbe mit Fleisch. Und dann kommt ein Minister daher und sagt, dann sollen die Leute halt mehr Gemüse essen. Ja, aber Gemüse ist auch teuer. Was sollen die Bürger machen? In den Küchen brennt's, aber der Herr Staatspräsident kriegst's nicht mit. Warum? Na, weil er in einem Palast lebt."
Die Regierung hat es mitgekriegt und verkauft an extra Ständen verbilligtes Gemüse. Die langen Schlangen von Bedürftigen dort passen aber nicht zum Bild der aufstrebenden Wirtschaftsnation, als die Erdogan die Türkei gerne darstellt. Er sucht Schuldige für die Krise im Ausland. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur in diesem Wahlkampf. Erdogan hat aus den Kommunalwahlen eine Wahl ums Überleben der Nation gemacht.