Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Kommunikation an Bord

Technik. - Moderne Autos werden von Dutzenden von Steuergeräten beherrscht, die sich miteinander verständigen müssen. Ohne Elektronik ist moderne Leistung, Sparsamkeit und Bequemlichkeit nicht zu haben. Der Andrang auf der ersten deutschen Fachtagung "Automotive meets Electronics" in Dortmund, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigte zeigt, dass der Trend weitergehen wird.

Von Maximilian Schönherr | 16.04.2010
    Typisch Ingenieur, dieser Mann, der sich über die Schnittstelle zwischen meinem Mikrofon und meinem Aufnahmegerät Gedanken macht. Und doch ganz untypisch für einen Ingenieur. Denn Peter Rieth denkt beruflich über Schnittstellen nach, seltener über die zwischen einem Stecker und einer Buchse, häufiger über die zwischen dem Menschen und der Maschine, wobei die Maschine natürlich das Auto ist.

    In seinem Eröffnungsvortrag gestern sprach der Experte für Systementwicklung und Zukunftstechnologien bei Continental in Frankfurt auch von der "mentalen Last" von Fahranfängern. Bei erfahrenen Fahrern dagegen sieht sich Rieth an, wie lang sie brauchen, um vom Gas- aufs Bremspedal umzusteigen. Viel zu lang, wenn es kritisch wird, wenn die letzte Sekunde vor einem Crash geschlagen hat. Und dann zaubert Rieth einen Hand-großen schwarzen Kasten unterm Rednerpult hervor und sagt: "Damit können wir weltweit eine halbe Million Unfälle vermeiden."

    "Es geht um ein System, das bei Stadtgeschwindigkeiten, wenn der Fahrer im Längsverkehr unaufmerksam ist, das Fahrzeug, wenn es droht, auf einen Vordermann oder ein Hindernis aufzufahren, automatisch abbremst. Das geht bis zu einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometer. 80 Prozent der Auffahrunfälle sind in diesem Bereich."

    Seine Firma hat das Gerät für Volvo entwickelt und würde es gern auch anderen Herstellern günstig verkaufen; KFZ-Versicherungen haben bereits reagiert und gewähren Kunden mit diesem Notbremssystem einen Nachlass bis 20 Prozent. Der Ingenieur zeigte bei seinem Vortrag auch beeindruckende Beispiele, wo Sensoren sozusagen um die Ecke gucken. Gemeint ist die "Car to X"-Kommunikation. Beispiel: Ein PKW ist in einer unübersichtlichen Kurve liegengeblieben. Er – der PKW – sendet diese Information an die sich nähernden Autos, bei denen blinkt im Navigationsdisplay auf: "Vorsicht, hier gibt es ein Hindernis!"

    Martin Fuchs von der Hochschule Deggendorf beschäftigt sich mit einem insbesondere für die Elektromobilität wichtigen Thema: Wie viel elektrische Energie kann ich sparen, wenn nicht immer alle Steuergeräte wach sind? Bei Vorwärtsfahrt muss ja der Einparksensor nicht nach hinten gucken. Und wenn ein Elektroauto im Normalbetrieb die nächste Steckdose nicht erreicht, soll es einen ‚Green-Drive’-Schalter geben, der, so Martin Fuchs, die "ganze Jubelelektronik" abschaltet. Fuchs machte auch die Grenzen seiner Überlegungen deutlich: Die Abschaltelektronik selbst kostet nämlich selbst massiven Rechenaufwand und damit Energie.


    Ein moderner typischer Kleinwagen, Benzin, Diesel, Hybrid oder Elektro, enthält heute einige Dutzend Steuergeräte, manche Autos bis zu 100. Heute Morgen stellte Stefan Goß von VW in seinem Vortrag "Elektronik im Automobil zwischen Innovation und Wartbarkeit" eine komplexe Wartungszukunft vor – trübe Aussichten für Autobastler.

    "Heute sieht es so aus, dass die Steuergeräte mit sehr individuellen Programmen arbeiten. Das heißt, ein Steuergerät, das optisch zunächst einmal aussieht wie in einem gleichartigen Fahrzeugmodell, muss nicht unbedingt dieselbe Funktion aufweisen. Bei derselben Teilenummer können unterschiedliche Softwareversionen drin sein, zum Beispiel abhängig davon, ob das Fahrzeug in einem 100- oder 140-PS-Wagen eingebaut ist. Entscheidend ist die Softwareversion, sowie die Kombination dieser Softwareversion mit Softwareversionen in anderen Steuergeräten. Denn heutzutage setzt sich die Funktionalität in den Fahrzeugen aus der Kommunikation mehrerer Steuergerät zusammen."

    Stefan Goß ist bei Volkswagen zuständig für die On-Board-Diagnose. Heute, sagt Goß, bekommt man bei einem Online-Auktionshaus Teile für ein 30 Jahre altes Auto und kann sie problemlos einbauen. Wenn man aber heute ein Auto kauft, läuft es in 15 Jahren aus dem Service heraus, und in 30 Jahren …

    "… kann ich Ihnen nur den Tipp geben: Besorgen Sie sich nicht nur die Hardware, besorgen Sie sich auch die Diagnosedaten, besorgen Sie sich auch die Software dafür. Denn sonst wird Ihnen niemand eine solche Reparatur erfolgreich durchführen können."