Donnerstag, 18. April 2024

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"Kommunisten haben bei uns in der Partei einen Platz, aber sie sind nicht mehrheitsfähig"

"Wege zum Kommunismus", ein Beitrag der Linken-Vorsitzenden Gesine Lötzsch in der Tageszeitung "junge Welt" sorgte zuletzt für Streit in der Partei. Stefan Liebich, Mitglied des Bundestags und Bundessprecher des Forums Demokratischer Sozialismus, ordnet Lötzsch' Äußerungen ein.

Stefan Liebich im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 06.01.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Fehlt erst einmal das Glück, kommt oft noch Pech hinzu – so jedenfalls könnte man die Lage der Linkspartei beschreiben. Erst sorgt Parteichef Klaus Ernst mit großzügigen Bezügen auch innerparteilich für Verärgerung, dann verzettelt er sich in einen Kleinkrieg mit den ostdeutschen Genossen, die angeblich das Ende der DDR noch nicht verwunden hätten. Jetzt sorgt die Ko-Vorsitzende Gesine Lötzsch auch noch für Kopfschütteln. In einem Beitrag, den sie für die marxistische "junge Welt" verfasste, hatte sie geschrieben, Zitat: "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung." Und: "Egal, welcher Pfad zum Kommunismus führt, alle sind sich einig, dass es ein sehr langer und steiniger sein wird." Zitat Ende. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf Lötzsch eine skandalöse Kommunismussehnsucht vor, und CSU-Generalsekretär Dobrindt spricht von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung bis in die Führungsspitze. Am Telefon jetzt dazu Stefan Liebich, er ist Mitglied des Bundestags und Bundessprecher des Forums Demokratischer Sozialismus. Guten Morgen!

    Stefan Liebich: Guten Morgen, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Liebich, wie stark ausgeprägt ist Ihre Sehnsucht nach dem Kommunismus?

    Liebich: Ich kann Sie da beruhigen, ich bin kein Kommunist, und in der PDS, in der ich ja lange Jahre Mitglied war, hatten die Kommunisten und der Wunsch nach dem Kommunismus auch keine Mehrheit. Kommunisten haben bei uns in der Partei einen Platz, aber sie sind nicht mehrheitsfähig, und das finde ich auch eigentlich ganz beruhigend.

    Heckmann: Aber so, wie es aussieht, scheint doch Gesine Lötzsch ein wenig die Achse verschieben zu wollen: Die Linke sei zwar eine linkssozialistische Partei, aber eine Partei, die offenbar langfristig den Kommunismus anpeilt.

    Liebich: Ja, ich war auch überrascht von ihrem Redemanuskript. Ich habe mir das dann natürlich intensiv durchgelesen, und es gibt dort auch viele auf die Gegenwart bezogene Vorschläge, allerdings muss ich schon sagen, wenn man auf einem Podium sitzt mit einer ehemaligen RAF-Terroristin und der DKP-Vorsitzenden, gehört mindestens eines dazu, was man dann ganz klar sagen muss, nämlich dass es ganz viele Verbrechen im Namen des Kommunismus gegeben hat, von denen wir uns in aller Klarheit distanzieren. Ich finde, das ist notwendig zu sagen, ehe man sich dann den Antworten auf die Fragen der Gegenwart zuwendet.

    Heckmann: Was ist denn der Grund dafür, dass Gesine Lötzsch diese Verbrechen unter den realsozialistischen Diktaturen mit keinem Wort erwähnt?

    Liebich: Na ja, sie hat schon angedeutet, dass es Punkte gibt, die mit dem sowjetischen Kommunismusmodell verbunden sind, die sie ablehnt, wie sie schon Rosa Luxemburg abgelehnt hat, aber ich finde, da kann man durchaus auch im Kreise der Leserinnen und Leser von "junge Welt" deutlicher werden. Aber noch viel wichtiger finde ich, dass wir unsere Antworten auf die Fragen der Gegenwart nicht in der Vergangenheit suchen, sondern im Hier und Heute suchen müssen. Das hat sie auch getan, das ist leider ein wenig untergegangen.

    Heckmann: Ja, genau, aber bei dem Punkt sind wir ja, bei der Haltung natürlich auch der Linken von Frau Lötzsch gegenüber der Vergangenheit, das ist ja ein Thema, das auch Heute betrifft. Sie sagen, sie hätte diese Verbrechen unter dem Kommunismus angedeutet, aber die Frage ist, weshalb hat sie es nur angedeutet? Was ist der Grund?

    Liebich: Ja, letztlich müssen Sie da mit Frau Lötzsch sprechen, aber ich kenne sie lange und gut und weiß, dass bei den vielen Debatten, die wir zum Thema Vergangenheit haben, sie es an der notwendigen Klarheit nicht fehlen lassen hat. Deswegen war ich umso überraschter, dass das in diesem Beitrag nicht im Vordergrund stand.

    Heckmann: Also eine reine Ungeschicklichkeit?

    Liebich: Ich würde sagen ja, und es ist so, dass natürlich das Thema Kommunismus eines ist, das in der Öffentlichkeit sehr, sehr kritisch hinterfragt wird. Da kann man nicht nur davon ausgehen, dass es wie bei einigen Linken eine schöne Zukunftsvision ist, sondern dass viele Menschen damit Sorgen und Ängste verbinden, weil im Namen des Kommunismus eben viele Verbrechen verübt wurden. Und deshalb ist es umso notwendiger, da klar einen Strich zu ziehen zu dem, was man keinesfalls mehr will. Im Übrigen finde ich auch nicht, dass Kommunismus eine Vision ist, die unsere Partei verfolgen sollte, und deswegen bin ich auch froh, dass die Kommunistinnen und Kommunisten in unserer Partei, die da einen Platz haben, eine Minderheit sind.

    Heckmann: Man hat allerdings doch den Eindruck, dass die Linken-Führung es über die Jahre hinweg irgendwie allen Seiten recht machen möchte, den ehemaligen SED-Kadern, den enttäuschten Sozialdemokraten, den Gewerkschaftern, den Ex-DKPlern aus dem Westen – auch beim Thema Stasi, bei dem Begriff Diktatur, Unrechtsstaat, da scheint die Linke nach wie vor herumzueiern.

    Liebich: Ich gebe Ihnen recht, dass es manchmal eines Anlasses bedarf, um diese Debatte in aller Ernsthaftigkeit zu führen. Allerdings, wenn es der Anlass gibt, führen wir sie auch. Und für uns ist ganz klar, wer in der DKP ist, muss in der DKP bleiben und hat in unserer Partei nichts zu suchen – da muss man sich entscheiden und kann nicht in beiden Parteien Mitglied sein. Und wer beim Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hat in der DDR, von dem verlangen wir, dass er dies in aller Klarheit und Öffentlichkeit sagt und auch sagt, wie er dazu steht. Da gibt es kein Rumeiern und kein Verstecken, das muss ganz klar sein, ansonsten können wir auch nicht unseren Wählerinnen und Wählern gegenübertreten.

    Heckmann: Sie, Herr Liebich, stehen ja für eine Öffnung der Linken hin zu SPD und Grünen – wie hilfreich war diese Aktion von Frau Lötzsch?

    Liebich: Na ja, SPD und Grüne kennen unsere Partei, und wir sind seit Langem auch im Gespräch, auch ich persönlich mit Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen, und ich sage Ihnen auch, die müssen sich über unsere Partei keine Illusionen machen. Wir führen unsere eigenen Debatten und wir haben auch ein Stückchen DDR-Vergangenheit, das wir mit uns herumtragen, aber wir erwarten ja andersrum auch von SPD und Grünen, dass die sich mit ihrer eigenen Geschichte befassen. Und das sind Debatten, die muss man miteinander führen, da darf niemand erwarten, dass eine Partei von heute auf morgen neu geboren wird.

    Heckmann: Aber SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der tippt sich an die Stirn.

    Liebich: Nun möchte Frank-Walter Steinmeier ja auch nicht, dass es eine Kooperation zwischen Linken, SPD und Grünen gibt, also das ist jetzt keine Überraschung. Da ist eher die Meinung derjenigen interessanter, die dafür aufgeschlossen sind.

    Heckmann: Erwarten Sie denn jetzt unterm Strich eine Klarstellung von Frau Lötzsch?

    Liebich: Gesine Lötzsch wird ja die Rede halten, und außerdem hat sie sich gestern noch mal klar geäußert, weil sie wahrscheinlich selber mitbekommen hat, wie die Reaktionen sind, und hat ganz klar gesagt, dass sie nicht den Kommunismus anstrebt, sondern den demokratischen Sozialismus, und da sind wir uns in der Partei auch wieder einig.

    Heckmann: Über den jüngsten Streit in der Linken haben wir gesprochen mit Stefan Liebich. Er ist Mitglied des Bundestags und Bundessprecher des Forums Demokratischer Sozialismus. Herr Liebich, ich danke Ihnen für das Interview ...

    Liebich: Danke schön!

    Heckmann: ... und Ihnen noch einen schönen Tag!

    Liebich: Danke, gleichfalls!