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Komödiantisch gegen die Kommodität

"Wir dürfen die Demokratie nicht verplempern!", war der Wahlspruch von Kay und Lore Lorentz, als sie 1947 im Hinterzimmer einer Kneipe in der Düsseldorfer Altstadt das Kom(m)ödchen gründeten. Die "Kleine Literaten-, Maler- und Schauspielbühne", wie sie anfänglich hieß, wurde zu einem wichtigen politischen Kabarett der jungen Bundesrepublik.

Von Eva Pfister | 29.03.2007
    "Aber Leute, wir leben noch, und wann die Sintflut kommt, wird nicht verraten, Leute wir leben noch und damit muss man leben, Pardon wird nicht gegeben."

    Der Zweite Weltkrieg war vorbei, wie viele andere Städte lag Düsseldorf in Trümmern. In den Ruinen der Altstadt gründeten Kay und Lore Lorentz ihr Kabarett "Das Kom(m)ödchen". "Positiv dagegen" hieß das erste Ensembleprogramm, das am 29. März 1947 Premiere hatte. Positiv gegen die Stimmung der Zeit, denn die war düster und resignativ, wie sich Kay Lorentz später erinnerte:

    "Unsere Generation, also wir damals 25-Jährigen, wir hatten doch nicht die Hoffnung, dass es nochmal sich lohnen würde, es war viel davon die Rede, dass man auswandern müsse. Und wir haben gegen den Stachel gelöckt: Wir werden sagen, es lohnt sich durchaus, wieder anzufangen, und wenn wir nicht anfangen, wer soll dann hier wieder neu anfangen? Und nicht alle Deutschen waren Nazis und alle Deutschen waren schlecht - und: Auf ein Neues. Das war unsere Devise damals."

    Der Anspruch war politisch, der Name eher verspielt: Das Kom(m)ödchen mit eingeklammertem zweitem M suggerierte, dass man komödiantisch gegen die Kommodität des Nichtstuns vorgehen wollte. Das entsprechende Temperament verkörperte Lore Lorentz. Sie stammte aus Böhmen, hatte ihren Mann in Berlin an der Universität kennen gelernt und saß im neuen Kabarett zunächst an der Kasse. Doch dann fiel eine Diseuse aus, Lore sprang ein und wurde sogleich zum Star des Kom(m)ödchens. Auch ein harmloses Operettenlied klang aus ihrem Mund wie ein kämpferischer Mutmacher:

    "Eine innere Stimme sagt mir: Anna lass das, sonst passiert was. Doch die innere Stimme straft man einfach Lügen. Anna ist nicht klein zu kriegen, Anna ist in allen Dingen Optimist, was unter uns gesagt das Beste ist."

    Das ganze Kom(m)ödchen war gerade mal acht Mal acht Meter klein und befand sich im Hinterzimmer einer Kneipe. Mit 38 Stangen Zigaretten, die sie für eine alte Leica auf dem Schwarzmarkt eingetauscht hatten, finanzierten Kay und Lore Lorentz ihr Unternehmen und blieben dort 20 Jahre, ehe sie in die Düsseldorfer Kunsthalle umzogen. Es war sehr schwer, in dieser Enge zu spielen, aber die Atmosphäre hatte etwas besonders Authentisches:

    "Wenn es regnete, dann regnete es eben runter in den Zuschauerraum, und da hingen dann also umgekehrte Regenschirme, und das war Atmosphäre. Und als Leuchter hatten wir von einer Glasfabrikation Glassplitter bekommen, daraus machten wir einen Lüster. Also es war sehr echt."

    "Kannst du Dich erinnern, dass wir einen Ventilator an die Wand gemalt hatten? Und dann haben ein paar Leute gesagt: Oh, würden Sie so lieb sein und den Ventilator abstellen, es zieht!"

    Das Kom(m)ödchen wurde rasch berühmt und vertrat auf Auslandgastspielen das neue, demokratische Deutschland. Nach innen provozierte es, zum Beispiel 1959 den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß mit einem Sketch, der die Widersprüche zwischen seinen früheren pazifistischen Aussagen und seiner Aufrüstungspolitik aufzeigte. Strauß fühlte sich "schwerwiegend verunglimpft" und konnte die Fernsehübertragung dieser Nummer verhindern.

    Die Programme des Kom(m)ödchens besaßen stets einen theatralischen Anspruch, man wollte nicht einfach "Politik ablassen". Diese Tradition hält Kay Lorentz Junior aufrecht, der seit dem Tod seiner Eltern Anfang der 90er Jahre die Bühne weiterführt. Kein leichtes Erbe, denn für viele war das Kom(m)ödchen ohne Lore Lorentz nicht vorstellbar. Sie verkörperte das "Positiv dagegen", auch in den Chansons, die ihr auf den Leib geschrieben wurden, etwa "Das Lied von der Sintflut":

    "Also wüsst' ich, dass wir morgen untergehen, würde ich nicht eine Stunde minder diesem Land auf Maul und Finger sehen. Wüsst' ich, dass die Sintflut morgen käme, und es würde Blut und Schwefel schnein, änderts nicht, dass ich mich heute schäme für die krummen Dinge der Partein!"