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Kompensation für Brexit-Schäden
Britische Regierung macht Autoindustrie Zusagen

Gerade die Autoindustrie fürchtet durch den Brexit hohe Zölle, die womöglich bei einem Export in die EU zukünftig anfallen könnten. Nun hat Nissan angekündigt, weiterhin Modelle in Sunderland zu produzieren - offensichtlich, nachdem die britische Regierung Zusagen gemacht hat. Kritiker befürchten nun exklusive Regelungen für bestimmte Sektoren.

Von Friedbert Meurer | 31.10.2016
    Theresa May verlässt Downing Street Nr. 10.
    Theresa May bezeichnet die Nachricht, dass Nissan weiter in Sunderland produzieren will, als "fantastisch". (picture alliance / dpa / Facundo Arrizabalaga)
    "Qashqay" oder "Cash Cow” lautet das Wortspiel des BBC-Moderators Andrew Marr. Baut Nissan sein Modell Qashqay in Sunderland, aber ist der Staat der Goldesel, der das finanziert? Für Premierministerin Theresa May ist die Entscheidung von Nissan, das Autowerk im strukturschwachen Sunderland auszubauen, auf jeden Fall eine glänzende Nachricht. Nissan hatte gedroht, seine neuen Modelle zum Beispiel in Frankreich zu bauen wegen des Brexit.
    "Das sind fantastische Nachrichten von Nissan für die britische Wirtschaft. Wir wollen mit Unternehmen wie Nissan, mit Sektoren der Wirtschaft zusammenarbeiten, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten."
    Die Regierung in London will also offensichtlich bestimmte Sektoren der Wirtschaft, zum Beispiel die Autoindustrie, vor EU-Zöllen beschützen – andere Sektoren also nicht? Ist darüber hinaus die britische Regierung sogar bereit, Nissan finanziell zu entschädigen, wenn es doch zehn Prozent Zoll nach einem Brexit für jedes Auto zahlen muss, das in die EU importiert wird? Handelsminister Greg Clark streitet das vehement ab:
    "Ich habe an den Nissan-Vorstandsvorsitzenden geschrieben, dass wir Zollfreiheit für die Autoindustrie in den EU-Verhandlungen anstreben. Aber wir bieten keine Entschädigung an, das ist nicht möglich."
    WTO verbietet Übernahme von Zöllen
    In der Tat verbieten es die Regeln der Welthandelsorganisation WTO, dass eine Regierung einem Unternehmen die Zölle erstattet. Das wäre eine unerlaubte Form staatlicher Beihilfe. Offenbar ist also die Zusage Londons, mit der EU Zollfreiheit für die Automobilindustrie und die Zulieferer anzustreben, so explizit, dass sie Nissan genügte.
    "Der Brexit bedeutet eindeutig Gegenwind für uns", bekennt Colin Lawther, der Vize-Europachef von Nissan. "Wir vertrauen aber der Zusicherung der Regierung, dass die Automobilindustrie wettbewerbsfähig bleibt, sodass wir den neuen Qashqay und den X-Trail in Sunderland bauen."
    Die Offenlegung der Zusage, dass die britische Regierung Zollfreiheit für die Autoindustrie anstrebt, aber keine finanziellen Zusagen gegeben hat, hat die Debatte in Großbritannien aber keineswegs beendet.
    London will also von Sektor zu Sektor Sonderregeln aushandeln. Auch für die Finanzindustrie? Oder für die Branche, die am lautesten schreit? Keir Starmer von Labour hält das für einen problematischen Ansatz, der für Chaos sorge.
    "Wir erfahren auf einmal aus Interviews und Briefen mehr, als sie uns im Parlament sagen wollten. Da entsteht jetzt endlich ein Plan für ihre Brexit-Verhandlungen – ein wenig chaotisch, aber Stück für Stück.”