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Kompostierbare Bücher und energiesparende Produktion

Ob E-Books umweltfreundlicher sind als Bücher aus "toten Bäumen", sei mal dahingestellt: In der Verlags- und Druckbranche gewinnt nachhaltige Produktion auf jeden Fall an Bedeutung. Sogenanntes Green Publishing soll Ressourcen sparen und Müll vermeiden.

Von Daniela Siebert | 14.11.2012
    Manche Verleger orientieren sich "grün", weil es dafür eine Nachfrage gibt, andere aus Überzeugung oder weil sie von entscheidender Seite Druck bekommen.

    "Ich habe von einigen Autoren gelesen, die sich konkret Verlage herausgesucht haben, die ökologisch und auch klimaneutral produzieren, weil sie selbst ökologische Fragen abarbeiten, mir fällt da zum Beispiel Frank Schätzing 'Der Schwarm' ein, er hat darauf bestanden, dass auf FSC-Papier gedruckt wird."

    Anna Roesinger beobachtet aus nächster Nähe, wie sich die Verlagsbranche ökologisch ausrichtet. Die Beraterin von Firstclimate in Bad Vilbel ist auf Kompensationsgeschäfte spezialisiert. Sie errechnet für Verlage ihren CO2-Fußabdruck und bietet entsprechende Kompensationszertifikate an. Ihre Bestseller:

    "Klassisch: Windkraft in China, dann Wasserkraft in Südindien, Aufforstung, das ist mittlerweile ziemlich im Kommen und ist gerade in der Druckbranche natürlich ziemlich nachgefragt durch den Holz- und Papierbezug."

    Anna Roesinger erlebt die Buchbranche aufgeschlossen für nachhaltiges Produzieren, bei Druckereien sei diese Umweltorientierung schon fast Standard.

    Zu den Vorreitern gehört Gruendrucken in Gießen. Laut Geschäftsführer Lutz Köhler erreicht das Unternehmen inzwischen ein Drittel weniger CO2-Emissionen als konventionelle Druckereien - wobei auch die Kunden gefordert werden.

    "Das ist ein Zusammenspiel vom Einsatz des richtigen Papiers, von der energieeffizienten Produktion, vom Einsatz von Ökostrom und der Versuch, mit dem Kunden bogenoptimierte Formate abzusprechen. Das heißt, wenn ein Kunde kommt: wir möchten eine Broschüre, die ist 25 mal 25 Zentimeter, weil er quadratisch gut findet, dann versuche ich so lange mit ihm zu sprechen, bis er einsieht, dass 22,5 mal 22, 5 genauso gut aussieht, dafür aber deutlich weniger Abfall produziert."

    Auch die österreichische Firma Gugler hat ein Verfahren erarbeitet, das durch einen geschlossenen Kreislauf klimaneutrale, komplett recyclingfähige Druckprodukte erzeugt. Reinhard Herok, der Nachhaltigkeitsmanager von Gugler:

    "Das ist ein Print-Produkt, das voll kompostierfähig ist, und wenn Sie es wegwerfen, hinterlässt es keine Schadstoffe mehr, das ist dieses Revolutionäre: ein Kreislaufdenken auch in der Druck- und Buchproduktion."

    Nachhaltiges Publizieren bekommt derzeit auch noch von anderer Seite Unterstützung: Das Bundesumweltministerium finanziert ein Projekt, in dem die Nachhaltigkeitspotenziale im Verlagswesen ermittelt werden. Beteiligt daran sind der oekom-Verlag in Bremen, das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung, das Institut für Energie- und Umweltforschung und die Frankfurter Buchmesse. Am Ende soll nicht nur eine Liste stehen, wie Verlage umweltfreundlicher werden können, sagt Ulf Jaeckel vom Bundesumweltministerium, sondern ein neuer Standard.

    "Wir werden es der Jury Umweltzeichen vorlegen im Dezember, die Jury Umweltzeichen ist das Entscheidungsorgan des Blauen Engel, des Umweltzeichensystems, und wir werden also vorschlagen, dass wir dann einen neuen blauen Engel für nachhaltige Verlagserzeugnisse anbieten werden."

    Die wichtigsten Stellschrauben zur besseren Umweltbilanz von Büchern und Druck-Erzeugnissen hat das Projekt schon jetzt herausgearbeitet. Recyclingpapier nach den Kriterien des Blauen Engels ist am besten, alternativ Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Außerdem:

    "Beim Druck an sich da gibt es diese flüchtigen organischen Verbindungen, die VOCs, die bodennahes Ozon bilden können, die schon ein Umweltproblem darstellen, da werden 100.000 Tonnen im Jahr von der Druckindustrie emittiert, auch wenn man sich anguckt, eine Tonne Frischfaser, der Energieverbrauch zum Beispiel zur Erzeugung ist genauso hoch wie bei einer Tonne Stahl."

    Mehr Recyclingfasern und mehr Energieeffizienz lauten hier die Empfehlungen. Außerdem auf der Liste: Abfallvermeidung durch weitere Recycling-Kreisläufe, kürzere Transportwege für Rohstoffe und Produkte sowie Verzicht auf Gentechnik in der Produktion von Papier und Farben.

    Zu denen in der Verlagsbranche, die schon vor Jahren und aus Überzeugung auf "Öko-Produktion" umgestellt haben, gehört Volker Hedwig vom Palazzi Verlag. Er verkauft großformatige Kalender mit hochwertigen Naturfotos. Produziert werden sie in einer Druckerei, die das zertifizierte Siegel "Klimaneutral gedruckt" der Frankfurter Firma nature office einhält und Bio-Farben verwendet, so Hedwig:

    "Das ist entspricht unserer ganzen Verlagsphilosophie, wir wollten schon immer mit unseren Bildern die Schönheit der Erde, der Natur darstellen und die Menschen berühren."

    Um die Öko-Bilanz weiter zu verbessern, kauft er CO2-Zertifikate, die die noch verbleibenden Kohlendioxid-Emissionen kompensieren sollen, die etwa dadurch entstehen, dass die Kalender nicht aus reinem Recyclingpapier gefertigt werden können. Verlagsprodukte komplett ohne Umweltauswirkung gibt es nicht, bedauert er. Doch der Trend lautet eindeutig: Der ökologische Fußabdruck der Branche soll kleiner werden.